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Die Form: Zeitschrift für gestaltende Arbeit — 3.1928

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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.13709#0415

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sich auf das Ausstellungsteclmische, auf manche
Wagen und Karosserien und auf einige Einzel-
heiten.

Daß die Hallen am Kaiserdamm für heutige Be-
dürfnisse weder in der Raumgestaltung noch in
der Architektur ausreichen, ist an sich bekannt,
und der improvisierte Anbau, der olme Rücksicht
auf die schwebenden Pläne zur Neugestaltung des
gesamten Berliner Messegeländes in Abwesenheit
des Stadtbaurats schleunigst errichtet wurde, hat
daran nichts Entscheidendes ändern können.
Kaum jemals aber fiel die zwischen einer falschen
Klassik und einem ebenso falschen Barock in un-
angenehmer Mitte schwebende Architektur der
älteren Halle so peinlich auf wie gerade bei dieser
Ausstellung, deren Gegenstand in der Durchbil-
dung guter moderner Formen schon so weit ge-
diehen ist wie wenige andere.

Leider war auch in der Anordnung das meiste
verabsäumt, was mit den vorhandenen Räumen
immerhin noch hätte gemacht werden können. Zu
schweigen von den jahrmarktsmäßig und höchst
plebejisch wirkenden Übergängen von einer Halle
zur andern: es wird auch dem Beschauer noch
immer eine viel zu große rein physische Arbeit
zugemutet. Es fehlt die Möglichkeit, bequem und
trocken von jeder Halle zu jeder andern zu gelan-
gen, es fehlt vor allem fast jedes Hilfsmittel, um
eine rasche Übersicht zu bekommen. Die Firmen-
tafeln, deren gleichmäßige Beschriftung nur zu
loben ist, genügen dafür nicht: der Laie — und an
ihn wendet sich ja die Ausstellung in erster Linie
— wünscht sich in jeder Halle ein großes über-
sichtliches Tableau der gesamten Ausstellung mit
Kennzeichnung seines augenblicklichen Stand-
punktes. Für die Einteilung nach Firmen
sprechen sicher gewichtige Gründe. Ob aber nicht,
mindestens daneben, auch eine Einteilung nach
Wagentypen und Preisen erwünscht wäre, sollte
doch mindestens überlegt werden. Freilich würde
dazu noch erheblich mehr Raum nötig sein, und
der ist heute schon zu knapp. Man braucht ja
nicht gleich an pompöse solide Hallen für die
Ewigkeit zu denken.

Der Vergleich, der doch der Sinn jeder Aus-
stellung ist, wurde dem Besucher allerdings über-
haupt nicht erleichtert. Man vermißte sehr die
deutende Hand einer neutralen Körperschaft, die
an einer weithin erkennbaren, zentralen Stelle ge-
zeigt hätte, wie es überhaupt mit dem Automobil
steht, wie viele und was für Typen es gibt, in
Deutschland, im Auslande, wie in den Jahren seit
dem Krieg die Typen sich entwickelt und wie ihre
Zahl sich verringert hat, wie die Größenordnung
des Bedarfs und der Erzeugung der verschiedenen
Größen und Preislagen heute steht. Diese
Wunschliste für einen wissenschaftlichen Zentral-

punkt der Ausstellung ließe sich noch sehr ver-
längern. Es ist doch immer schade, bei einer sol-
chen Gelegenheit nicht so viel gelernt zu haben,
wie man hätte lernen können.

Um von den Wagen selbst zu sprechen, so läßt
sich im gegebenen Rahmen leider keine Gerechtig-
keit und schon gar keine Vollständigkeit erzielen.
Für den Automobilfachmann sind die Karosserien,
die uns hier am meisten interessieren müssen, in
gewissem Sinne Nebensache. Es war überwiegend
Gutes zu sehen, so z. B. bei Austro-Daimler, eine
strenge Gläser-Limousine auf einem Steyr-Wagen,
eine NSU-Karosserie von den Schlesischen Werken
Liegnitz, einzelne Ausstattungen von Ambi-Budd
und von Reiner (freilich nicht eben die mit dem
Schönheitspreis gekrönte). Viel neue Materialien,
Leder, Kunstleder, Gewebe, oft sehr gut behan-
delt, gute Griffe und Fenster, herrliche Lacke.
Bei all dem aber blieb meist ein Gefühl von Zu-
fälligkeil, da man oft bei den gleichen Firmen
Einwandfreies und Kitsch sah, dekadente Mode-
farben, unmögliche Farbenzusammenstellungen
(z. B. ein Wagen mit dunkelhimbeerrosa Lack,
braunem Leder und grau-lila Polster), kaffeehaus-
mäßige Polstcrbezüge und dergl. Was freilich das
Publikum manchmal verlangt, konnte man an
einem Wagen sehen, den eine große amerikani-
sche Firma (vorsichtig als „Sonderanfertigung")
zeigte: blauer Wagenkörper mit goldenem Dach
mochte noch angehen, geschnörkelter Streifen in
eingelegter Melallarbeit war schon schlimmer,
innen aber enthüllte sich eine veritable Kommode,
helles Holz in schlechter Louis seize-Nachahmung.
Das war der Höhepunkt, obwohl auch sonst man-
ches böse Stück von „Innenarchitektur" mit
Vogelaugenahorn und so zu sehen war.

Was die einzelnen Firmen mit ihren Ständen
angefangen hatten, war trotz (berechtigter) gleich-
macherischer Vorschriften recht verschieden.
Meist nichts Besonderes; erfreulich fielen ins Auge
der von Prof. Schneck entworfene Stand von
Bosch und die beiden Stände der I. G. Farben-
industrie. Recht gut auch der Stand von Ford
in der sonst wenig schönen neuen kleinen Halle.

Gezeigt wurden auch Erzeugnisse der von uns
angegriffenen Masa G. m. b. II. mit ihrer künst-
lichen Maserung. Die Technik des Verfahrens ist
verblüffend, die Möglichkeit der Übertragung von
Mustern auf alle möglichen Materialien nahezu
unbegrenzt. Warum müssen es gerade Holzmase-
rungen sein? Warum die Nachahmung der beson-
deren organischen Schönheilen eines bestimmten
Materials? Sollte unser Bedürfnis nach Phantastik
inmitten der nüchternen technischen Gebrauchs-
dinge nicht ganz anderen Gebrauch von einer sol-
chen Möglichkeit zu machen wünschen?

Alexander Schwab

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