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Deutscher Wille: des Kunstwarts — 29,4.1916

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Heft 23 (1. Septemberheft 1916)
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Lambach, Walther: Das Sprachenlernen als politische Aufgabe
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Schairer, Erich: Handel ohne Händler
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https://doi.org/10.11588/diglit.14294#0243

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nicht seinen Wert. Halten wir es fest im Auge, dann können wir unsere
Sprachstudien sogar ganz allgemein als politische Waffen verwenden, wie
es die Kreise tun, die jetzt dafür werben, daß möglichst viele Deutsche die
Sprachen unsrer Verbündeten lernen. Türkisch, Bulgarisch und Madjarisch
müssen von Deutschen aller Berufe gelernt werden, wenn diese Völker
dazu kommen sollen, Deutsch als Mittlersprache in Mitteleuropa anzu--
nehmen. Die Türken müssen durch die deutsche Sprache auch zu den Litera-
turen ihrer anderen Bundesgenossen gelangen können und die Madjaren
und Bulgaren müssen es ebenfalls. Damit aber ein Türke durch das
Deutsche zur madjarischen Geisteskultur gelangen könne, müssen erst Deutsche
dagewesen sein, die die madjarischen Werke ins Deutsche übersetzt haben.

Wir brauchen keine fremde Vermittlersprache, weil das Deutsche selbst
die gegebene Vermittlersprache ist. Im Iahre s825 sagte Goethe zu
Eckermann, es sei nicht zu bestreiten, daß „wenn jetzt einer das Deutsche
gut versteht, er viele andere Sprachen entbehren kann. — Die große Füg-
samkeit unsrer Sprache macht dann die Abersetzungen durchaus treu und
vollkommen". Das galt vor neunzig Iahren und gilt heute in noch
höherem Maße.

Die jungen Kaufleute unserer Zeit werden also ebenso wie ihre Volks--
genossen in bestimmten andern Berufen auch weiterhin ein eifriges Sprach--
studium zu pflegen haben. Sie werden jedoch viel gründlicher und weit--
sichtiger, als das vor dem Kriege geschah, über die Auswahl der zu
erlernenden Sprachen nachzusinnen haben. Eine Aufgabe ihrer Berufs--
verbände wird es sein, sie darin zu beraten. In den nächsten Iahren ge--
hören besonders die Sprachen des Südostens: Madjarisch, Rumänisch,
Serbisch, Bulgarisch und Türkisch in die Reihe der Sprachen, deren Stu--
dium dem deutschen Kaufmann zu empfehlen ist.

Im Südosten liegt ein gutes Stück deutscher Zukunft. Es kann nur
zur Blüte gebracht werden, wenn alle diejenigen daran mitarbeiten, die
uns durch ihre Sprachkenntnisse unabhängig von französischen oder ande-
ren Zwischenträgern machen. Der deutsche Kaufmann sollte nicht der
Letzte sein, der an die sprachlichen Aufgaben, die hier liegen, mit deutscher
Gründlichkeit herangeht. Walter Lambach

Handel ohne Händler

^^m Frühjahr W5 begannen in den Zeitungen die Klagen über den
^ ^Lebensmittelwucher. Am 23. Iuli W5 erging eine Bundesratsver--
^Dordnung, die ihn mit fünf Paragraphen einzufangen versuchte und mit
Gefängnis und hoher Geldstrase belegte — obwohl der „Wucherpara--
graph" 302 im Reichsstrafgesetzbuch bereits dieselben Drohungen ausspricht.
Am 23. September kam eine neue Verordnung, diesmal von neun Para--
graphen, „zur Fernhaltung unzuverlässiger Personen vom Handel"; darin
wurde auch noch der Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte in Aussicht ge--
stellt — was der alte Paragraph 302 ebenfalls längst getan hat. Am
2s. August hatte der damalige Staatssekretär Delbrück im Reichstag die
Worte gebraucht: „Vor aller Welt muß klargelegt werden, wie nieder--
trächtig und verächtlich alle diejenigen Fälle sind, in denen der einzelne
versucht, bei einer schweren Ieimsuchung des Vaterlandes die Ernährung
der Bevölkerung aus eigennützigen Gründen zu erschweren. Solche Leute,
die sich in schwerer Zeit so vergehen, wie diejenigen, die Lebensmittelwucher
 
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