Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Deutscher Wille: des Kunstwarts — 29,4.1916

DOI Heft:
Heft 22 (2. Augustheft 1916)
DOI Artikel:
Kuntze, Friedrich: Kriegs-Philosophie aus dem Schützengraben
DOI Artikel:
Vom Heute fürs Morgen
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.14294#0191

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
stimmbarköit zum Begriff der Persönlichkeit treten können, daher denn der
Begriff der Gottheit in dieser Beziehung keineswegs vereinzelt steht.
Iuristische Personen sind jedem bekannt; der Staat, das Vaterland, kann
als Persönlichkeit sehr wohl faßbar gemacht werden. Wie man aber nie
für ein Vaterland überhaupt, sondern immer nur für dies Vaterland oder
jenes sterben kann, so können auch Menschen, die Organe für das Reli-
giöse haben, nicht mit einer Religion überhaupt, sondern nur mit dieser
oder jener Religion leben. And von hier aus läßt sich wohl grundsätzlich
begreiflich machen, daß die abstrakte Begriffsbestimmung der Gottheit, wie
wir sie beim Spinoza etwa finden, in keinem notwendigen Gegensatz steht
zu der historischen Persönlichkeit, in deren Gestalt die Gottheit sich den
einzelnen Völkern nnd Kulturen darstellt. Beide Bestimmungen verhalten
sich so zu einander wie sich der besondere Fall einer Formel zn ihrer all-
gemeinsten Gestalt verhält. Wre weit freilich in den wirklichen, Geschichte
gewordenen Ausführungen der Begriff der Gottheit (Spinozas zum Bei-
spiel) in einem Verhältnis der Bestimmbarkeit steht zu den Bestimmungen,
die man ihm gern leihen möchte (zum Beispiel zur Bestimmung der
physischen Exsstenz) — darüber habe ich hiermit nichts Grundsätzliches sagen
wollen. fms Friedrich Knntze

Vom tzeute fürs Morgen

Handelsfahrten unter See

ährend wir dieses Heft fertig
machen, gehn unsre Gedanken
hinaus übers Meer in den Hafen
von Baltimore. Dort liegt das Schiff-
lein, das Gummi und Nickel ge-
laden hat, um es unter dem eisernen
Gürtel der englischen Blockadeschiffe
hindurch nach Deutschland zu brin-
gen. Vor dem Hafen lauern feind-
liche Schiffe, um das Boot zu ver-
nichten. Nicht so sehr dieses ein-
zelne kleine Boot, das ihnen nicht
gefährlich ist, als die Idee dieses
Bootes, die begonnen hat sich zu
verwirklichen und deren immer voll-
kommenere Verwirklichung die alten
Machtverhältnisse der Völker zu ver-
ändern droht. Man will die Hoff-
nung auf die praktischen Möglich-
keiten jener Idee vernichten. Kleines
Schiff, du willst ein Stück Mensch-
heitszukunft erproben!

Immer mehr Brüder, immer stär-
kere sollen dir folgen. Machtlos
würde ihnen gegenüber die Macht,
die bisher nach ihrem Belieben be-
stimmte, welche Schiffe das Meer

t56

befahren dürfen, welche nicht. Ein
Streit der Völker, der eben durch
diesen Krieg, durch tausendfache Ver-
nichtung entschieden werden sollte,
würde entschieden — durch eine tech-
nische Erfindung. Es hätte keinen
Sinn mehr für England, die unbe-
dingte Herrschaft über das Meer be-
haupten zu wollen, kein Krieg und
kein Sieg könnte sie retten, sobald sie
technisch unmöglich geworden wäre.
Wieder fiele ein Kriegsgrund aus
der Weltgeschichte dahin, die Ver-
bindung der Völker würde so unzer-
störbar frei, daß der Herrscherwille
eines Staates sie nicht mehr unter
sich zwingen könnte.

Aber es ist eben der Krieg, der
dieses Mittel des Friedens erzeugte.
Die harte, bittere Not eines be-
drängten Volkes hat die Idee in die
Wirklichkeit herabgeholt. Im Frie-
den hätte wohl irgendein Erfinder
vom Schlage Zeppelins sich um die
Idee gemüht, wäre sie aber je prak-
tisch von den Reedern und Kaufleu-
ten aufgegriffen worden? Man hatte
ja die leichte,billige Verbindung durch»
 
Annotationen