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Deutscher Wille: des Kunstwarts — 29,4.1916

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Heft 22 (2. Augustheft 1916)
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Vom Heute fürs Morgen
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https://doi.org/10.11588/diglit.14294#0195

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aber bleibt auf die Dauer leer, mag
es auf den ersten Augenblick auch
noch so sehr prunken. Ebenso bei
den Postkarten: die Masse kanft
gute ebensowohl wie schlechte, wenn
sie ihr stofflich nur entgegenkommen.

Der ärgste „Fall" des Wohltätig-
keits-Kitsches aber ist es, wenn ge-
radezu anstößige Bilder und Post-
karten vertrieben werden. Das gäbe
es nicht? Wir bilden eine Postkarte

ab, die von einem Wohlfahrtsverein
für Kinder — Ehrenvorsitzende eine
Exzellenz — verbreitet wird. Wir
nennen den Verein nicht, da wir
Fahrlässigkeit annehmen. Ieder nicht
völlig hinterwäldlerische Mensch gibt
heute die Schädlichkeit des Alkohols
zum mindesten für Kinder zu. Das
Zigarettenrauchen der Kinder ist auch
dem widerwärtig, der nichts von der
nervenschwächenden Eigenschaft der
Zigarette weiß. Die Generalkom--
mandos schränken selbst das Rauchen
der Iugendlichen ein. Rnd da ver-
breitet ein Kinder-Wohlfahrtsverein

das Bild eines Fünfjährigen, der
mit Zigarette und Monokel beim
Glase Münchener sitzt. Selbstver--
ständlich ist das nicht „eigentlich" ge-
meint, das Kind soll einen Erwach-
senen sozusagen spielen, und das
soll humoristisch wirken. Aber das
macht die Sache nicht besser, son-
dern schlimmer; denn es beweist, daß
man, selbst ohne Ahnung davon,
was Humor ist, auch noch den Sinn
für Humor verdirbt. Will der Ver-
ein vielleicht als Gegenstück das Bild
eines fünfjährigen Mädchens ver-
breiten, das, als Ehansonette aus-
staffiert, beim Sekt sitzt? Des „Hu-
mors" wegen?

Das Beispiel ist eins von vielen.
Wenn gewisse Grenzen überschritten
werden, so wird trotz allen guten
Zwecken der Schaden größer, als der
Nutzen. Am Geld für den einen
nützlichen Bau zu suchen, untergräbt
man so und so viele mit schweren
Mühen errichtete andere, die nicht
minder wichtig sind. ^

Fachinger

er Arzt hatte mich beklopft, be-
horcht, beäugt, und endlich sagte
er, die Niere sei es. A.nd er rate
mir zu einem Sprudel. Fachinger
zum Beispiel. Also kaufte ich mir
Fachinger im Geschäft, in der Woche
so viel Flaschen, im Monat so viel
und so viel im Iahre. Mal neun-
zig Pfennig die Flasche, macht im
Iahre so und so viel für die Niere.

In den Sommerferien verschlug
es mich ins Lahntal. Ich möchte
Fachinger haben, sagte ich meiner
Wirtin. „Da leihe ich Ihnen ein
paar leere Flaschen. Der Sprudel
ist hier in der Nähe. Da können
Sie sich's selber füllen lassen.«

Ließ ich also. Das Fräulein ver-
langte vier Pfennige die Flasche.
„Vier Pfennige für alles? Aber,
Kinder, da geht ihr ja bankrott?"
„Stuß", antwortete sie, „der nächste,
bitte/'
 
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