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Badener Lazarett-Zeitung (Nr. 1-58[?]) — Baden-Baden, Juli 1916 - Dezember 1918

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Hefte 25-26, Juli 1917
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https://doi.org/10.11588/diglit.2827#0151

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Aas Korl im Wen.

Drr Lormarsch kam zum Stehen. Tiümmrr
und Ruinen. Man richtete sich ei». Man sinkt in
die Erde zurück. Langsam wird ma» heimisch. Wir
fehen' u«r die Gegend an. AlleS wird untersncht.
Lenutzt. bewohnt. ES ist nicht daSselbe. ob man
mit dem StellungSkrirg zwischen Lem Häuser- und
Eisenbahngewirr. zwischen den Gruben uud Schächten
von ArraS halt macht oder in drr endlosen russi-
schen Steppe. Wir sahen unS die Srgeud an und
begrützten mit Freude die — FortS in unseren
Linirn.

* /

Die Ringstratze um die Festung. Davor in Ab-
ständen, im Gelände untergetaucht, längliche Mul-
den. Mondförmig gebogene Wälle und davor ein
breitrr Graben. Die Bäume, die darin stehen.
waren gekappt, rückfichtslos der Notwendigkeit, freieS
Schuhfeld zu haben. zum Opfer gefallen. Nnd in
den Wällen die einzelnen Panzertürme. Aber wie
sieht alles jetzt aus! Granattrichter vermisscn wir.
Ss ist alles gesprengt und zerstört. Es waren ein-
mal Forts. Es sind nur noch malerische Trümmer-
haufen. Der ganze UmkreiS ist mit den Beton-
blöcken besät, die geborsten und hoch in die Luft
gewirbelt sein müssen. Manneshohe Stücke dabei.
Weih leuchten sie in dem satten Dunkel des üppigen
Grases. Giftgrüne Eldechsen verschwinden blitzschnell
unter dem Geröll. Wir leben im Zeitalter deS
Betons und^es Dynamits. ... Die Russen, oder
wer es war.Hhaben gute Arbeit grtan. Da ist nichts
mehr zu machen. Die Geschützrohre sind weg. Die
Eisenplatten und Schienen der Türme zerbogen.
zerschlagen, zermalmt. wie Papier. Jmmer in der
Mitte sta^ das Geschütz, rechts und links davon
MunitionMrnd Untertretraum. Da muß fich gut
schießen lUsea. Prüfend bestaunt man die Dicke
der Wände. Von kleineren Kalibern brauchen die
Leute keine Notiz zu nehpirn. Und die Panzrr-
kuppel. Man freut sich. Sie liegt 30 Mrter ab-
seits, wie ein Käfer auf dem Rücken. . . .

Alles fließt. Wir finden den Krieg alS drn
treffendsten BeweiS für daS Wort drS Philosophen.
Alles Sndert den Brsitzer. Die Dinge treten die
abenteuerlichsten Wanderungen an. Die lebhafteste

Phantasie kann fie stch nicht abwechflungSreicher
vorsteüen. Die ersten französischen Stahlhetme der
.Poilus' kleideten und schützten auch unS ganz gut.
Ein Maschinengewrhr wird, kaum genommen> um-
gedreht und verrichtrt seinen Dienst mit .veränder-
ter* Front weiter. Wer von unS hatte nicht ei»en
kleinrn schmuckrn rumänischen Karabiuer .gesatzt' ?
Jch sah vor» bei den Stelluugen ein Klavier. —
,Ja, da» stammt auS dem Quartier. Die Be-
wohner sagen, da hat eS ein russischer Offizier hin-
gebracht. Und dann nicht mehr mitnehmen können."
Nebenbei ist es eine deutsche Firma. Jetzt spielen
wir die .Wacht am Rhein* drauf. (Die .Memoiren
eines KlavierS" sind noch ungeschrieben.) — Der
Sieger nimmt dew Besiegten die Waffen. Das
war schon in der Steinzeit so.

Viel kann man ja mit drn Forts sonst nicht
mehr anfangen. Jm Fort im Westen hatten wir
eine herrliche Beobachtung. Kasematten, Bomben-
keller, elektrisches Licht. DaS ist hier leider nicht. . .

Der Klappenschrank surrt. Die Drähte summen.
Ein nettes Bretterhäuschrn. Fnsches Gemüse. Eine
Laube. Betten. Matratzen. Eine Wrttersahne und
Drähte, Drähte, Drähte. . .. Wo daS Dynamit nicht
ganz radikale Arbeit gemacht hat, ift es feucht.
Käser und Mäuse wohnen jetzt da. An die Wand
hat einer gemalt: »FriedenSjahr 1917'. Und da-
runter: »Nicht durchhalten — siegen gibt den
Frieden', . . .

, *

Aber ich glaube, wir sind hier nur geduldet.
Die eigeatlichen Herren des Forts sind die Störche.
Vorn m der Mulde stehen sie gravitätisch, in sto-
ifcher Ruhe. Sie fühlen sich al» die Herren der Situ-
ation. Darauf kommt es schlietzlich auch an. Das
kleinere Getier spricht hier nicht weiter mit. Sie
nrhmrn gar keine Notiz von uns. Wenn sie sich
lange grnug unterhalten und oielleicht über uns
lustig gemacht habrn. fliegen str langsam davon.
Nach dem steilen Serethufrr zu, daS hell, pastell-
farben in der Ferne herüberwinkt.

VI. Anisausschreiöen.

„Mie wünsche ich «ir die -Laz«rett-Zeit»»t k"

In unserem Vl. Pteisaurschreiben haben wir unsttr
Lese, aufgrsarbert» unS z« sagen, wa» ihuen in der Lazarrtt»
Zeitn», gefilllt, wa» str ver«tssin nud was str stch anVetS
wünschen. Dai Preikautschreiben hat nn» eiue grohe Zahl
von Aeußerungen «ingebracht. Len Hauptprei» haben »i,
zwischen Landsturmmaun Robert Walter. Reserdrlazarett
VIII Taunurblick, Königftein i. Taunu», Mutketirr Arnold
ktarck, Lazarett Hauöbade», Badrnweile, i« kchwarz-
wal», «ud ILge, M. Hiemann, Weilburg a d. Lahn,
Lazarett Nassauer Hos. geteilt. Lie -brigru Linseuder er°
hieltcn je ria schbneS Bvch.

Es ist unftre Abficht gewefen, «it unserru Lesern näher
in Föhluu« ,u kommen Diese Abficht ist dollkomme» «r-
reicht, und die BeitrLge, die wir bekommen habea, werden
es uns ermöglichr», die Lazarett-ZeituNg noch mehr alr
bilher ihrem Zweck entsprechead aurzugeftalten.

In vielen Dingen sttmmen die Anfichte», di« geLußert
worden fivd, «it un» überein, und wir köanteu onS dieser
Uebereiustimmung entuehmea. Latz wir aus dem rechtea
Wege waren Vor allem wird eiue immer wiedrrkehrende
Belehrung iu den Fragen der RechtSberatuug, der Iu-
validenverficheruvg, der Krankeukaflen. des EiedlungSweseus
u. dgl. gewünscht, so wie wir auch biSher auS diesem Be»
biete vou Zeit zu Zeit «llgemeinverstSudliche Artikel von
sachmSnnischer Eeite gebracht habrn. Ebenso hat unsere
Lazarettberatung. durch tie wir ja «umittelbar mit
dem Einzelnen in FSHluug treten, «nd ihm nach Möglich-
keit in seinen Eorgen beistehen, allgemeiue Zastimmung ge-
funden. Wir haben auf dem Wege der 'L-zarettberaruug
biSher in 2930 FSllen AuSkunst nnd Rat gegebeü.

WaS dm unterhaltenden Teil drr Lazarett-Zei»
tung betrifft, so gehen dartn die Meinangen auScinander.
Die einen sreuen fich. daß wir in erster Linie kurze Er-
zLhlungen «nserer Dichter bringea, die schön an fich, und
geeignet find, die Gedanlen von der Segenwart wegzulenken,
die auderen WÜnschen, daß wir mehr aiS biSher die Kamr-
raden ihre KriegSerlebnisse sclbst erzShleu laffen. Wir
können die beidin Etaudpunkte alS richiig anerkennen. Vo»
der einen Eeite wird ausgesührt: .Ein Krieger, der ,u»
dem Felde verwundet oder krauk heimkommt, sehnt fich vor
allen Dingen nach Ruhe ünd Frieden, möchte defrieit sein
von Blut und Tod, möchte fich aussöhne» mit allen «nd
vor allen Diagen mit fich selbst, benn f-st alle find fie
dort draußen unrinig mit fich selbst geworden.' Die anderc
Eeite wird eiuwenden, daß nun einmal der Krieg die Wirk-
lichkeit ist, in der wir drinnen stehen nnd der wir aicht
entfliehen können. Vielleicht find aber auch die beidr»
Etandpunkte nicht fo unvereinbar, »ie eS auf den erstm
Blick scheinm möchte. Wenn wir schöne SrzShlungen vo»
Hebel, Goethe, oder Gottfried Keller zum Sbdruck bringe»,
vermitteln wir allm etwaS von Deutschlaud und vom dent-
schm Geist, um dm der Kamps i» diese« Krie,e geht. »nd
weun wir in manchem PretSauSschreibm schon dic Kame-
raden aufgefordert haben, vou ihren Erlebniffm zu be-
richte». so ging e» u« solche Erlebuiffe, die »icht nur ei»
SußereS Geschehm bedeutrtm, sondem in Krieg «nd KriegS-
erfahrungen ein innerltchti Erlkbm bringm, daS allm
 
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