Die Form: Zeitschrift für gestaltende Arbeit — 3.1928
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https://doi.org/10.11588/diglit.13709#0064
DOI Artikel:
Lachmann, Carl: Moderne Postbaukunst
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Postneubau Stuttgart.
Architekt Gutschow sandte uns
diese sehr interessanten Aufnah-
men mit folgenden Bemerkungen.
„EintypischerFall. Die Ingenieure
haben gebaut. Sie haben konstru-
iert. Die Schönheit ihres Bauor-
ganismus ist evident. Ihr sicheres
Können überzeugt schlechthin.
Die Architekten kommen. Und
sie töten die lebendige Gestal-
tung. Einer alten Gewohnheit zu-
liebe verkleistern sie die herrliche
Konstruktion und lassen nach
mittelalterlicher Sitte Fenster-
löcher für spärlichen Lichteinfall.
Sie garnieren, sie schneidern,
sie theatern. Wie soll da nicht
der Ingenieur auf Kosten des
Architekten gepriesen werden?"
Wir sind nicht der Meinung, daß
man die Konstruktion immer be-
wußt herausstellen muß. Auch in
der Natur sind Skelett und Haut
getrennt, aber sie haben einen
inneren organischen Zusammen-
hang. In der heutigen Architektur
fehlt oft der organische Zu-
sammenhang zwischen Ingenieur-
und Architektenarbeit. Das an-
dere Extrem ist ebenso gefährlich:
die formale Herauskehrung des
Technischen und ihre formale
Übersteigerung. Erst wenn beide
im Dienst der künstlerischen
Bauidee stehen, ist die Einheit er-
reicht. Die künstlerische Bauidee
braucht nicht die einer Künstler-
persönlichkeit zu sein, sondern
Erzeugnis einer ganzen einheitlich
gerichteten Baugesinnung, die in
der Zeit verankert ist. Diese
brauchen wir heute notwendiger
als individuelle Schöpfungen.
Architekt Gutschow sandte uns
diese sehr interessanten Aufnah-
men mit folgenden Bemerkungen.
„EintypischerFall. Die Ingenieure
haben gebaut. Sie haben konstru-
iert. Die Schönheit ihres Bauor-
ganismus ist evident. Ihr sicheres
Können überzeugt schlechthin.
Die Architekten kommen. Und
sie töten die lebendige Gestal-
tung. Einer alten Gewohnheit zu-
liebe verkleistern sie die herrliche
Konstruktion und lassen nach
mittelalterlicher Sitte Fenster-
löcher für spärlichen Lichteinfall.
Sie garnieren, sie schneidern,
sie theatern. Wie soll da nicht
der Ingenieur auf Kosten des
Architekten gepriesen werden?"
Wir sind nicht der Meinung, daß
man die Konstruktion immer be-
wußt herausstellen muß. Auch in
der Natur sind Skelett und Haut
getrennt, aber sie haben einen
inneren organischen Zusammen-
hang. In der heutigen Architektur
fehlt oft der organische Zu-
sammenhang zwischen Ingenieur-
und Architektenarbeit. Das an-
dere Extrem ist ebenso gefährlich:
die formale Herauskehrung des
Technischen und ihre formale
Übersteigerung. Erst wenn beide
im Dienst der künstlerischen
Bauidee stehen, ist die Einheit er-
reicht. Die künstlerische Bauidee
braucht nicht die einer Künstler-
persönlichkeit zu sein, sondern
Erzeugnis einer ganzen einheitlich
gerichteten Baugesinnung, die in
der Zeit verankert ist. Diese
brauchen wir heute notwendiger
als individuelle Schöpfungen.