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Deutscher Wille: des Kunstwarts — 29,4.1916

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Heft 21 ( 1. Augustheft 1916)
DOI Artikel:
Jentsch, Carl: "Arbeitgeber" und "Arbeitnehmer"
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https://doi.org/10.11588/diglit.14294#0149

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Bevölkerung mit Wohnung, Kleidung und Bequemlichkeiten zu versorgen,
macht ihnen doch so viel zu schaffen, daß sie, solange ihre Zahl noch
mäßig ist, die Arbeitgelegenheit einander nicht abzujagen brauchen. Der
Zwang dazu tritt jedoch ein, wenn die Volkdichtigkeit eine gewisse Grenze
überschreitet. Für die vom Boden losgelöste Bevölkerung wird es dann
immer schwieriger, Güter zu ersinnen, die Abnehmer finden, und deren
sie bedarf, um dafür die unentbehrlichen Bodenerzeugnisse einzutauschen.
Anternehmer sind erforderlich, die (Lrfindungsgabe und zugleich das Talent
haben, durch Reklame das Verlangen nach den neuen Gütern zu erregen,
künstliche Bedürfnisse zu erzeugen. Die Arbeitermassen geraten in Ab-
hängigkeit von den Unternehmern und drängen sich zu den Arbeitstellen,
die diese zu vergeben haben. So entbrennt ein vielgestaltiger und ver-
wickelter Konkurrenzkamps: der Kampf um den Arbeitplatz, die Arbeit-
gelegenheit, der Kampf um den Warenabsatz, um die Kundschaft, der
Kampf der Lohnarbeiter untereinander, der Unternehmer untereinander,
der Kampf jener gegen diese. An die Stelle des erhebenden Ringens mit
der Natur ist der häßliche Krieg des Menschen gegen den Menschen
getreten. Mit dem deutschen Worte Wettbewerb versucht man ihm den
Charakter eines edlen Wettstreits anzulügen, aber das ist er nun einmal
nicht; alle Edlen sind betrübt über das häßliche Schanspiel, das er dem
Beschauer darbietet; es ist überflüssig, alle die bekannten tzäßlichkeiten
aufzuzählen, von den Künsten des kleinen Schacherers bis zum Riesen-
betrug des Großspekulanten und zu den blutigen Handelskriegen. Drum
ist es besser, sich nichts vorzutäuschen und dem Fremdworte Konkurrenz
treu zu bleiben, bei dem jedermann sofort das Richtige denkt. Der Kon-
kurrenzkampf gehört zu den tragischen Notwendigkeiten des Erdendaseins;
er hat und ersüllt den Zweck, aus dem Menschen alles herauszutreiben,
was an Verstand, Erfindungsgabe und Energie in ihm steckt. Aber die
Verschlechterung des Charakters und die Verhäßlichung des Lebens, die er
mit sich bringt, machen es doch zur Pflicht, ihn nach Möglichkeit einzu-
dämmen, dafür zu sorgen, daß er nicht alles in seinen Strudel sortreißt,
die Berufstände zu schützen und zu fördern, die von ihm unberührt bleiben.
Der wichtigste dieser Stände ist der Bauernstand. Die Landwirte haben
es nicht nötig, einander Konkurrenz zu machen; was schon Cicero an ihrem
Beruse preiswürdig fand, daß er ein neidloser Stand sei, gilt heute noch:
der Landwirt ringt wie in Nrzeiten mit der Natur, nicht kämpft er gegen
den Landwirt. Nur die Gesamtheit der Landwirte eines Staates kann
in eineu Konkurrenzkampf mit denen eines andern Staates verwickelt
werden, worauf hier nicht näher einzugehen ist. Das wäre also einer
der Gründe, welche die Erhaltung und Kräftigung des Bauernstandes
zur Pflicht machen.

Die heut üblichen falschen Benennungen für den Anternehmer und
den Lohnarbeiter sind nun auch deswegen unschön und schädlich, weil
sie an den Kampf erinnern und die Kampflust entzünden. Sie erinnern
daran, daß der Unternehmer Arbeitsplätze zu vergeben hat, und daß
der einzelne Lohnarbeiter, um sich einen zu sichern, von zwei Mitteln
eines wählen muß: entweder einen Kameraden von seiner Stelle ver-
drängen, oder sich mit seinen sämtlichen Berufsgenossen gegen die Ge-
samtheit der Unternehmer verbünden. Bleiben wir also nur bei den
richtigen Namen: Unternehmer und Lohnarbeiter. Der zweite tut seinem
Träger keinen Schimpf an, denn jeder Arbeiter ist seines Lohnes wert,
 
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