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Die Gartenkunst — 11.1909

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Glogau, Arthur: Das Naturtheater im Großen Garten zu Herrenhausen bei Hannover
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https://doi.org/10.11588/diglit.49259#0099

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XI, 6

DIE GARTENKUNST.

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Aus dem Naturtheater im Großen Garten zu Herrenhausen bei Hannover.

Das Naturtheater im Großen Garten zu Herrenhausen bei Hannover.
Von Arthur Glogau, Hannover.

Totenstille im Park. Hier und da flattert ein
fahles Blatt vom Baum zur Erde nieder; kaum ein
Lüftchen regt sich; schon fast entblättert sind die
Bäume. Goldig leuchtet die Sonne durch die Zweige
und zeichnet malerische Lichter auf den Rasenteppich.
Ich durchschreite den alten Park, der einst blendende
Fürstenpracht gesehen. Da zögert der Fuß, weiter zu
schreiten, denn ich betrete einen Raum, der noch stiller
wie die Umgebung, eingeschlossen durch hohe Hecken-
wände, tief beschattet durch uralte Bäume, traumver-
loren sich vor mir auftut. Wie erstarrt stehen auf
hohen Postamenten edle Frauengestalten in graziösen
Stellungen. Es ist ein Ort zum Träumen und in der
einsamen Stille erstehen Bilder in meiner Phantasie,
wie sie einst an diesem Ort geschaut sind.
Der breite amphitheatralische Raum ist belebt von
Herren und Damen. Die Flerren mit langem Gelock,
in mit Perlen und Steinen besetzten Gewändern von
zarter Farbe; in Kniehosen, seidenen Strümpfen und
Schnallenschuhen, den eleganten Stoßdegen an der
Seite; die Damen mit hohen gepuderten Frisuren, in
zart geblümten bauschigen Kleidern, geschminkt, Schön-
heitspflästerchen auf den Wangen. So umschwirrt die
elegante Gesellschaft den Thronsessel des kunstsinnigen
und prachtliebenden Fürsten und seiner Gemahlin.
Dem großen Sonnenkönig Frankreichs ähnlich will der

kleine deutsche Fürst sein. Wie jener große Mäch-
tige des Volkes Kraft und Vermögen benutzte, um
sich, seinen Freundinnen und Günstlingen angenehme
Stunden zu bereiten, die ihm die doch nie ernst ge-
nommenen Regentensorgen verscheuchen sollten, so
machten es viele andere Fürsten Europas nach. Des
Volkes Reichtum diente zur Verschönerung des leichten
Lebenswandels. Schlösser entstanden aus edelstem
Material, über marmornen Säulen wölbten sich gold-
strotzende Decken und Gemälde von blühenden Lebens-
szenen, dargestellt durch unbekleidete Gestalten, er-
weckten immer wieder die durch Entnervung Ermat-
teten. Bei den Schlössern entstanden jene Parks, in
deren abgeschlossenen Winkeln und Nischen die Orgien
der Hofgesellschaft sich fortsetzten. Es genügte nicht
mehr, in geschlossenen Räumen glänzende Feste zu
feiern; die Größe und Zahl der Säle konnte die Menge
der zum Hof Gehörenden nicht fassen. So entstanden
die Säle im Freien, geschmückt durch die Statuen
graziöser Frauen- und herkulischer Männergestalten.
Den Höhepunkt der Pracht in den Parks bildete das
Theater.
Die breite Fläche zwischen dem Amphitheater, von
welchem der Fürst und sein Hof den Lustbarkeiten
auf der Bühne zuschauten, nahm die Musikanten auf.
Auf der Bühne entwickelte sich das Leben und Treiben
 
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