und Kulturideal, das sich unzählige Menschenfreunde vorgestellt hatten,
und dessen Antergang sie jetzt rnit rührenden Worten beklagen, müßte sich,
wenn es verwirklicht werden könnte, immer mehr zu einer Lebensgestalt
auswachsen, welche der allertiefsten, edelsten und starksten Bewegung un-
fähig wäre. Nichts braucht die Geschichte nötiger, um das wahrhaft Ethische
zu erzeugen, als Katastrophen, Spannungen und Kämpfe, in denen der
Widerstand gegen das Gute seine ganze Kraft einsetzt. In dieser Gewiß-
heit dürfen wir uns auch durch die grauenhaftesten Erscheinungen und
schwersten Opfer eines Krieges nicht beirren lassen.
Den Sinn dieses Krieges haben wir erst dann erfaßt, wenn wir fühlen
können, wie er uns wieder christusfähig macht. Auf jener Kulturstufe, auf
der die Menschen in der hinter uns liegenden Friedensära standen, waren
sie von dieser Fähigkeit zu weit entfernt, um den Christus auf neue und ur-
sprüngliche Weise zu erleben und seiner Gestalt ein typisches und all-
gemeingültiges Gepräge zu geben. Das religiöse Kriegsziel steht deut-
lich vor unserm Auge. Ob es erreicht wird? A. W. Hunzinger
Zu Schröders Gedächtnis
rich Ludwig Schröder, der vor hundert Iahren — am 3. Septem-
— auf seinem Landsitz Rellingen bei Hamburg gestorben ist, war
Theatermann schlechthin. Ieder, den wir vor und nach ihm rühmen
können, hatte nur ein Stück von ihm. Der Neuberin etwa fehlte die
innige Verbundenheit mit der Natur (sie selbst und ihre Amgebung
dehnten singend die Vokale und tremolierten, wenn sie rühren wollten),
auch neigte sie sich mehr als gut war vor dem Publikum. Konrad Lkhof
und Iffland waren im Gegensatz zu Schröder eitel und arg rollensüchtig;
Ludwig Devrient, der den Alten noch besuchte, trat aus der Amschränkung
des Darstellers nie heraus und ähnelte dem Meister auch hier nur auf den
Höhepunkten der Leidenschaft, nicht in der gleichmäßigen Durchbildung der
Charaktere; Immermann, Eduard Devrient, Laube, Dingelstedt können
wiederum einzig als Dramaturgen und Komödiantenführer mit ihm ver-
glichen werden; in Mitterwurzer und Matkowsky brauste etwas von seinem
unstäten väterlichen Blute, aber das sänftigende der Mutter hatte er zum
Ausgleich vor beiden voraus; Bernhard Baumeister ist ihm in der Schlicht-
heit der Rede verwandt; Ioseph Kainz wußte wohl wie er das Komische
ins Tragische zu mischen und spielte den tzamlet, der seit Schröder nicht
wieder gesehen worden war: aber keiner vereinigte in sich den Tänzer,
Sprecher und Gestalter mit dem Dramaturgen, Erzieher und Gesetzgeber
wie Schröder, keiner hat wie er gearbeitet und gelitten, keiner ist wie er
geläutert und geehrt worden, ohne den Haß zu lernen, ohne die Bescheiden-
heit zu verlieren.
Züge aus seinem 72jährigen sprudellebendigen Leben sind über zahllose
theatergeschichtliche Werke und über persönliche Erinnerungsliteratur ver-
streut. Nicht auf (000 Druckseiten ist es seinem Freunde F. L. W. Meyer
gelungen, des großen Mannes Werden und Wirken abzurunden. Berthold
Litzmann hat Schröders Briefwechsel mit Gotter veröffentlicht und vor-
züglich erläutert, ohne damit mehr als eine kurze Spanne Zeit ablaufen
zu können, und seine groß angelegte Biographie stockt seit 22 Iahren
nach zwei ansehnlichen Bänden, die erst eine Hälfte bedeuten. Woran
(83
und dessen Antergang sie jetzt rnit rührenden Worten beklagen, müßte sich,
wenn es verwirklicht werden könnte, immer mehr zu einer Lebensgestalt
auswachsen, welche der allertiefsten, edelsten und starksten Bewegung un-
fähig wäre. Nichts braucht die Geschichte nötiger, um das wahrhaft Ethische
zu erzeugen, als Katastrophen, Spannungen und Kämpfe, in denen der
Widerstand gegen das Gute seine ganze Kraft einsetzt. In dieser Gewiß-
heit dürfen wir uns auch durch die grauenhaftesten Erscheinungen und
schwersten Opfer eines Krieges nicht beirren lassen.
Den Sinn dieses Krieges haben wir erst dann erfaßt, wenn wir fühlen
können, wie er uns wieder christusfähig macht. Auf jener Kulturstufe, auf
der die Menschen in der hinter uns liegenden Friedensära standen, waren
sie von dieser Fähigkeit zu weit entfernt, um den Christus auf neue und ur-
sprüngliche Weise zu erleben und seiner Gestalt ein typisches und all-
gemeingültiges Gepräge zu geben. Das religiöse Kriegsziel steht deut-
lich vor unserm Auge. Ob es erreicht wird? A. W. Hunzinger
Zu Schröders Gedächtnis
rich Ludwig Schröder, der vor hundert Iahren — am 3. Septem-
— auf seinem Landsitz Rellingen bei Hamburg gestorben ist, war
Theatermann schlechthin. Ieder, den wir vor und nach ihm rühmen
können, hatte nur ein Stück von ihm. Der Neuberin etwa fehlte die
innige Verbundenheit mit der Natur (sie selbst und ihre Amgebung
dehnten singend die Vokale und tremolierten, wenn sie rühren wollten),
auch neigte sie sich mehr als gut war vor dem Publikum. Konrad Lkhof
und Iffland waren im Gegensatz zu Schröder eitel und arg rollensüchtig;
Ludwig Devrient, der den Alten noch besuchte, trat aus der Amschränkung
des Darstellers nie heraus und ähnelte dem Meister auch hier nur auf den
Höhepunkten der Leidenschaft, nicht in der gleichmäßigen Durchbildung der
Charaktere; Immermann, Eduard Devrient, Laube, Dingelstedt können
wiederum einzig als Dramaturgen und Komödiantenführer mit ihm ver-
glichen werden; in Mitterwurzer und Matkowsky brauste etwas von seinem
unstäten väterlichen Blute, aber das sänftigende der Mutter hatte er zum
Ausgleich vor beiden voraus; Bernhard Baumeister ist ihm in der Schlicht-
heit der Rede verwandt; Ioseph Kainz wußte wohl wie er das Komische
ins Tragische zu mischen und spielte den tzamlet, der seit Schröder nicht
wieder gesehen worden war: aber keiner vereinigte in sich den Tänzer,
Sprecher und Gestalter mit dem Dramaturgen, Erzieher und Gesetzgeber
wie Schröder, keiner hat wie er gearbeitet und gelitten, keiner ist wie er
geläutert und geehrt worden, ohne den Haß zu lernen, ohne die Bescheiden-
heit zu verlieren.
Züge aus seinem 72jährigen sprudellebendigen Leben sind über zahllose
theatergeschichtliche Werke und über persönliche Erinnerungsliteratur ver-
streut. Nicht auf (000 Druckseiten ist es seinem Freunde F. L. W. Meyer
gelungen, des großen Mannes Werden und Wirken abzurunden. Berthold
Litzmann hat Schröders Briefwechsel mit Gotter veröffentlicht und vor-
züglich erläutert, ohne damit mehr als eine kurze Spanne Zeit ablaufen
zu können, und seine groß angelegte Biographie stockt seit 22 Iahren
nach zwei ansehnlichen Bänden, die erst eine Hälfte bedeuten. Woran
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