Die Form: Zeitschrift für gestaltende Arbeit — 3.1928
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Riezler, Walter: "Zweck" und "Technische Schönheit"
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GESCHLOSSENER WASCHTISCH AUS DEM
MITROPA-SCHLAFWAGEN
noch mehr beim Kraftwagen, und hier wie-
derum vor allem bei dem ausgesprochenen
Luxuswagen, auf dessen Gestaltung die
größte Sorgfalt verwandt ist. Hier trifft
man nicht selten auf eine gewisse „Manie-
riertheit" der Formgebung, die auf dem
Bestreben nach höchster Feinheit und mög-
lichst individueller Gestalt erwächst. Und
man wird dabei immer feststellen können,
daß in diesem Bestreben Forderungen der
rein „funktionellen" Form vernachlässigt
werden, die wohl eine sehr große Verfei-
nerung, aber niemals eine weitergehende
Individualisierung verträgt. Offenbar liegt
die Gefahr da besonders nahe, wo ein 'Werk
in dem sehr löblichen Bestreben, allen For-
derungen des Geschmacks gerecht zu werden
und sich um die Erringung der höchsten
Schönheit ernstlich zu bemühen, die Auf-
gabe der Formung einem Künstler, wohl
meist einem „Innenarchitekten" oder
„Kunstgewerbler" überträgt. Sicherlich
gibt es unter diesen Kräfte, die zur Lösung
einer solchen Aufgabe berufen sind, — aber
erst wenn sie sich von all dem frei gemacht
haben, was sie für ihre übrigen Aufgaben
benötigen, denn die technische Form ist,
worüber zum Schluß noch einiges zu sagen
sein wird, autonom.
Dieser Zwiespalt der Formengebung wird
naturgemäß am stärksten offenbar bei der
Gestaltung des Inneren vor allem der Eisen-
bahnwagen. Hier scheint ja eine Aufgabe
vorzuliegen, die der der Gestaltung von an-
deren Innenräumen sehr verwandt ist und
die daher mit ganz ähnlichen Mitteln zu
lösen ist. Die Abbildungen in unserem
Heft 12 geben sehr bezeichnende Beispiele.
Vor allem die englischen Speisewagen sind
wahre Musterbeispiele einer schlechten,
„kunstgewerblichen" Lösung. Diese Wände
sind profiliert, als wenn es sich um Wohn-
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MITROPA-SCHLAFWAGEN
noch mehr beim Kraftwagen, und hier wie-
derum vor allem bei dem ausgesprochenen
Luxuswagen, auf dessen Gestaltung die
größte Sorgfalt verwandt ist. Hier trifft
man nicht selten auf eine gewisse „Manie-
riertheit" der Formgebung, die auf dem
Bestreben nach höchster Feinheit und mög-
lichst individueller Gestalt erwächst. Und
man wird dabei immer feststellen können,
daß in diesem Bestreben Forderungen der
rein „funktionellen" Form vernachlässigt
werden, die wohl eine sehr große Verfei-
nerung, aber niemals eine weitergehende
Individualisierung verträgt. Offenbar liegt
die Gefahr da besonders nahe, wo ein 'Werk
in dem sehr löblichen Bestreben, allen For-
derungen des Geschmacks gerecht zu werden
und sich um die Erringung der höchsten
Schönheit ernstlich zu bemühen, die Auf-
gabe der Formung einem Künstler, wohl
meist einem „Innenarchitekten" oder
„Kunstgewerbler" überträgt. Sicherlich
gibt es unter diesen Kräfte, die zur Lösung
einer solchen Aufgabe berufen sind, — aber
erst wenn sie sich von all dem frei gemacht
haben, was sie für ihre übrigen Aufgaben
benötigen, denn die technische Form ist,
worüber zum Schluß noch einiges zu sagen
sein wird, autonom.
Dieser Zwiespalt der Formengebung wird
naturgemäß am stärksten offenbar bei der
Gestaltung des Inneren vor allem der Eisen-
bahnwagen. Hier scheint ja eine Aufgabe
vorzuliegen, die der der Gestaltung von an-
deren Innenräumen sehr verwandt ist und
die daher mit ganz ähnlichen Mitteln zu
lösen ist. Die Abbildungen in unserem
Heft 12 geben sehr bezeichnende Beispiele.
Vor allem die englischen Speisewagen sind
wahre Musterbeispiele einer schlechten,
„kunstgewerblichen" Lösung. Diese Wände
sind profiliert, als wenn es sich um Wohn-
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