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Deutscher Wille: des Kunstwarts — 29,4.1916

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Heft 23 (1. Septemberheft 1916)
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Schairer, Erich: Handel ohne Händler
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Vom Heute fürs Morgen
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https://doi.org/10.11588/diglit.14294#0247

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brrngt. Erst in dem Maße, in dem es gelingt, das Gewinnprinzip als
alleinigen Hintergrund der wirtschaftlichen Arbeit zurnckzudrängen,
erhält diese wieder ihre volle Würde, den sittlichen Wert, den man ihr
in einer entschwundenen Zeit beimessen zu dürfen geglaubt hat. Und erst
dann, wenn dies gelingt und die Flegeljahrperiode der „freien" Privat-
wirtschaft sich ihrem Ende zuneigt, wird das deutsche Volk sich wieder zu
einer kulturellen Blüte auch in äußeren Dingen erheben können. Erst
dann wird das Wirtschaftsleben sich wieder harmonisch
einsügen in die geistige Verfassung des deutschen We-
sens und wird dessen sichtbare Gestaltung nicht mehr hem-
mend, sondern fördernd beeinflussen. Erich Schairer

Vom Heute fürs Morgen

Wünschen und Wollen

eulich schickte mir ein deutscher
Gelehrter diesen Satz: „Sie
schreiben: »Wer auch im Kriege noch
nicht gelernt hat, daß jeder Bürger
des deutschen Staatsverbandes in
Sachen eben dieses deutschen Staats«
verbandes als Deutscher mitzählt,
und daß es unbedingte Notwendig-
keit ist, ohne Vergewaltigung und
ohne Beleidigung miteinander aus-
zukommen, der ist wohl vor allem
dumm.« Da bin ich dnmm; denn
ich sage: in Sachen des deutschen
Staatsverbandes haben alle die, die
nicht dem Blute nach zum deutschen
Volke gehören, nicht mitzureden."

Der Verfasser gehört zu den Geg«
nern Bethmanns. Das aber ist für
die kleine Betrachtung, nm die ich
heut bitten möchte, ganz gleich-
gültig. Nehmen wir an: wir däch-
ten gerade entgegengesetzt, als der
Briesschreiber, oder auch: wir däch-
ten genau ebenso.

Nehmen wir an, ich wünschte, daß
in dentschen Landen nur, was „dem
Blute nach zum deutschen Volke ge-
hört«, mitzureden habe, also „zum
mindesten" keine Iuden, keine Po-
len, und auch kein germanisierter
Slawe. Dürfte ich dann glauben,
daß Iuden, Dänen und Polen eben-
so wie bisher für den deutschen
Staat eintreten würden? Wenn
nicht, so bliebe doch eigentlich nur

zweierlei. Entweder, ich hielte die
Schwächung unsres Staats- und
Heerwesens durch die Nnlust jener
Nichtdentschblütigen für das gerin-
gere Äbel, sagte ihnen also offen:
„ich strebe nach eurer Entrechtung^
und übernähme eben das Risiko, daß
unser deutscher Staat durch die Lan-
heit oder den stillen Widerstand so
vieler seiner Angehörigen möglicher-
weise bis zur Niederlage geschwächt
würde. Oder aber, ich dächte: jetzt
schweige ich fein, aber nach dem
Kriege, wenn wir euch nicht mehr
brauchen, dann sollen die rein
Dentfchblütigen im Staate allein
herrschen. Worauf die Iuden, Sla-
wen, Dänen usw. beim nächsten
Kriege ja sicherlich mit doppelter Be-
geisterung zu uns halten würden.
Von vornehm oder niedrig reden wir
heute nicht. Nur davon: wäre mein
Denken politisch klug?

Wünschen und Wollen ist
zweierlei. Wollen heißt: seine
Kräfte, seien es auch zunächst nur
die seelischen, für etwas einsetzen.
Darf man Kräfte für etwas einsetzen,
wenn es nnerreichbar ist? Oder:
wenn ungewiß ist, ob nicht mit der
Verwirklichung Schäden verbunden
wären, die man nicht überschauen
kann? Kurz: darf man unter allen
Nmständen wollen, was man
wünscht?

Wenn einer Antisemit ist, so kann

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