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Badener Lazarett-Zeitung (Nr. 1-58[?]) — Baden-Baden, Juli 1916 - Dezember 1918

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Hefte 1-2, Juli 1916
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https://doi.org/10.11588/diglit.2827#0001

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Nach dem Frühstück oersammelte
Besatzung in dcr Zentrale.

,Leute." redete ick sie an. ,Sie wissen. wir haben
noch viel vor. Vorläufig sind wir noch am Anfang
unserer Unternehmung. Gestern und vorgestern haben
wir schöne Erfolge gehabt, eben hatten wir eine
ruhige Nacht. Wir alle gehen ausgeschlafen ünd
voll froher Zuversicht an unser neues Tagewerk
hcran. Wir fahren heute durch den sogenannten
Hexenkessel hindurch. Sie wissen alle. was ich meine.
Jeder weiß auch, dafi das keine Kleinigkeit ist. Der
Feind patzt dort höllisch auf. Gut — wir passcn
noch schärfer auf. Andere sind vor uns durchge-
kommen. also werden wir auch durchkommen. wenn
jeder auf seinem Posten steht und seine Pflicht tut
wie bisher. Das erwarte ich von jedem Mann der
Besatzung. — Auf Tauchstationen!'

Jch begab mich in den Turm. Kurze Zeit da-
rauf meldete der Jngenieur aus der Zentrale:
»Personal ist auf Tauchstationen!'

Also konnte es l/sgehen. Der Tag begann. —
Er wurde der denkwürdigste meines Lebens.-

»Auftauchen!"

Die Pumpe begann zu schnurrcn. Es kam da-
rauf an. das Wasser. welches wir zur Beschwerung
des Bootes in die Ballastlanks genommen hatten.
mit der Pumpe wieder herauszuwerfen. bis das
Boot anstatt Unterlrieb w:eder ein wenig Auftrieb
bekam und ganz von selbst zu steigen begann. Jm
allgemeinen war uns das Manöver immer sehr gut
geglückt. Heute dagegen machte das Boot Sperenz-
chen. es .klebte*. wie wir zu sagen pflegten. Un-
willkürlich mutzte ich an die oft gehörte Laienfrage
denken: .Haben Sie dabei keine Angst, datz Sie
nicht wieder hochkommen?* Angst hatten wir natür-
lich nicht, aber aus reiucr Gewohnheit klopfte der
Finger doch ungeduldig an dic Glasscheibe des Tiefen-
manometers, ob sich der Zeiger denn nicht endlich
'rühren wollte.

.Neunhundert Liter über normal', meldrte Jn-
genieur Krüger von unten herauf.

*) Mit Genehmigung dcr Firma August Scherl G. m.
b. H., Berlin, aus dem in deren Berlage erschieuenen KriegS-
tagebuch .ll 202' deS KapitLnleutuants Frhrn. v. Spiegel.
Preis geheftet I Mk-, gebunden 2 Mk.

Das hieh, datz wir neunhundert Liter mekr aus
dem Boot herausgepumpt hatten, als normalerweise
zum Aufschwimmen nötig gewesen wäre.

»Wir sitzen wohl in der Kreide'. scherzte ich.
»Nach der Karte soll hier allerdings Sandboden
sein '

»Jetzt kommt er losl' rief der Jngenieur.

Jawohl, rr kam — dcr Zeiger des Manomrters
stieg aufwärts — aber er kom schief hoch, er hob
sich hinten und blieb mit der Schnauze im Dreck
stecken.

.So eine Gemeinheit,' hörte ich Gröning, der
die Leitung der Tiefenruder hatte, fluchen, ,nun
schmeißt cr uns den ganzen Trimm um."

Ja. nun mutzten wir nach hinten trimmen,
mutzten das mühsam ausbalancierte Gleichgewicht
des Bootes umwerfen und Wassergewicht von ganz
vorn nach ganz hinten pumpen, um vorn leichter.
hmten schwerer zu werden. Nachdem wenige hundert
Liter Wasser umgetrimmt waren, besann sich das
Boot auf seine Verpflichtungen uns gegenüber und
legte sich wieder horizontal. Jetzt stieg es auch
brao und gleichmäßig, zeigte allerdings Neigung,
nun nach der anderen Seite umzukipp^n, bis wir
durch Zurücktrimmen den alten Glcichgewichtszustand
wieder hergestellt hatten. '

Nachdem sich nun das Boot unter scheinbarem
Widerstreben von seinem Sandbett am Grunde los-
gerissen hatte, konnte es ihm natürlich nicht schnell
gcnug gehen, die Nase an die frische Luft zu stecken.
Mit neunhundert Litern Auftrieb schotz es empor.
Doch ich war anderer Anficht, denn ich hielt es für
ratsam, erst vorsichtig die Sehrohrfühlcr auszustrecken,
um die Luft auf ihre Bazillenfreiheit zu prüfen.
Da ich mich für die Gcsundheit meines Bootes voll
und ganz verantwortlich fühlte und die auf Erfah-
rung begründete Besorgnis hegte, datz ihm die Ba-
zillen in Gestalt von plötzlich daliegenden Zersiörern
oder Trawlern schlecht bekommen könnten, zwang ich
ihm energisch meinen Willen auf. ließ die neun-
hundert Liter also wieder hineinfluten und bändigte
damit das schnelle Steigen.

Gleichzeitig ließ ich die Dynamomaschinen an-
gehen, um Druck und Wirkung auf die Tiefenruder
zu bekommen und befahl, das Boot auf zwanzig
Meter Tiefe einzusteuern.

Dann ging ich schnell auf Sehrohrtiefe hoch und
suchte die Wasseroberfläche nach Schiffen ab. Nichts
war in Sicht, aber — o weh — es herrschte ziem-
licher Seegang.

»Na. das hilfk nichts', sagte ich leiss
hin, suchte nochmals den Horizont sorg
und tauchte dann völlig auf.

Hei, das war ein Genuß, als ich kurz da?
oben auf dem Turm stand, die Hände an die Seiten
preßte und die Lungen voll frische Seeluft sog.
Schlecht war ja die Luft im Boot auch nicht ge-
wesen, im Gegenteil. der Jngenieur hatte sie gerade
heme Nacht ganz erstklassig frisch erhalten — aber
schöner war die frische Seeluft doch.

Schon surrte die Ventilationsmaschine und brachte
auch denen, die im Boot bleiben mutzten. die Er-
quickung in alle Räume.

»So, Steuermann, nun kommen Sie nochmak
mit der Karte her. Ja. schön, legen Sie sie nur
hier auf den Turm; wenn sie natz wird, ist es auch
kein Unglück. — Nun noch Zirkel und Bleistift! —
So. danke schön.'

i»Also — paffen Sie auf und rechnen Sie mit,
damit ich mich vicht verrechne — es sind von hier
aus bis zum ersten Minenfeld genau 22 Meilen.
Von dort bis zum zweiten Minenfeld sind es 14
Meilen, macht -zusammen 36. Wir müffen uns
also so einrichten, datz wir kurz vor Niedrigwaffer
(Ebbe) bei dem ersten Minenfeld stehen, denn die
Minen sollen nur von kurz vor bis kurz nach Niedrig-
wasser sichtbar sein. Ebbe ist um 10 Uhr, jetzt ist
es 6 Uhr 30. Wir können also bequem »halbe
Fahrt' laufen und haben Zrit genug, die Batterie
aufzuladen. Stimmt's?'

»Jawohl', sagte der Steuermann und falt^te
hastig die Seekarte zusammen, die er die ganze Zeit
über, welche sie auf dem Turm ausgebreitet gelegen
hatte. ängstlich mit seinem Körper gegen die von
Zeit und Zeit über uns hinweggehenden Spritzer
gedeckt hatte, »wcnn wir nur nicht vorher noch
tauchen müssen!' O

»Das glaube ich nicht', antwortete ich bestimmt.
»Hier im Minengebiet fährt sicher kein andereS Fahr-
zeug herum, hier sind wir, was das anbelangt, am
allersichersten. Die Bewachung fängt erst jens^S an.'

Pünktlich, eine Stunde, bevor das Waffer am
niedrigsten stand, kamen wir in der Gegend an. wo
der Feind, nach Angabe anderer U-Boote, daS Fahr-
waffer durch ein ausgedehnteS, mehrreihiges Minen-
feld gesperrt zu haben glaubte. Jch sage »glaubte',
denn da die Minen, wie schon erwähnt, um die Zeit
der Ebbe herum an der Wasseroberflüche standen,
und wir dann einfach durch die Lücken hindurch-
schlüpften, war die Sperrung dieseS wichtigen Fahr-
 
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