Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Die Form: Zeitschrift für gestaltende Arbeit — 3.1928

DOI Artikel:
Lotz, Wilhelm: Möbeleinrichtung und Typenmöbel
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.13709#0173

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
der nur Stuhl ist und nicht zugleich Teil einer
bestimmten Zimmergarnilur und dessen Form nur
aus Zweck und Verarbeitung heraus entstanden ist.
Immer hat ihn der Zeichner gezeichnet. Ähn-
lich ist es mit dem Kleiderschrank, ja schlechthin
mit allen Möbelstücken. Mit Recht hat kürz-
lich jemand gefragt, warum es für Kleider und
Wäsche nicht einen Schrank gibt, wie den Esche-
bachschen für die Küche?

Aber die Ablehnung der Garnitur ist auch
bedingt durch die neue Raumauffassung, die
wiederum Ausdruck eines neuen Lebensgefühls
ist. Das Möbel, künstlerisch entworfen und in den
Raum eingeordnet, — denken wir dabei an beste
Schöpfungen und nicht an ihre vielfachen Ver-
wässerungen in den Händen des Möbelzeichners
— ist ein formal eigenwilliges Produkt, es gibt
dem Raum erst die Note, wie die Form einer
Treppe eines barocken Treppenhauses den Raum
erst entstehen läßt. Es ist organischer Bestand-
teil der raumbildenden Funktionen, es gehört zur
Wand, zur Nische, zu Boden und Decke. Der
Raum, den die Stuttgarter Siedlung in ersten
Anfängen, und doch eindrucksvoller als alles
andere, zeigt, ist etwas ganz anderes. Sagen wir,

Foto Grete Leistikow

THONETSTUHL GESTALTET VON FERDINAND KRAMER.
FRANKFURT A. M.

Neu ist die Verbindung der Füße mit dem Sitz. Bisher hielt
der Thonetstuhl am Sitzrahmen fest, in den die Platte ein-
gelegt wird. Hier ist die Sitzplatte sinngemäß auf die Stäbe
aufgeschraubt (bekanntlich wird der Thonetstuhl nicht ge-
leimt, sondern geschraubt). Hier ist aus den gebogenen
Stäben konstruktiv und formal die letzte Konsequenz gezogen

Foto Rehbein

KLAPPSTUHL AUS BUCHENHOLZ

aus den Ausstellungsräumen von Richard L. F. Schulz, Berlin
Aus gebogenen Buchenkantstäben ist eine sehr natürliche
Form entstanden. Sehr angenehm zum Sitzen ist die niedere,
nach hinten geneigte Sitzfläche und die fallende Lehne.
Läßt sich sehr flach zusammenklappen

er ist Raum so wie der Thonetstuhl Stuhl ist. Am
stärksten vielleicht bei Le Corbusier. Man stelle
dort schwere, in den Formen anspruchsvolle
Möbel hin, und der Raum ist tot. Dort muß alles
Möbel so sein, daß es nichts aus dem Raum her-
ausschneidet, daß der Raum hindurchflulet, in
seiner Dynamik nicht aufgehalten wird.

Daraus ergibt sich ganz natürlich, daß man
das Möbel bevorzugt, das im Verhältnis zu seinem
Nutzwert am wenigsten Raum füllt und selbst
möglichst wenig Material aufwendet. Daher die
Vorliebe für die Sperrholzplatte und für Stahlrohr.
In seinem Aussehen muß das neue Möbel, ob
Schrank oder Sitzmöbel, möglichst in sich be-
ruhen und darf nicht in formalen Zutaten oder
in formalen Abbiegungcn Anlehnung suchen an
Boden, Wand oder an andere Möbel. Muß und
darf nicht? — wenn es konsequent gestaltet ist.
Es ist ein Organismus für sich, weil es funktionie-
ren muß. Das zeigt deutlich die fast kristallini-
sche Geschlossenheit der neuesten Möbel. Daher
stehen sie kubisch organisch und nicht dekorativ
kubisch im Raum. Darum ist auch alle Betonung
des Stehens im Sinn der Antike ebenso wie die
barocke Anlehnung der Möbel an die Wandfläche
verschwunden. Die Gestaltung der Füße eines
Sehrankes ist nicht mehr eine formale Angelegen-
heit, sondern nur eine praktische und konstruk-
tive. Wichtig ist der Hohlraum des Schrankes,
seine Abmessung, Einteilung, Zugänglichkeit.

163
 
Annotationen