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Deutscher Wille: des Kunstwarts — 29,4.1916

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Heft 23 (1. Septemberheft 1916)
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Lambach, Walther: Das Sprachenlernen als politische Aufgabe
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https://doi.org/10.11588/diglit.14294#0241

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standen andere: zum Teil infolge ihrer Zahl bedeutend, wie die der
Kellner, zum Teil infolge ihrer Stellung, wie die der Diplomaten.

Man hat unserer Diplomatie manchen Vorwnrf gemacht; den Vorwurf,
daß sie auf sprachkundlichem Gebiet ihren Gegnern nicht gewachfen ge-
wesen sei, wird man sehr einschränken müssen. Schreibt doch zum Beispiel
der Engländer Sir Edwin Pears in seinem Buche „Vierzig Iahre in
Konstantinopel": „Unsere englische Gesandtschaft mußte kämpfen gegen
den deutschen Gesandten von Wangenheim und dessen ausgezeichnet ge-
rüsteten Stab. Unser Gesandter Mallet hatte, soweit mir bekannt ist, keine
blasse Ahnung von türkischen Verhältnissen. Er verstand kein Wort Tür-
kisch. Er hatte drei Schriftsührer, die auch kein Wort Türkisch verstanden.
Die Lage unserer Gesandtschaft kurz vor dem Kriege war einfach jämmer-
lich.«

Der Zahl nach bildeten wohl die Handlungsgehilsen die bedeutendste
Gruppe der deutschen Benutzer fremder Sprachen. Nach den vorsichtigen
Schätzungen Albert Zimmermanns weilten ihrer vor dem Kriege 60- bis
70 000 im europäischen und überseeischen Auslande. Wie groß aber das
Heer derer ist, die von Deutschland aus in schriftlichem Verkehr mit Aus-
ländern fremde Sprachen verwenden, ist nicht festzustellen. Schon wenn
nur jeder fünfzehnte Handlungsgehilfe fremdsprachliche Kenntnisse zu haben
brauchte, würden es ihrer s00 000 sein.

Der amerikanische Iournalist Arthur G. Albrecht schrieb letzten Winter
in der New Porker Staatszeitung von ihnen: „Ich frug jüngst einen an-
gesehenen Kaufmann, wie es komme, daß Deutschland trotz aller Hinder-
nisse, die man ihm, wie sich jetzt offenbart, bereitet, auf kommerziellem
Gebiete so groß geworden. »Das will ich Ihnen erklären«, antwortete er
mir, der Mann war nebenbei bemerkt Amerikaner, »das hat der deutsche
Handlungsgehilfe zuwege gebracht. Der lernt Sprachen. Sie haben es
ja erlebt, daß bei der Mobilmachung, als es sich um die Anwerbung von
Dolmetschern handelte, Leute, die nicht mindestens vier Sprachen sprechen
konnten, überhaupt keine Aussicht hatten, mitznkommen. Wohin Sie
auf der weiten Welt kommen mögen, da sind die Deutschen im Handel
tätig. Gehen Sie nach Shanghai, Pokohama, nach Australien, gehen Sie
nach Paris, wohin Sie wollen, besuchen Sie die Kontöre großer Import-
und Lxporthäuser, dann finden Sie den jungen deutschen Kaufmann, der
Ihnen als Dolmetscher, als Bärenführer mitgegeben wird. Der Kaufmann
ist der Pionier der deutschen Expansion. Nnd das sage ich Ihnen, wenn
unsere amerikanische Handelswelt aus diesem Kriege Nutzen ziehen will,
dann müssen unsere amerikanischen Clerks erst einmal lernen, daß sie mit
ihrem »Nnited States Talk is good enough for me« nicht durch die Welt
kommen. Sie werden ja, da Englisch noch immer die erste Handelssprache
ist, ein ganzes Stück weit kommen, aber eines Tages sehen sie sich einem
Spanier, Portugiesen, einem Holländer gegenüber, und dann versagt ihre
Wissenschaft. Dann tritt der deutsche Handlungsgehilfe mit seiner Sprach-
kenntnis in den Vordergrund, und der Amerikaner tritt bescheiden zurück.^

In den Worten dieses Amerikaners sind die Richtungspunkte für die
Beantwortung der Frage nach den Zielen des Sprachstudiums junger Deut-
scher enthalten. Wer eine „Weltsprache" beherrscht wie die englische, der
kommt damit allerdings ungefähr durch die ganze Welt. Aber ein voll-
wertiger Wettbewerber ist er doch nur im Verkehr mit Völkern, die die
von ihm beherrschte Weltsprache als Muttersprache reden. Im Verkehr
 
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