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Deutscher Wille: des Kunstwarts — 29,4.1916

DOI issue:
Heft 21 ( 1. Augustheft 1916)
DOI article:
Schumann, Wolfgang: Bücher der Zeit, 9: über Österreich-Ungarn
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https://doi.org/10.11588/diglit.14294#0142

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dies hohe Lob spendet Friedjung L. Eisenmanns französisch geschriebner
Keschichte „Le compromis Austro-Hongrois" (Paris (90^). Von deutschen
Schriften über diese Zeit ist R. Charmatz' knappe Zusammenfassung „Öster-
reichs innere Geschichte von (8^8 bis (907^ zu nennen. Es ist kein Ver--
gnügen, darin immer wieder politische Schlagworte und heftige persönliche
Urteile des Verfassers zu finden, aber diese Schönheitsfehler können nicht
darüber täuschen, daß die Darstellung doch reichhaltig und eindringlich
ist. Irr das innere Getriebe österreichischer Politik führt für heute wohl
am besten ein R. Springers geistreich und überlegen geschriebnes Buch
„Grundlagen und Entwicklungsziele der österreichisch-ungarischen Mon-
archie". Sehr sesselnd ist der wohl einzigartige Versuch G. Kolmers,
eine Geschichte der österreichischen Volksvertretung zu bieten. In bisher
acht Bänden leitet das Werk von (8^8 bis zum Ministerium 5^örber. Man
wird es nicht Seite für Seite lesen wollen. Aber es ist ein prächtiges Nach-
schlagewerk. Und das Studium einiger größerer Kapitel daraus ist eine
recht anziehende „Schule des Parlamentarismus", wie wir keine andre haben.
Zudenr kann man die Entwicklung so ziemlich aller öffentlichen Probleme
darin verfolgen, da die Darstellung Hinreichend Stoff in Gestalt von Ge-
setzesvorschlägen, Reden, Erlassen usw. birgt. Endlich ist das Werk ein
Spiegel der wichtigeren politischen Persönlichkeiten der letzten Iahrzehnte.
Es geht ein lebendiger Hauch Hindurch, der manches fühlen läßt, was der
kuappere Geschichtschreiber nicht erwähnt. Von älteren politischen Schrist-
stellern, die man noch fürs tzeute mit Gewinn liest, sei schließlich Kürn-
berger genannt, dessen „Siegelringe", in den Iahren (866 bis (87H
eutstanden, ein kritisch lebendig gesehenes Zeitbild bieten.

Zur äußeren Geschichte im besonderen erweckt heute H. Reberbergers
umfassende Studie „Osterreich und Rußland seit dem Ende des (5. Iahr-
hunderts^ besonderes Interesse. Der erste Band reicht bis (603. Mit
Spannung darf man den Abschluß des Werkes erwarten, das auf genauester
Kenntnis auch eines reichen russischen Quellenstoffes aufgebaut ist. Die
wichtige Wendezeit des Krimkrieges hat wiederum Friedjung in einem
Buche bearbeitet, das Österreichs gesamte politische Lage hell beleuchtet.
Line knappe Abersicht über die auswärtige Politik im (9- Iahrhundert
bietet Lharmatz. Als eine der lesbarsten Schilderungen der Politik
des Habsburger Reiches von (898 bis gegen das Iahrhundertende muß
E. v. Wertheimers Lebensbeschreibung der Grafen Iulius Andrassy
gelten. Die wichtigsten Lebensfragen der Doppelmonarchie findet man hier
sehr ausführlich und in nicht schwieriger Form dargestellt. Zunächst die
Gestaltung des Ausgleichs mit Ungarn, dann die ganze Reihe der großen
Lreignisse vom (866 er Krieg über die Krisis von (870 bis zum Abschluß
des Zweibundes, an denen Andrassy als ungarischer Premier und als
Leiter der äußeren Politik entscheidend teilnahm. Aber auch alle „kleineren"
Geschehnisse, die orientalischen Ereignisse, die Bündnispolitik, die innere
Lntwicklung der Kronländer, die Persönlichkeiten der Ministerien, die Re-
formen im Reich, alles wird beleuchtet und eingehend erzählt. Das Werk
ist wirklich nicht eine Biographie, sondern ein Stück Geschichte, auch der
besondere ungarische Standpunkt des Verfassers tut seinem Wert keinen
entscheidenden Abbruch. Die neuere Zeit behandelt Th. von Sosnosky
in dem Buch „Die Politik im Habsburger Reich", worin er bis in die
Mtte des vorigen Iahrhunderts zurückblickt, meist aber die Gegenwart
kritisch begleitet. Viel Wissen und Wollen ist hier gespeichert und ent-
 
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