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DIE GARTENKUNST.
XI, 10
Aus dem Humboldtpark in Chicago: Teil des Rosengartens.
Willy Lange.
Eine Erwiderung von Willy Rosenthal.
„Die schlechtsten Früchte sind es nicht,
An denen Wespen nagen 1“ —
Vielleicht auch nicht die besten. Jedenfalls aber: wer
muß nicht bei der mindestens etwas boshaften Tonart der
Miggeschen Kritik an die berühmten Wespen denken? Auf
die persönlichen Schärfen und unsachlichen Übertreibungen
der Miggeschen Ausführungen näher einzugehen, kann ich
mir daher wohl schenken. —
Willy Lange findet gewiß viel Widerspruch, neben der
warmen Anerkennung auf anderer Seite. Widerspruch gegen
manche unklare Voraussetzungen, kühne Behauptungen, kom-
plizierte Beweisführungen und dogmatisch klingende Folge-
rungen in .seinem Buch. Ich muß selber gestehen: ich habe
Willy Lange als Lehrer viel klarer gefunden, als er in seinem
Buch ist. Daher auch die vielen Mißverständnisse und ab-
fälligen Äußerungen derjenigen, die nur sein Buch kennen und
es obenein wohl nicht ohne vorgefaßte Meinung gelesen haben.
Migge vermißt vor allen Dingen eine „verbindliche, klare
Äußerung der Berufenen“ über Willy Lange. Wohl so
eine Art Gottesurteil, dem sich die nicht „Berufenen“ zu fügen
haben? Für den Kulturfortschritt wäre eine Ansprache freilich
nützlicher als das übliche Schweigen, vor dem schon Garten-
direktor Heicke seiner Zeit warnte, — aber eine sachliche!
Ob Migge diese will??
Ich freue mich der suchenden Unsicherheit unserer Zeit.
Sie ist dem Fortschritt entschieden dienlicher als das philister-
träge Wechseln der Mode und des Dogmas mit dem Hemd,
ganz wie es in Paris oder etwa Mannheim von „berufener“
Seite angekündigt wird. Der Himmel bewahre uns vor einem
neuen Meyerschen, Läugerschen oder auch Langeschen Dogma!
Es ist schwer, bei dem Lesen des Miggeschen Artikels
ruhig zu bleiben: soll man lachen oder gar weinen? Das
Erstere ist jedenfalls gesunder. Traurig wäre es allerdings,
wenn in Kunstfragen die in jenem Artikel beliebte Tonart ein-
reißen sollte. Sie sind Angelegenheiten persönlichsten Schön-
heits- und Harmonieempfindens. Am wenigsten aber darf
man Langeschen Theorien mit dem roh trennenden Metzger-
messer kommen, so sehr auch Langes Bestreben nach förm-
lich anatomischer Verbindung und Formulierung seiner An-
schauungen grobe Naturen, die die innere Seele nicht ahnen,
dazu reizen mag. Dann „haben sie die Teile in der Hand,
fehlt leider, ach, das geistige Band!“ Und gegen die einzelnen
toten Teile läßt sich wohl manches Bedenken und der Zweifel,
ob sie je gelebt und Sinn hätten, äußern. (Siehe z. B. „ästhe-
tisch-feuchter Boden“ etc.). Wer sieht es dem gerupften, zer-
rissenen Lerchenleib auf der Tafel des „Feinschmeckers“ an,
daß er einst jubilierend im Sonnenlicht badete?
Migge reißt mancherlei Fetzen von dem „Leib“ des
Langeschen Buches, ohne die darin ringende, schwingende
Seele des Verfassers zu ahnen und zu achten. Doch halt!
— Ich will nicht ungerecht sein. Bei einem Teil verweilt er
länger. Er hält ihn für das Herz: die „biologische Gartenidee“.
Er entdeckt sogar, trotz seiner überlegen-spöttelnden Zer-
Schneiderei, noch Leben darin, ja bekommt eine Anwandlung
von Duldsamkeit für dieses armselige Restchen Leben: „in
bescheidenen Grenzen“, „für Sonderlinge“ sollte es geschont
werden! Willy Lange wird für diese Großmut seines sonst
so rücksichtslosen Gegners sehr dankbar sein! — Aber ach,
Migge entdeckt schließlich, daß das also hart geprüfte Herz
des Langeschen Buches keinen Lebensmut mehr hat, denn
es sehnt sich nach „innerem künstlerischen Schauen“ und
„Heimatsnaturgefühl“. Das gefällt Migge nicht, und er wirft
es daher auf den Komposthaufen der „unheilbar dekadenten“
Landschaftsgärtnerei. —
DIE GARTENKUNST.
XI, 10
Aus dem Humboldtpark in Chicago: Teil des Rosengartens.
Willy Lange.
Eine Erwiderung von Willy Rosenthal.
„Die schlechtsten Früchte sind es nicht,
An denen Wespen nagen 1“ —
Vielleicht auch nicht die besten. Jedenfalls aber: wer
muß nicht bei der mindestens etwas boshaften Tonart der
Miggeschen Kritik an die berühmten Wespen denken? Auf
die persönlichen Schärfen und unsachlichen Übertreibungen
der Miggeschen Ausführungen näher einzugehen, kann ich
mir daher wohl schenken. —
Willy Lange findet gewiß viel Widerspruch, neben der
warmen Anerkennung auf anderer Seite. Widerspruch gegen
manche unklare Voraussetzungen, kühne Behauptungen, kom-
plizierte Beweisführungen und dogmatisch klingende Folge-
rungen in .seinem Buch. Ich muß selber gestehen: ich habe
Willy Lange als Lehrer viel klarer gefunden, als er in seinem
Buch ist. Daher auch die vielen Mißverständnisse und ab-
fälligen Äußerungen derjenigen, die nur sein Buch kennen und
es obenein wohl nicht ohne vorgefaßte Meinung gelesen haben.
Migge vermißt vor allen Dingen eine „verbindliche, klare
Äußerung der Berufenen“ über Willy Lange. Wohl so
eine Art Gottesurteil, dem sich die nicht „Berufenen“ zu fügen
haben? Für den Kulturfortschritt wäre eine Ansprache freilich
nützlicher als das übliche Schweigen, vor dem schon Garten-
direktor Heicke seiner Zeit warnte, — aber eine sachliche!
Ob Migge diese will??
Ich freue mich der suchenden Unsicherheit unserer Zeit.
Sie ist dem Fortschritt entschieden dienlicher als das philister-
träge Wechseln der Mode und des Dogmas mit dem Hemd,
ganz wie es in Paris oder etwa Mannheim von „berufener“
Seite angekündigt wird. Der Himmel bewahre uns vor einem
neuen Meyerschen, Läugerschen oder auch Langeschen Dogma!
Es ist schwer, bei dem Lesen des Miggeschen Artikels
ruhig zu bleiben: soll man lachen oder gar weinen? Das
Erstere ist jedenfalls gesunder. Traurig wäre es allerdings,
wenn in Kunstfragen die in jenem Artikel beliebte Tonart ein-
reißen sollte. Sie sind Angelegenheiten persönlichsten Schön-
heits- und Harmonieempfindens. Am wenigsten aber darf
man Langeschen Theorien mit dem roh trennenden Metzger-
messer kommen, so sehr auch Langes Bestreben nach förm-
lich anatomischer Verbindung und Formulierung seiner An-
schauungen grobe Naturen, die die innere Seele nicht ahnen,
dazu reizen mag. Dann „haben sie die Teile in der Hand,
fehlt leider, ach, das geistige Band!“ Und gegen die einzelnen
toten Teile läßt sich wohl manches Bedenken und der Zweifel,
ob sie je gelebt und Sinn hätten, äußern. (Siehe z. B. „ästhe-
tisch-feuchter Boden“ etc.). Wer sieht es dem gerupften, zer-
rissenen Lerchenleib auf der Tafel des „Feinschmeckers“ an,
daß er einst jubilierend im Sonnenlicht badete?
Migge reißt mancherlei Fetzen von dem „Leib“ des
Langeschen Buches, ohne die darin ringende, schwingende
Seele des Verfassers zu ahnen und zu achten. Doch halt!
— Ich will nicht ungerecht sein. Bei einem Teil verweilt er
länger. Er hält ihn für das Herz: die „biologische Gartenidee“.
Er entdeckt sogar, trotz seiner überlegen-spöttelnden Zer-
Schneiderei, noch Leben darin, ja bekommt eine Anwandlung
von Duldsamkeit für dieses armselige Restchen Leben: „in
bescheidenen Grenzen“, „für Sonderlinge“ sollte es geschont
werden! Willy Lange wird für diese Großmut seines sonst
so rücksichtslosen Gegners sehr dankbar sein! — Aber ach,
Migge entdeckt schließlich, daß das also hart geprüfte Herz
des Langeschen Buches keinen Lebensmut mehr hat, denn
es sehnt sich nach „innerem künstlerischen Schauen“ und
„Heimatsnaturgefühl“. Das gefällt Migge nicht, und er wirft
es daher auf den Komposthaufen der „unheilbar dekadenten“
Landschaftsgärtnerei. —