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Die Gartenkunst — 11.1909

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Heicke: Hochschule oder Kunstgewerbeschule?: ein Beitrag zur Frage der künstlerischen Ausbildung des Gartenarchitekten
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16

DIE GARTENKUNST.

XI, 1

haben würden. Wenigstens nicht in der Form wie man sich
damals die Sache gedacht hatte: nämlich in der Erhebung der
Kgl. Gärtnerlehranstalt zu Dahlem zum Range einer Hochschule.
Was der Herr Ministerialdirektor damals sagte — wer
sich dafür interessiert, kann seine Rede im Jahrgang 1903
unserer Zeitschrift Seite 198—201 nachlesen — hatte eine ge-
wisse Berechtigung, insofern nämlich für den praktischen
Gartenbau das Bedürfnis einer Hochschule nicht vorliegt, und
da an der Dahlemer Anstalt die Gartenkunst nur einen Teil,
wenn auch einen bevorzugten, des Gesamtlehrplanes bildet,
so ist es verständlich, daß man nicht einem Teil zu Gefallen
dem Ganzen einen Charakter geben wollte, der für die übrigen
Teile zum mindesten überflüssig, wenn richt gar nachteilig
gewesen wäre. Das hängt eben mit der aus den früheren
Verhältnissen her überkommenen Verquickung von Gartenbau
und Gartenkunst in allen unseren Unterrichtsanstalten zu.
sammen; besteht diese Verquickung doch auch in der Auffas-
sung der weitesten Kreise des Publikums noch immer: Garten-
bau, Kunstgärtnerei, Gartenkunst können nur von wenigen klar
und scharf auseinandergehalten werden; sie werden meistens
miteinander verwechselt, durcheinander geworfen und mißver-
standen. Erst in neuester Zeit, nachdem auch Maler, Bild-
hauer und Architekten sich mit der Schaffung von Gärten zu
befassen begonnen haben, scheint auch wieder hinsichtlich des
Begriffes Gartenkunst in weiteren Kreisen einige Klarheit Platz
zu greifen, was jedenfalls kein Schaden ist
Wenn nun aber der Herr Ministerialdirektor in seiner
oben erwähnten Festrede die Meinung äußerte, diese Hoch-
schulbestrebungen seien lediglich aus den Kreisen der in Be-
amtenstellungen tätigen Gärtner entsprungen und hätten ihren
Grund nicht in der dadurch garantierten besseren Fachbildung
sondern in sogenannten Dignitäts- und Gehaltsfragen, so war
das zum mindesten eine sehr unzutreffende Auffassung.
Wenn er davor warnt, die schöne freie Laufbahn des
Gartenkünstlers in die spanischen Stiefel einzuschnüren, in die
wir vielleicht zum Schaden unserer Entwickelung so viele
staatliche Laufbahnen eingezwängt haben, so war auch damit
nichts gegen die Berechtigung jener Bestrebungen bewiesen,
denn wie er selbst weiter sagte, leben wir ja in einem Beamten-
staate und in einem solchen spielen Rang- und Gehaltsfragen
immer eine große Rolle.
Wir sehen demzufolge auch, wie eine ganze Reihe von
Berufsarten fortgesetzt an der Hebung ihrer Stellung im Rahmen
der Gesamtheit arbeiten. Die Berechtigung zum gleichen Vor-
gehen uns zu bestreiten, heißt absichtlich die Augen dagegen
verschließen, daß weil eben diese Rang- und Gehaltsfragen in
unserem öffentlichen Leben eine bedauerlich große Rolle
spielen, es selbst dem tüchtigsten Gartenfachmann im öffent-
lichen Leben sehr schwer gemacht wird, sich bei beruflicher
Betätigung gegenüber den auf Grund ihrer akademischen Vor-
bildung im Range höher stehenden Beamten der Bau-, Ingenieur-
und Verwaftungsfächer erfolgreich durchzusetzen. Wohlver-
standen nicht so sehr zu seinem eigenen Schaden, als vielmehr
zum Schaden der Sache und des Berufes. Wir alle, die wir
in Verwaltungsstellungen tätig sind, wissen ein Lied davon zu-
singen.
Aber es waren nicht diese etwas äußerlichen Umstände,
welche den Grund für die sogenannten Flochschulbestrebungen
des Vereins deutscher Gartenkünstler abgaben, sondern das
ernste Streben nach Hebung des Berufes und der
fachlichen Tüchtigkeit seiner Mitglieder auf
Gr un d wes en t lieh vervollkommneter allgemeiner
und spezieller Ausbildung.
Nach dem Abschluß der Verlegung der Wildparker Lehr-
anstalt nach Dahlem hat es dann eine Zeitlang an einem be-
sonderen Anlaß gefehlt, jene Bestrebungen wieder aufzugreifen
und als die Umwandlung des Vereins deutscher Gartenkünstler
in die deutsche Gesellschaft für Gartenkunst im Jahre 1905
bewerkstelligt wurde, gab man ihnen angesichts der Verhält-
nisse, ohne ausdrücklich auf das Ziel einer Hochschule zu ver-

zichten, in den Satzungen folgenden Ausdruck: Anstrebung
einer zeitgemäßen Ausgestaltung derLehrpläne höherer Gärtner-
lehranstalten, auch technischer Hochschulen und Kunstakade-
mien, zum Zwecke der Ausbildung tüchtiger Gartenkünstler.
Gelegentlich der Hauptversammlung der D. G. f. G. im
Jahre 1907 in Mannheim wurde die Angelegenheit erneut in
Fluß gebracht durch einen Antrag der Gruppe Hannover, der
zur Folge hatte, daß ein Ausschuß beauftragt wurde, der
nächsten Hauptversammlung geeignete Vorschläge über die
künftige Weiterbehandlung der Frage zu unterbreiten. Der der
Hauptversammlung der D. G. f. G. 1908 in Potsdam vorgelegte
Bericht dieses Ausschusses — er ist Seite 162 — 164 des Jahr-
ganges 1908 der Gartenkunst abgedruckt — gelangte nach
eingehender Erörterung der Verhältnisse zu dem Ergebnis, daß
es wenigstens zunächst, um zu einem brauchbaren Resul-
tate zu gelangen, ratsamer sei, den Anschluß an die modernen
Kunstgewerbeschulen anzustreben, und die Hauptversammlung
stimmte dem zu, indem sie dem Ausschüsse den Auftrag
erteilte, „in dieser Richtung die nötigen Schritte zu tun und an
maßgebender Stelle zu beantragen, an den Kunstgewerbe-
schulen Deutschlands besondere Gartenkunstklassen einzurichten,
damit dadurch Stätten geschaffen würden zu künstlerischer
Ausbildung des Gartenarchitekten, zu engerer Beziehung
zwischen der Gartenkunst und den übrigen Künsten.“ Dieser
Beschluß hat an vielen Stellen Mißfallen und Befremden erregt;
namentlich scheint man in den außerhalb der D. G. f. G. stehen-
den Fachkreisen lebhaften Anstoß daran zu nehmen.
Ich muß gestehen, als in der Potsdamer Hauptversamm-
lung der Wortlaut jenes Ausschufiberichtes vorgetragen wurde,
hatte auch ich den Eindruck einer starken Enttäuschung und
es überkam mich das unbehagliche Gefühl, daß damit ein
Schritt rückwärts getan werde. Allein nach ruhiger Über-
legung und nach eingehendem Studium des Berichtes schwand
dieses Gefühl auch wieder und machte der Überzeugung Platz,
daß der Vorschlag des Ausschusses auf klarer und nüchterner
Beurteilung der Verhältnisse sich gründet und unter Hintan-
setzung aller falschen Sentimentalität und Gefühlsduselei den-
jenigen Weg kennzeichnet, auf dem eine Hebung des hinsicht-
lich der künstlerischen Ausbildung der Gartenarchitekten
anerkanntermaßen bestehenden Notstandes möglich ist. Gewiß,
mir persönlich schwebt nach wie vor als ideales Ziel die
Gleichstellung der Gartenkunst als ebenbürtiges Glied mit den
anderen Künsten — inbesondere mit Baukunst, Malerei und
Bildhauerei — vor, und dazu ist erforderlich, daß der Bildungs-
gang des ausübenden Gartenkünstlers aus den gleichen Voraus-
setzungen heraus sich entwickelt, wie bei den Schwesterkünsten,
mit anderen Worten, daß eine volle akademische Be-
rufsbildung mit all ihren Vorbedingungen ange-
strebtwerden muß, die den Gartenkünstler äußer-
lich und innerlich auf die gleiche Stufe mit den
Vertretern der anderen Künste erhebt.
Wenn nun aber der Schritt, der getan werden muß,
um zu dieser Höhe zu gelangen, zu groß ist, um ihn auf ein-
mal zu machen, so kann es doch nur ein Gebot der Klugheit
sein, zunächst mit einem kleinen Schritt diejenige Zwischen-
stufe zu erreichen, die dem Endziele erheblich näher liegt und
seine endgültige Erreichbarkeit in das Gebiet der Möglichkeit
rückt. Und einen ganz entschiedenen Fortschritt bedeutet es
doch zweifellos, wenn erreicht wird, daß an den modernen
Kunstgewerbeschulen besondere, mit tüchtigen Lehrkräften
ausgestattete Gartenkunstklassen eingerichtet werden. Denn
hierüber ist man sich doch allseitig klar, daß diese Schulen,
deren Entwickelung noch lange nicht abgeschlossen ist, auf
einer erheblich höheren Stufe stehen, als es bei den Fort-
bildungs- und kunstgewerblichen Schulen noch vor etwa
einem Jahrzehnt der Fall war. Sie besitzen größtenteils
eine so vollkommene Einrichtung, an ihr wirken so hervor-
ragend tüchtige Lehrkräfte, ihre Organisation ist eine so viel-
seitige, daß diejenigen Schüler, welche mit ernstem Streben
und dem redlichen Willen zum Vorwärtskommen an ihnen den
 
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