„interessant", wenn man über etwas
nicht nachdenken will.
Man kann von der Kriegsbilder-
Ausstellung sagen: sie ist lehrreich
oder sie ist packend. Man kann
sagen: sie ist vielseitig oder ein»
seitig. Man kann vielleicht sogar
sagen: sie ist schön oder sie ist nicht
schön. Das alles sind Urteile, sind
Versuche zu Kennzeichnungen der
Sache, bei denen das Innere des
Sprechers mitarbeitet. Deshalb
knüpfen sie auch sofort eine Be-
ziehung von Seele zu Seele, sie
regen Zustimmung oder Widerspruch
an, sie erwecken Gefühle, sind leben-
dig. Das alles fällt weg, wenn ich
das leere Wort „interessant" wähle.
Zum „Weibsteufel"! Die Mei--
nungen sind geteilt. Es ist für viele
nicht so leicht, ein zusammenfassen-
des Urteil abzugeben. Dazu müßte
man seinem Geist ein „Achtung!
Stillgeftanden!" zurufen. Dann kann
man möglicherweise sagen: dieses
Stück ist seelisch fein oder nicht fein
beobachtet, oder, es ist dramatisch
geschickt aufgebaut, oder man gibt
nur seine zunächst nicht urteilenden
Gefühle: es ist ergreisend, oder es
ist abscheulich, oder sonstwie. Daran
kann man dann anknüpfen, davon
ausgehen, die verschiedenen Anschau-
ungen können sich so miteinander
messen. Aber das „interessant" drückt
sich um alles herum.
Den letzten französischen Tages-
bericht kann man klar oder unklar,
gewunden, großsprecherisch oder sonst
etwas finden — „interessant" aber
nur in irgendeiner Richtung, die
man sofort angeben müßte, wenn
das Wort einen Sinn haben sollte.
„Interessant, insoferne er dies oder
das verschweigt", „insofern er dieses
zugibt", „insofern er hiermit irre-
zuführen sucht". Das „interessant"
ohne nähere Bestimmung ist auch
beim Heeresbericht völlig sinn—los.
Nur in einer Bedeutung wird
man's vorläufig vielleicht nicht mis--
sen mögen — „interessant" als An-
deutung von Stacheldraht ums eigne
Denken. Aber auch Mit Stacheldraht
läßt sich blüffen: es braucht nichts
da zu sein, wo er scheinbar schützen
will. AlbrechL
GedenkbläLter-KiLsch
er Bilderkitsch unsrer Zeit, von
dem Avenarius im vorigen Heste
schrieb, ist mit am häufigsten unter
den „Gedenkblättern" anzutrefsen.
Woche für Woche gehen uns eine
Anzahl „Gegenbeispiele" zu. Hier
ein Blatt — wir nennen die Firma
nicht, um sie nicht unter andern
herabzusetzen, denn das würde sie
gar nicht verdienen. Aller dieser
Kitsch ist ungefähr gleich an Un-
wert, kennt man ein Stück davon,
so kennt man sie eigentlich alle.
Man mahnt: bringt guten Er-
satz. Für die Gedenkblätter an Ge--
fallene hat der Dürerbund durch sein
Preisausschreiben guten Ersatz ge--
schafft, das ist durch glänzende Ur-
teile anerkannt. Außerdem weiß
jeder, der sie verbreitet, daß er damit
keinem Einzelnen dient, sondern der
Kriegsarbeit des Dürerbundes neue
nicht nachdenken will.
Man kann von der Kriegsbilder-
Ausstellung sagen: sie ist lehrreich
oder sie ist packend. Man kann
sagen: sie ist vielseitig oder ein»
seitig. Man kann vielleicht sogar
sagen: sie ist schön oder sie ist nicht
schön. Das alles sind Urteile, sind
Versuche zu Kennzeichnungen der
Sache, bei denen das Innere des
Sprechers mitarbeitet. Deshalb
knüpfen sie auch sofort eine Be-
ziehung von Seele zu Seele, sie
regen Zustimmung oder Widerspruch
an, sie erwecken Gefühle, sind leben-
dig. Das alles fällt weg, wenn ich
das leere Wort „interessant" wähle.
Zum „Weibsteufel"! Die Mei--
nungen sind geteilt. Es ist für viele
nicht so leicht, ein zusammenfassen-
des Urteil abzugeben. Dazu müßte
man seinem Geist ein „Achtung!
Stillgeftanden!" zurufen. Dann kann
man möglicherweise sagen: dieses
Stück ist seelisch fein oder nicht fein
beobachtet, oder, es ist dramatisch
geschickt aufgebaut, oder man gibt
nur seine zunächst nicht urteilenden
Gefühle: es ist ergreisend, oder es
ist abscheulich, oder sonstwie. Daran
kann man dann anknüpfen, davon
ausgehen, die verschiedenen Anschau-
ungen können sich so miteinander
messen. Aber das „interessant" drückt
sich um alles herum.
Den letzten französischen Tages-
bericht kann man klar oder unklar,
gewunden, großsprecherisch oder sonst
etwas finden — „interessant" aber
nur in irgendeiner Richtung, die
man sofort angeben müßte, wenn
das Wort einen Sinn haben sollte.
„Interessant, insoferne er dies oder
das verschweigt", „insofern er dieses
zugibt", „insofern er hiermit irre-
zuführen sucht". Das „interessant"
ohne nähere Bestimmung ist auch
beim Heeresbericht völlig sinn—los.
Nur in einer Bedeutung wird
man's vorläufig vielleicht nicht mis--
sen mögen — „interessant" als An-
deutung von Stacheldraht ums eigne
Denken. Aber auch Mit Stacheldraht
läßt sich blüffen: es braucht nichts
da zu sein, wo er scheinbar schützen
will. AlbrechL
GedenkbläLter-KiLsch
er Bilderkitsch unsrer Zeit, von
dem Avenarius im vorigen Heste
schrieb, ist mit am häufigsten unter
den „Gedenkblättern" anzutrefsen.
Woche für Woche gehen uns eine
Anzahl „Gegenbeispiele" zu. Hier
ein Blatt — wir nennen die Firma
nicht, um sie nicht unter andern
herabzusetzen, denn das würde sie
gar nicht verdienen. Aller dieser
Kitsch ist ungefähr gleich an Un-
wert, kennt man ein Stück davon,
so kennt man sie eigentlich alle.
Man mahnt: bringt guten Er-
satz. Für die Gedenkblätter an Ge--
fallene hat der Dürerbund durch sein
Preisausschreiben guten Ersatz ge--
schafft, das ist durch glänzende Ur-
teile anerkannt. Außerdem weiß
jeder, der sie verbreitet, daß er damit
keinem Einzelnen dient, sondern der
Kriegsarbeit des Dürerbundes neue