wenig daran gelegen, daß es diesem oder jenem ein wenig besser gehe inr
Leben. Selbst bin ich ja verwundet, im Wohltun suche ich meine eigne
Heilung. „Sprecht nicht von Wohltun, sprecht mir Mcht von Dank, noch
gar von Lohn! Mir will ich helfen, selber bin ich krank!" Schuld-
bewußtsein ist nichts andres als Bewußtsein des Mensch-seins und Men-
schentums überhaupt: wir sind allzumal Sünder, wir stecken alle im
Elend, weil wir Menschen sind. Und auch der Drang zum Wohltun ist
ein unmittelbares Teil dieses Menschentums: er ist nichts als das Sich-
Emporringen der Seele aus dem dunklen Grund der Schuld, das Ge-
sunden-wollen des innersten Lebens. Deshalb ist mir nichts damit ge-
holfen, daß nun irgendein mir fremder Mensch eine bessere Wohnung
oder etwas mehr zu essen hat als bisher — diese Nöte waren ja nur die
außeren Folgen einer verborgenen gemeinsamen Schuld. Es handelt sich
um Seelisches. Das innere Leiden des andern — gleichviel ob er's selbst
verspürt, es kommt für mich nicht auf sein Bewußtsein des Leidens an! —
war auch meines. Erst wenn mich aus seinem Blick das Leuchten der
sich frei aufrichtenden und wachsenden Seele grüßt, weicht in diesem Gruß
die Schuld von mir, werde ich selbst auch gesund und frei. Darum: Wohl-
tun ist ein schöpferisches Tun. Es sät neues Leben auf ödem Boden. Und
in eben diesem Tun wächst zugleich das eigne Leben. Denn es gehört
zur Natur des Lebens, daß immer eines sich am andern entzündet. Das
bloße Almosengeben und -sammeln hat mit solcher echten, innerlichen Wohl-
tätigkeit gar nichts zu schaffen. Es verdirbt vielmehr die Seelen der
Empfangenden wie der Gebenden. Echte Wohltätigkeit ist die allerpersön-
lichste Angelegenheit des zum tieferen Selbstbewußtsein gereiften Menschen.
Keine Organisation kann sie ihm abnehmen oder erleichtern. tzier heitzt
es: selbst tun.
Darum erscheint es mir als eine verhängnisvolte Verirrung, wenn
man Kinder in den Dienst der „Wohltätigkeits-Organisation" stellt. Wenn
man sie mit Sammelbüchsen von Haus zu Haus schickt, wenn man ihnen
Bilder verkauft, deren „Ertrag für gute Zwecke bestimmt" ist. Und gar,
wenn man ihnen die „gute Tat" mit heimlichen Gedanken an Belohnung
verquickt durch allerlei Prämien für den, der „am meisten" leistet, als ob
es sich um eine Geldleistung und nicht vielmehr um eine unwägbare Leistung
der Seele handelte. Lehret die Iugend opfern für eine gute Sache, aber
mutet ihnen nicht Wohltun zu in Zusammenhängen, die sie gar nicht
verstehn. Erzieht sie zu späterem Wohltun, indem ihr sie lehrt,
in einfachen Verhältnissen von Mensch zu Mensch den Mangel des Näch-
sten zu sehn, darauf zu achten und Rücksicht zu nehmen, weckt und ent-
wickelt das auch im Kinde steckende menschliche Feingefühl! Denn darauf
kommt es an, daß sie selbst, die Kinder, sich zu echtem, vollen Menschentum
entfalten; dann ist ihnen das Wohltun einst selbstverständlich. Aber ihr
denkt nicht an die Menschen, sondern immer nur an eure „gute Sache"!
Ihr macht die Kinder zu Mitteln eurer „guten Zwecke", statt vor allem
die werdende Menschenseele zu achten. Sie sind euch gerade gut genug,
Geld für Aufgaben zusammenzubringen, von denen sie keine wirkliche An-
schauung haben, für Zwecke, die sie bestenfalls ein wenig mit künstlich
t?6
Leben. Selbst bin ich ja verwundet, im Wohltun suche ich meine eigne
Heilung. „Sprecht nicht von Wohltun, sprecht mir Mcht von Dank, noch
gar von Lohn! Mir will ich helfen, selber bin ich krank!" Schuld-
bewußtsein ist nichts andres als Bewußtsein des Mensch-seins und Men-
schentums überhaupt: wir sind allzumal Sünder, wir stecken alle im
Elend, weil wir Menschen sind. Und auch der Drang zum Wohltun ist
ein unmittelbares Teil dieses Menschentums: er ist nichts als das Sich-
Emporringen der Seele aus dem dunklen Grund der Schuld, das Ge-
sunden-wollen des innersten Lebens. Deshalb ist mir nichts damit ge-
holfen, daß nun irgendein mir fremder Mensch eine bessere Wohnung
oder etwas mehr zu essen hat als bisher — diese Nöte waren ja nur die
außeren Folgen einer verborgenen gemeinsamen Schuld. Es handelt sich
um Seelisches. Das innere Leiden des andern — gleichviel ob er's selbst
verspürt, es kommt für mich nicht auf sein Bewußtsein des Leidens an! —
war auch meines. Erst wenn mich aus seinem Blick das Leuchten der
sich frei aufrichtenden und wachsenden Seele grüßt, weicht in diesem Gruß
die Schuld von mir, werde ich selbst auch gesund und frei. Darum: Wohl-
tun ist ein schöpferisches Tun. Es sät neues Leben auf ödem Boden. Und
in eben diesem Tun wächst zugleich das eigne Leben. Denn es gehört
zur Natur des Lebens, daß immer eines sich am andern entzündet. Das
bloße Almosengeben und -sammeln hat mit solcher echten, innerlichen Wohl-
tätigkeit gar nichts zu schaffen. Es verdirbt vielmehr die Seelen der
Empfangenden wie der Gebenden. Echte Wohltätigkeit ist die allerpersön-
lichste Angelegenheit des zum tieferen Selbstbewußtsein gereiften Menschen.
Keine Organisation kann sie ihm abnehmen oder erleichtern. tzier heitzt
es: selbst tun.
Darum erscheint es mir als eine verhängnisvolte Verirrung, wenn
man Kinder in den Dienst der „Wohltätigkeits-Organisation" stellt. Wenn
man sie mit Sammelbüchsen von Haus zu Haus schickt, wenn man ihnen
Bilder verkauft, deren „Ertrag für gute Zwecke bestimmt" ist. Und gar,
wenn man ihnen die „gute Tat" mit heimlichen Gedanken an Belohnung
verquickt durch allerlei Prämien für den, der „am meisten" leistet, als ob
es sich um eine Geldleistung und nicht vielmehr um eine unwägbare Leistung
der Seele handelte. Lehret die Iugend opfern für eine gute Sache, aber
mutet ihnen nicht Wohltun zu in Zusammenhängen, die sie gar nicht
verstehn. Erzieht sie zu späterem Wohltun, indem ihr sie lehrt,
in einfachen Verhältnissen von Mensch zu Mensch den Mangel des Näch-
sten zu sehn, darauf zu achten und Rücksicht zu nehmen, weckt und ent-
wickelt das auch im Kinde steckende menschliche Feingefühl! Denn darauf
kommt es an, daß sie selbst, die Kinder, sich zu echtem, vollen Menschentum
entfalten; dann ist ihnen das Wohltun einst selbstverständlich. Aber ihr
denkt nicht an die Menschen, sondern immer nur an eure „gute Sache"!
Ihr macht die Kinder zu Mitteln eurer „guten Zwecke", statt vor allem
die werdende Menschenseele zu achten. Sie sind euch gerade gut genug,
Geld für Aufgaben zusammenzubringen, von denen sie keine wirkliche An-
schauung haben, für Zwecke, die sie bestenfalls ein wenig mit künstlich
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