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Die Form: Zeitschrift für gestaltende Arbeit — 3.1928

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Wagenfeld, Wilhelm: Gestaltung der Metallwaren
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https://doi.org/10.11588/diglit.13709#0310

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Zwar blieb sie dann noch lange in ibrer
ganzen Auswirkung als notwendiges Übel
besteben, jedoch die Unentbehrlichkeit ihrer
mechanischen Kraft ließ sie immer mehr
als organisches, formbeslimmendes Element
erscheinen und maschinenbauliche oder
elektrotechnische Werkleistungen der Ge-
genwart werden wie Eisen- und Betonbauten
mit gutem Recht als „Ingenieur - Kunst"
ge wertet.

Im Gegensatz hierzu entwickelte sich das
Kunstgewerbe. Unseren Lebensbedürfnissen
ist es im Grunde fremd geworden, es führt
eine l'art-pour-l'art-Exislenz, der jede in-
nere Berechtigung fehlt. Seine Marktfähig-
keit verdankt es nur einem fragwürdigen
Kulturniveau, das mit den individualisti-
schen Äußerungen der Restaurations- und
Gründer-Zeit auf das engste verwandt ist.
So ist zu beobachten, wie die Technik
einer Bedarfswirtschaft entsprechen muß,
während das Kunstgewerbe seine Notwen-
digkeit erst behauptet, indem es sich mo-
dischen Strömungen unterwirft. Heute ver-
sucht es darum eine äußerliche Einbe-
ziehung technischer Mittel. Industrielle Er-
zeugnisse dieser Art sind bekannt. Jedoch
gelangen solche Bestrebungen nicht über
den modischen Bluff eines Fassadenwechsels
hinaus, solange die Fundierung die alte
bleibt. Erst wenn die Industrie und das
Handwerk hier mit dem Maß der Verant-
wortung handeln, das für die Technik Vor-
aussetzung ist, kann eine neue organische
Entwicklung des Kunstgewerbes erreicht
werden.

Die Beachtung der technischen und öko-
nomischen Faktoren für die Herstellung der
Metallgeräte bedeutet in keiner Weise die
Uniformierung des Formelements, sie er-
schwert nur seine Gestallung und bewahrt
es damit vor den exaltierten Launen des
„schöpferischen Individuums".

Die zweckmäßige Gestallung eines Geräts
unter Berücksichtigung seiner industriellen
Herstellung ist nicht mit der programma-
tischen Betonung der mechanischen Eigen-
schaften zu identifizieren, sondern als not-
wendige Voraussetzung zu betrachten. Eben-
so ist die Ablehnung des Ornaments durch-
aus nicht einer Ablehnung des Sclmmck-
elements gleichbedeutend. Die historische
Entwicklung der Kunst zeigt, wie das Or-

MÖBELBESCHLÄGE
der Firma Otto Seyffart, Altenburg i. Th.

nament immer sekundärer Faktor blieb.
Mochten religiös-symbolische oder rein
spielerische Motive seine Anwendung be-
stimmt haben, so wurde doch immer seine
dienende organische Bindung gewahrt. Nur
kultureller Verfall ließ eine leere Über-
wucherung aufkommen. Wenn jetzt in
unserer Zeit dem Ornament gegenüber eine
Abneigung besteht, die seine Verwendung
nicht mehr zuläßt, so kommt diese Abnei-
gung nur daher, daß der ornamentale
Schmuck jede organische Bindung entbehrt
und er nur noch eine Nebenexistenz als
hohle Draperie führt.

Vergleiche von allen Metallarbeilen mit
den Bauten und Wohnungen ihrer Zeil
zeigen uns diese Geräte mit ihrer Umwelt
in dem Maß zu einem Ganzen und Gemein-
samen verbunden, daß selbst stilistische
Eigenheiten hier noch keine Beeinträchti-
gung sind. Wenn den Erzeugnissen unserer
Zeit diese selbstverständliche Einordnung
fehlt, so kommt dies zuerst daher, daß die
notwendigen Voraussetzungen einer einheit-

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