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Deutscher Wille: des Kunstwarts — 29,4.1916

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Heft 19 (1. Juliheft 1916)
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Unsre Bilder und Noten
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https://doi.org/10.11588/diglit.14294#0061

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<rlter Schönheit und von alter Schrulle, vor allenr: etwas von eigenem
Volkstum und persönlicher Arbeit trägt? Man lebt hier in mehreren
Iahrhunderten, aber ganz gewiß nicht in „Zerrissenheit". Dann ist der
Althändler gekommen, hat abgekratzt, ausgeschachert, bestensalls überklebt,
und der „Bazar" hat hineingesetzt, was „nach etwas aussieht" und Plun-
der ist. Immerhin: wenn auch ein halbes Iahrhundert ruiniert hat, es ist
doch wohl zu hoffen, daß die guten Keime noch quellen und treiben können.

Seit einiger Zeit geht in manchen illustrierten Zeitschriften Ferdi-
nand Staeger um. Was er gibt, hat seinen Weg zunächst wohl als
eine Art Kuriosität gemacht, es war so ganz „anders" als das Äbliche.
Gut ist gewiß nicht alles, was man von ihm sah und sieht. Aber das Blatt
„Schöne Zeiten" ist gut, und so ist es auch geeignet, das an der Staeger-
schen Kunst überhaupt ins Licht zu rücken, was an ihr gut ist. Zunächst
schon: die Nicht-Aufdringlichkeit. Wie leise die Mittel. Dann: die
Feinheit der Zeichnung, die freilich in diesem Blatte hier auch sür Staeger
außerordentlich ist. Daß alles in asiatischer Art schattenlos, kommt hinzu,
um für uns Europaleute den Eindruck des Fremden, Visionären, Traum-
mäßigen zu erhöhen. Des unbekleideten kleinen Fräuleins, das aus dem
Steine singt, brauchte es kaum, sie ist auch eine ziemlich wohlgenährte Elfe.
Lut nichts, sie stört auch nicht. Sie wirkt immerhin durch ihr plötzliches
Hereinkommen 4n diese Glückswelt noch wie ein Tüpfelchen auf dem i und
verstärkt heiter den ganz leisen Humor der Stimmung. Es ist ein sehr
liebenswürdiges kleines Werk.

Die vier Bilder dann gehören zu dem Aufsatz über neuen Kunstdienst
der Photographie. Vier Stücke aus den spätromanischen Stein-
bildern im Naumburger Dom. Gute „wissenschaftliche" Aufnahmen. Aber
jeden intimeren Kenner der Werke felbst erinnern sie nur eben an die
Stunden tiefinnerlichen Genusses, die er dort erlebt hat. Die ihr das auch
findet, ihr von der Kamera: zeigt uns, was euch die Sonne zeigt!

Das Kopfbild der ersten Seite ist ein Spielmann-Bild von Wilhelm
Roegge. Das kleine Schlußstück gibt einen neuen Schattenschnitt
„Idyll" von Berthold Reichel wieder.

Hfnsere Musikbeilage ist dem Oratorium „Iudas Makkabäus^ von
'^Händel entnommen, und zwar einer Neubearbeitung des Werkes,
die Hermann Stephani besorgt hat. Der englische Urtext, den
Thomas Morell dem Oratorium gab, weicht in bedeutsamer Weise von
der geschichtlichen Aberlieferung ab. Was lag wohl näher (schon H. Giehne,
Karlsruhe (8^7, hat darauf hingewiesen), als den lorbeerumkränzten
Iüngling, ein Opfer glühender Vaterlandsliebe, in Lragischer Weise einen
ergreifenden Nntergang finden zu lassen, oder zu fesselndem Gegenspiel
die heidnischen Syrer handelnd einzuführen? Nichts davon. Die ge-
schichtliche Treue, die des Iudas Tod forderte, wird geopfert — der Idee
des Volksdramas. Lebensstark geprägte Charaktere, zeigen Simon und
Iudas persönlich hervortretende Züge nur insoweit, wie ihnen als den
Edelsten ihres Volkes zukommt. Priester und Feldherr verkörpern die
sittlichen Grundkräfte des Volkes: jener Selbstbesinnung, Hingabe an die
ewigen Dinge, Glauben — dieser Selbstbeherrschung, Siegerwillen, Tat-
kraft. Beider Züge stehen von Anfang an fest. Am so gewaltiger die
Entwickelung, die sich in dem Volke als Ganzem abspielt. Sein Er-
wachen, sein Sichemporarbeiten von dumpf verzweifelnder Selbstaufgabe
bis zu den Edelgefühlen wieder erkämpften Selbstbewußtseins ist des

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