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Deutscher Wille: des Kunstwarts — 29,4.1916

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Heft 23 (1. Septemberheft 1916)
DOI Artikel:
Gregori, Ferdinand: Zu Schröders Gedächtnis
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Wolf, Gustav: Kriegs-Gedächtnis-Zeichen
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https://doi.org/10.11588/diglit.14294#0230

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er seinen Zweck. Ie weniger Bewegungen der Hände, je wirksamer ist
eine, zur rechten Zeit."

Endlich: „Seit meiner Entfernung vom Theater ist ein Gebrauch ent-
standen, der nicht allein das Zusammenspiel» sondern alle Wahrheit ver-
scheucht, durch den der Zuschauer gewaltsam aus der süßen Täuschung
gerissen wird, in die ihn der geistreiche Dichter versetzte. Ein Gebrauch,
von dem ich, der älteste deutsche Schauspieler, und alle mir bekannten
Vorgänger nichts wußten. Der: seine Nede gegen das Parterre zu richten,

mit dem Parterre zu sprechen und sogar zu liebäugeln. Der große

Haufe gewöhnt sich an alles, sogar an Auordnung in den Maschinerien:
aber man glaube doch ja nicht, daß der gebildete Teil, der so gern ver-
gessen möchte, daß er vor einer Bühne steht, an dieser Vertraulichkeit
mit dem Parterre Vergnügen findet."

Das alles sind Worte, die sich in Hamlets Munde ebenso trefflich
ausnehmen würden wie die des Schauspielererziehers Shakespeare. Und
der kleine Auszug, den ich gegeben, geht nicht nur die Schauspieler und
nicht nur die seiner Zeit an. Alle Fehler, die Schröder hier berührt und die
in seiner Truppe „so ziemlich abgestellt« sein mochten, treiben ihr kultur-
widriges Wesen noch heute auf vielen Bühnen. Wir sind nur weiter
gekommen in malerischen Dingen, in Beleuchtungsmöglichkeiten und in
der Verwendung der Massen. Ietzt aber, wo in der Vervollkommnung
des Bühnenbildes etwas wie Stillstand eingetreten ist, wäre es an der
Zeit, von neuem der Wiedergabe der dramatischen Charaktere nachzusinnen.
Wer sich nur die oben erwähnten zwei gleichgültigen Rollensätzchen, auf die
Schröder sein Betonungsgesetz anwendet, sorgsam laut vorliest, wer dann
an seinem nächsten Theaterabend aufpaßt, ob man's denn auf der Bühne
auch recht schröderisch anfange, der wird gewiß unliebsame Entdeckungen
machen. Und vielleicht findet dann so etwas Unliebsames auch den
Weg in die Öffentlichkeit: da wäre dem ganzen Theater wieder ein
Weniges geholfen, wie Schröder ihm vor mehr als hundert Iahren um
Vieles half, und die Nachwelt flöchte damit — Schillers Worten zum
Trotz — der vergänglichsten Kunst echte Immortellen zum Kranz.

Ferdinand Gregori

Kriegs-G ed ächtnis-Z eich en

^L^riegs-Gedächtnis! Einen aufmerkenden, empfänglichen Sinn be-
VVrührt dies Wort, wie ein geworfner Stein das stille Wasser trifft:
4?^es schlägt ein, und Kreis um Kreis, weiter und weiter, zittert ihm
Erregung nach.

Man denkt an einsame Staatsmänner, die mit Völkermillionen rechnen
und würfeln; an Trommelwirbel, Drähte, Funken, die Alarm über den
Erdball schleudern, eilende RLder, flutende Heere bewegen; man denkt an
überschrittene Grenzen, brüllende Riesenmörser, zerfetzte Panzerkuppeln;
an todspeiende Schiffe auf der See, in der Luft, unter dem Wasser — an
zerstörte Fluren, zerstörte Dörfer, zerstörtes Glück — Blut, Wunden, Un-
heil, endlos gemehrt bis zu dem namenlos inhaltsschweren Tage, der die
weißflatternden Fahnen des neuen Friedens tragen wird. . . .

Aus dieser blitzgeschwind hineilenden Gedankenkette formt sich ein Ge-
samtbegriff von Krieg, als von einem gestaltlosen, unfaßbaren Dämon, der
die Welt mit Gräßlichkeiten durchfurcht, um unter einigen Staaten neue
 
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