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DIE GARTENKUNST.
XI, 6
Harry Maaß, Stuttgart: Vorgarten i1'» m breit. Crataegus ox. rubro fl. pl. am
Zaun. Staudenrabatten. Gesträuchpflanzung aus Syringa chinensis.
Über die landschaftliche Gartengestaltung
von heute.
Kritische Rück- und Ausblicke.
Von Camillo Karl Schneider, Wien.
Als im vergangenen Jahre die Dendrologische Ge-
sellschaft zur Förderung der Gartenkunst und Gehölz-
kunde in Oesterreich-Ungarn begründet wurde, kam
ich in Beziehung zu einem Gartenkünstler, den ich
wohl mit Recht als einen österreichischen Pückler be-
zeichnen kann. Es ist der Präsident der Gesell-
schaft, Graf Ernst Silva Tarouca. Er besitzt in
Pruhonitz bei Prag einen großen Park, von dessen Exi-
stenz ich bisher ebenso wenig Ahnung hatte wie wohl
sämtliche Leser der „Gartenkunst.“
Es ist nun keineswegs meine Absicht,
diesen Park zu schildern. Hat dies doch
sein Schöpfer soeben in dem ersten Hefte
der Publikation getan, welche die neue
D. G. ihren Mitgliedern als Jahresgabe
bietet. Diese Schrift betitelt sich „Die
Gartenanlagen Österreich-Ungarns in Wort
und Bild“ und ist in der „Gartenkunst“
an anderer Stelle besprochen worden.
Die gartenkünstlerische Tätigkeit von
Graf Silva Tarouca ist in mehr als in einer
Hinsicht geeignet, eine Parallele mit Fürst
Pückler zu ziehen. Beide keine Fachleute
im eigentlichen Wortsinne, haben sie sich,
getrieben von Enthusiasmus für die Park-
gestaltung, selbständig hineingearbeitet in
dieses Gebiet, bei ihrem Tun in erster Linie
den eigenen künstlerischen Intentionen fol-
gend. Beide im Besitze der nötigen Mittel,
um in größtem Stile zu arbeiten und
sich völlig in ihr Werk hineinzuver-
senken. Beide also ideale Gartenkünst-
ler, wenn ich so sagen darf.
Denn wenn man für sich allein
arbeiten kann, keinem Auftraggeber
sich anpassen muß und auch nicht für
die Allgemeinheit zu sorgen hat, wenn
man also von allen diesen Beengungen
frei ist, die dem eigentlichen Fach-
mann die Durchführung seiner künst-
lerischen Ideen sehr erschweren — dann
befindet man sich in idealer Lage und
kann deutlicher als sonst in dem
Werke seine künstlerische Persönlich-
keit zum Ausdruck bringen.
Es ist deshalb einleuchtend, daß
jede solche Schöpfung, für uns alle,
die wir uns mit Gartenkunstbeschäf-
tigen, von höchstem Interesse sein
muß. Auf die Bedeutung von Muskau
und Branitz habe ich erst unlängst
deutlich hingewiesen. Über Pruhonitz
möchte ich heute nur wenige Worte sagen, da ja
der Schöpfer selbst die Entstehung dieser großen Anlage
an der Hand zahlreicher Aufnahmen und eines Planes
sehr anschaulich geschildert hat. Wir lernen dadurch
nicht nur den Park, sondern auch den Gartenkünstler
Graf Silva Tarouca kennen. Welch außerordentlicher
Pflanzenkenner und Liebhaber er ist, beweist vor allem
das riesige Alpinum, welches in der erwähnten Schrift
nur kurz berührt wird. Es beweist ferner die ausge-
dehnte Anwendung prächtiger Stauden im Parke, wie
sie mir aus einer Privatanlage auf dem Kontinent noch
nirgends bekannt ist. Darin unterscheidet sich Graf Silva
Tarouca sehr von Fürst Pückler, daß er in gleich origi-
neller Weise, wie das Baummaterial, auch die Stauden
im Parke verarbeitet und dadurch ganz wundervolle
Harry Maaß, Stuttgart: Vorgarten von 5 m Breite in nördlicher Lage mit
Efeurabatten, Taxuspflanzung und Kübeldekoration.
DIE GARTENKUNST.
XI, 6
Harry Maaß, Stuttgart: Vorgarten i1'» m breit. Crataegus ox. rubro fl. pl. am
Zaun. Staudenrabatten. Gesträuchpflanzung aus Syringa chinensis.
Über die landschaftliche Gartengestaltung
von heute.
Kritische Rück- und Ausblicke.
Von Camillo Karl Schneider, Wien.
Als im vergangenen Jahre die Dendrologische Ge-
sellschaft zur Förderung der Gartenkunst und Gehölz-
kunde in Oesterreich-Ungarn begründet wurde, kam
ich in Beziehung zu einem Gartenkünstler, den ich
wohl mit Recht als einen österreichischen Pückler be-
zeichnen kann. Es ist der Präsident der Gesell-
schaft, Graf Ernst Silva Tarouca. Er besitzt in
Pruhonitz bei Prag einen großen Park, von dessen Exi-
stenz ich bisher ebenso wenig Ahnung hatte wie wohl
sämtliche Leser der „Gartenkunst.“
Es ist nun keineswegs meine Absicht,
diesen Park zu schildern. Hat dies doch
sein Schöpfer soeben in dem ersten Hefte
der Publikation getan, welche die neue
D. G. ihren Mitgliedern als Jahresgabe
bietet. Diese Schrift betitelt sich „Die
Gartenanlagen Österreich-Ungarns in Wort
und Bild“ und ist in der „Gartenkunst“
an anderer Stelle besprochen worden.
Die gartenkünstlerische Tätigkeit von
Graf Silva Tarouca ist in mehr als in einer
Hinsicht geeignet, eine Parallele mit Fürst
Pückler zu ziehen. Beide keine Fachleute
im eigentlichen Wortsinne, haben sie sich,
getrieben von Enthusiasmus für die Park-
gestaltung, selbständig hineingearbeitet in
dieses Gebiet, bei ihrem Tun in erster Linie
den eigenen künstlerischen Intentionen fol-
gend. Beide im Besitze der nötigen Mittel,
um in größtem Stile zu arbeiten und
sich völlig in ihr Werk hineinzuver-
senken. Beide also ideale Gartenkünst-
ler, wenn ich so sagen darf.
Denn wenn man für sich allein
arbeiten kann, keinem Auftraggeber
sich anpassen muß und auch nicht für
die Allgemeinheit zu sorgen hat, wenn
man also von allen diesen Beengungen
frei ist, die dem eigentlichen Fach-
mann die Durchführung seiner künst-
lerischen Ideen sehr erschweren — dann
befindet man sich in idealer Lage und
kann deutlicher als sonst in dem
Werke seine künstlerische Persönlich-
keit zum Ausdruck bringen.
Es ist deshalb einleuchtend, daß
jede solche Schöpfung, für uns alle,
die wir uns mit Gartenkunstbeschäf-
tigen, von höchstem Interesse sein
muß. Auf die Bedeutung von Muskau
und Branitz habe ich erst unlängst
deutlich hingewiesen. Über Pruhonitz
möchte ich heute nur wenige Worte sagen, da ja
der Schöpfer selbst die Entstehung dieser großen Anlage
an der Hand zahlreicher Aufnahmen und eines Planes
sehr anschaulich geschildert hat. Wir lernen dadurch
nicht nur den Park, sondern auch den Gartenkünstler
Graf Silva Tarouca kennen. Welch außerordentlicher
Pflanzenkenner und Liebhaber er ist, beweist vor allem
das riesige Alpinum, welches in der erwähnten Schrift
nur kurz berührt wird. Es beweist ferner die ausge-
dehnte Anwendung prächtiger Stauden im Parke, wie
sie mir aus einer Privatanlage auf dem Kontinent noch
nirgends bekannt ist. Darin unterscheidet sich Graf Silva
Tarouca sehr von Fürst Pückler, daß er in gleich origi-
neller Weise, wie das Baummaterial, auch die Stauden
im Parke verarbeitet und dadurch ganz wundervolle
Harry Maaß, Stuttgart: Vorgarten von 5 m Breite in nördlicher Lage mit
Efeurabatten, Taxuspflanzung und Kübeldekoration.