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Deutscher Wille: des Kunstwarts — 29,4.1916

DOI Heft:
Heft 21 ( 1. Augustheft 1916)
DOI Artikel:
Avenarius, Ferdinand: Heinrich Steinhausen: zum 27. Juli
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https://doi.org/10.11588/diglit.14294#0134

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Heinrich Steinhausen

Zum 27. Iuli

einrich Steinhausen, der Achtzigjährige, war niemals einer sür die
M^Vielen. Möglicherweise war selbst sein einziger großer Erfolg, der
^Xder „Irmela", ein Lrfolg aus Mißverständnis. Er war vielleicht
gar nicht der Eigenart Steinhausens, sondern der „altdeutschen" Mode
zu verdanken, die diese echte Blume unter all den gemachten sozusagen
mitgriff. In noch weit höherem Grade als sein jüngerer Maler-Bruder
Wilhelm war Heinrich von je ein Intimer für wenige. War es nm so
mehr, als er es kaum schien. Er schien ein schlichter Erzähler von manch-
mal bis zur Kindlichkeit naiven Voraussetzungen, naiver Psychologie und
naiven Entwicklungen. Erst wer bemerkte, daß er nicht so hinfabnlierte,
sondern daß ein tiefes Beteiligtsein und ein heißes Verlangen nach Gött-
lichkeit im Erleben auch bei diesem naiven Erzählen war, erst der sah
Heinrich Steinhausen selbst hinter seinen Gestalten. Und der Herr Autor
macht' es einem noch dnrch dies und jenes Andre schwer, sein Ich zu sehn.
Durch einen gewissen Wortreichtum besonders. Zu einem Teil kam der
aus einer Art Methode des Indirekten, die das Ergebnis nicht herans-
sagen, die zu ihm führen wollte. Zu einem andern aus einer Keuschheit,
die mit dem Innerlichsten zurückhielt. Zu einem dritten Teil kam er ans
einem Iean Paul verwandten Humore. „Bist du einer von meiner Art,
so verstehst du mich schon, wenn nicht, was wollen wir beieinander?"
Steinhausen ging ja immer „anderswo", als die Mehrheiten. Aber Hein-
rich Steinhausen ging auch immer anderswo, als die Minderheiten. Min-
derheiten können für einen Schriftsteller ein ganz zur Genüge wärmendes
Publikum sein, sogar wenn sie nicht bestimmt sind, die Mehrheiten von
Morgen zu werden, sonst ließe sich nicht bei den Cliquen gut hausen.
Steinhausen aber verneinte jene und verneinte diese, er war vielleicht „alt-
modisch", äber jedenfalls weder heutmodisch noch morgenmodisch noch
klüngelmodisch. Er war immer nur ganz Abseitigen mit Linsamkeitshang
etwas. Und von jedem verlangte er auch noch, daß er Zeit hättel

Von dem Erzähler Steinhausen ^ ist im Knnstwart manches Mal ge-
sprochen worden, wir könnten Gesagtes nur wiederholen. Er hat in den
langen Iahren mehrere Literatur-Moden, die allein selig machten, über-
lebt. Wie „unerlaubt", wie „altväterlich", wie „tantenhaft" nach Ansicht
der nachweislich Modernen seine Technik auch war, eins hat er immer
für die Willigen erreicht: daß ihnen die Leute, die er zeigte, nahe traten,
sogar bis in die Herzgegend. Es war immer eine Liebe, was mit diesem
Schreiber durch die Stille ging. Und auch bei dem Kritiker Steinhausen
war das der merkwürdige Vorzug: seinen Gegenstand brachte er einem
nahe. Andre verstanden es viel besser, diesen Gegenstand, als welcher
meistens sie selber waren, vor den Augen funkeln zu lassen. Wer eine
Steinhausensche Kritik gelesen hatte, dachte vielleicht gelassen: „na ja",

^ Eben ist wieder ein neues Buch von ihm heraus: „Vom stillen Leiden
und bescheidnem Glück", fünf Erzählungen mit einer Einleitung. Erschieuen
bei L. Ungleich in Leipzig. — Mit dem Kritiker und Satiriker Heinrich Stein-
hausen kann zunächst die Dürerbnndflugschrift „Drei Beiträge zur Aus-
druckskultur" bekannt machen, die eben erscheint und in der Rundschau dieses
Heftes angezeigt wird.

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