XI, 1
DIE GARTENKUNST.
1.5
ihm Dank sagen wird, weil der Park in hüchstem Maße
dadurch praktisch nutzbar gemacht wird. Macht sich
in Städten Mangel an Spielflächen bemerkbar, so sollte
dafür Sorge getragen werden, daß wenigstens leer-
stehende Baustellen, sowie jedes entbehrliche Areal
auch durch etwaige Anmietung seitens der Stadt bis
zu seiner endgültigen Verwendung zum Spielen freige-
geben werde und zwar ohne besonders einschränkende
Bedingungen. Es ist nicht zu leugnen, daß derartige
Plätze mit die geeignetsten sind, um der gesunden
Phantasie der Kinder die Zügel schießen zu lassen:
da werden Höhlen gegraben, auf Hügeln Burgen aus
alten Backsteinen erbaut, aus dem reichlichen Unkraut-
material Wälder und Gärten gepflanzt; kurz man
sollte sich solchen vortrefflichen zeitweiligen Ersatz
für mangelnde Spielplätze nicht entgehen lassen. Es
mag bei dieser Gelegenheit daraufhin gewiesen werden,
wie ausserordentlich wichtig es ist, daß bei der Auf-
stellung von städtischen Bebauungsplänen die Lage,
die Form und die Größe des Areals für Anlagen von
tüchtigen gärtnerischen Fachleuten mitgeprüft und er-
wogen werden, damit nicht nach Festlegung der Straßen
und Plätze irgendwelche „Verlegenheitsanlagen“ ent-
stehen, die weder schmücken noch praktischen Nutzen
haben. Wie wichtig dabei eine sachgemäße Placierung
der Spielplatzanlagen ist, geht aus der obigen Dar-
legung deutlich genug hervor. —
Auf die Freigabe der Wald-, Wiesen- und Wasser-
flächen läßt sich das Gesagte fast Punkt für Punkt
anwenden. Die Nutzbarmachung dieser Flächen für
die Bevölkerung zu uneingeschränktem Gebrauch, zur
Erholung und zum Spiel, zur Betätigung des Land-,
Wasser- und Eissports wird am besten gelingen, wenn
unsere drei Hauptbedingungen ausreichend erfüllt wer-
den. Die durch häufiges Spiel verdorbene Waldboden-
decke, die abgetretenen häßlichen Flecken auf der
Wiese oder die Unordnung der Böschungen an Fluß-
und Teichufern — alle diese Folgen der Freigabe
lassen sich bei ausreichender Platzweite, genügender
Abgeschlossenheit wohl ertragen.
Denn erstens: je größer das Areal ist, desto mehr
ist der Bevölkerung damit gedient, und desto weniger
leiden die einzelnen Wald- und Wiesenteile des frei-
gegebenen Landstückes durch Abnutzung. Ebenso
sind die Uferanlagen besonders großer Wasserflächen
etwaigen Zerstörungen durch Kahnfahrt und Eislauf
weniger ausgesetzt, als die Grenzpflanzungen kleiner
Teiche.
Zweitens: ist dafür Sorge zu tragen, daß die frei-
gegebenen Wald- und Wiesenflächen abseits von
Wegen und Ruheplätzen gelegen sind, damit dem
Spaziergänger der mit Recht beanspruchte Genuß an
der unzerstörten Natur, an unangetasteter Waldboden-
decke und unbetretretem Wiesenteppich in seinem Be-
reich in keiner Weise gekürzt werde.
Zum Dritten : Ist die Bevölkerung einer Stadt
s owohlerzogen, daß sie ohne Mahnung und Strafen
selbst bestrebt ist, Wald und Wiese, ihre schönsten
Erholungsorte zu schonen und zu pflegen, so wäre
mit das größte Hindernis, das die Freigabe so oft
verbietet, aus dem Wege geräumt. Das gedankenlose
Abbrechen von Zweigen und Blumen, die nach kurzer
Zeit achtlos weggeworfen werden, das häßliche Aus-
streuen von Papieren und Liegenlassen von Apfelsinen-
schalen, Schokoladehüllen und anderen Resten einer
Mahlzeit — das schonungslose Durchlaufen durch herr-
liche Farnbestände oder zweckloses Zerschlagen zarte-
ster Rankengebilde mit dem Spazierstock — alle diese
ungezogenen Gewohnheiten sind leider so eingewurzelt
und verbreitet, daß wir auf Erfüllung unserer dritten
Bedingung (c) nur selten werden rechnen dürfen. Um
so wichtiger ist es die Bedingungen a und b aufrecht
zu erhalten, um wenigstens die Konstellation 2 unserer
Skala zu erlangen, da wir sonst nur die Wahl zwischen
den Fällen 5, 6 und 8 haben.
Es konnte nicht Aufgabe eines Referats sein,
ausführlicher auf Einzelheiten einzugehen. Die wich-
tigsten maßgebenden Gesichtspunkte glaube ich im
Gesagten dargelegt zu haben.
Zum Schluß will ich der Hoffnung Ausdruck geben,
daß es nicht allzu lange währen möge, bis die Garten-
stadtbewegung unsere Frage glücklicher durch die Tat
beantwortet, als wir es heute vermögen, wo wir uns
hilflos zu befreien suchen von dem lebensgefährlichen
Druck jenes unüberwindichen notwendigen Übels, jener
tyrannischen Macht, die wir „Großstadt“ nennen.
Hochschule oder Kunstgewerbeschule?
Ein Beitrag zur Frage der künstlerischen Ausbildung des
Gartenarchitekten.
Es bedarf keiner besonderen Begründung, daß die Frage
der zweckmäßigsten Ausbildung seiner Angehörigen für jeden
Beruf eine der wichtigsten ist, die zur Erörterung gelangen
können, und seit Gründung der deutschen Gesellschaft für
Gartenkunst, die ja im Jahre 1887 als Verein deutscher Garten-
künstler ins Leben trat, hat sie für uns als sogenannte Hoch-
schulfrage fortgesetzt eine bedeutende Rolle gespielt. In den
früheren Satzungen war ausdrücklich als einer der Zwecke
des damaligen Vereins bezeichnet: Anstrebung einer Hoch-
schule für Gartenkunst.
Es ist im Laufe der Zeit viel dafür und dagegen geredet
worden. Insbesondere sind aus den Kreisen der praktischen
Gärtnerei heraus diese Hochschulanstrebungen als verfehlt
bezeichnet und geradezu bekämpft worden. Dem Einfluß
der Gärtnereibetreibenden und ihrer Presse ist es wohl auch
zum großen Teil zuzuschreiben, daß die Hoffnungen, welche
man in Gartenkünstlerkreisen an die 1903 erfolgte Verlegung
der Wildparken Gärtner-Lehranstalt nach Dahlem und die
damit verbundene Reorganisation dieser Anstalt nicht ohne
eine gewisse Berechtigung geknüpft hat, zu nichte geworden
sind. Es mag eine herbe Enttäuschung gewesen sein für die-
jenigen Herren, welche damals bei der Eröffnungsfeier der
Dahlemer Lehranstalt unsere Gesellschaft vertreten haben, als
ihnen aus der Rede des Ministerialdirektors Dr. Thiel klar wer-
den mußte, daß an den maßgebenden Stellen diese Hoch-
schulbestrebungen nicht das mindeste Verständnis gefunden
hatten und vorerst auf Entgegenkommen nicht zu rechnen
DIE GARTENKUNST.
1.5
ihm Dank sagen wird, weil der Park in hüchstem Maße
dadurch praktisch nutzbar gemacht wird. Macht sich
in Städten Mangel an Spielflächen bemerkbar, so sollte
dafür Sorge getragen werden, daß wenigstens leer-
stehende Baustellen, sowie jedes entbehrliche Areal
auch durch etwaige Anmietung seitens der Stadt bis
zu seiner endgültigen Verwendung zum Spielen freige-
geben werde und zwar ohne besonders einschränkende
Bedingungen. Es ist nicht zu leugnen, daß derartige
Plätze mit die geeignetsten sind, um der gesunden
Phantasie der Kinder die Zügel schießen zu lassen:
da werden Höhlen gegraben, auf Hügeln Burgen aus
alten Backsteinen erbaut, aus dem reichlichen Unkraut-
material Wälder und Gärten gepflanzt; kurz man
sollte sich solchen vortrefflichen zeitweiligen Ersatz
für mangelnde Spielplätze nicht entgehen lassen. Es
mag bei dieser Gelegenheit daraufhin gewiesen werden,
wie ausserordentlich wichtig es ist, daß bei der Auf-
stellung von städtischen Bebauungsplänen die Lage,
die Form und die Größe des Areals für Anlagen von
tüchtigen gärtnerischen Fachleuten mitgeprüft und er-
wogen werden, damit nicht nach Festlegung der Straßen
und Plätze irgendwelche „Verlegenheitsanlagen“ ent-
stehen, die weder schmücken noch praktischen Nutzen
haben. Wie wichtig dabei eine sachgemäße Placierung
der Spielplatzanlagen ist, geht aus der obigen Dar-
legung deutlich genug hervor. —
Auf die Freigabe der Wald-, Wiesen- und Wasser-
flächen läßt sich das Gesagte fast Punkt für Punkt
anwenden. Die Nutzbarmachung dieser Flächen für
die Bevölkerung zu uneingeschränktem Gebrauch, zur
Erholung und zum Spiel, zur Betätigung des Land-,
Wasser- und Eissports wird am besten gelingen, wenn
unsere drei Hauptbedingungen ausreichend erfüllt wer-
den. Die durch häufiges Spiel verdorbene Waldboden-
decke, die abgetretenen häßlichen Flecken auf der
Wiese oder die Unordnung der Böschungen an Fluß-
und Teichufern — alle diese Folgen der Freigabe
lassen sich bei ausreichender Platzweite, genügender
Abgeschlossenheit wohl ertragen.
Denn erstens: je größer das Areal ist, desto mehr
ist der Bevölkerung damit gedient, und desto weniger
leiden die einzelnen Wald- und Wiesenteile des frei-
gegebenen Landstückes durch Abnutzung. Ebenso
sind die Uferanlagen besonders großer Wasserflächen
etwaigen Zerstörungen durch Kahnfahrt und Eislauf
weniger ausgesetzt, als die Grenzpflanzungen kleiner
Teiche.
Zweitens: ist dafür Sorge zu tragen, daß die frei-
gegebenen Wald- und Wiesenflächen abseits von
Wegen und Ruheplätzen gelegen sind, damit dem
Spaziergänger der mit Recht beanspruchte Genuß an
der unzerstörten Natur, an unangetasteter Waldboden-
decke und unbetretretem Wiesenteppich in seinem Be-
reich in keiner Weise gekürzt werde.
Zum Dritten : Ist die Bevölkerung einer Stadt
s owohlerzogen, daß sie ohne Mahnung und Strafen
selbst bestrebt ist, Wald und Wiese, ihre schönsten
Erholungsorte zu schonen und zu pflegen, so wäre
mit das größte Hindernis, das die Freigabe so oft
verbietet, aus dem Wege geräumt. Das gedankenlose
Abbrechen von Zweigen und Blumen, die nach kurzer
Zeit achtlos weggeworfen werden, das häßliche Aus-
streuen von Papieren und Liegenlassen von Apfelsinen-
schalen, Schokoladehüllen und anderen Resten einer
Mahlzeit — das schonungslose Durchlaufen durch herr-
liche Farnbestände oder zweckloses Zerschlagen zarte-
ster Rankengebilde mit dem Spazierstock — alle diese
ungezogenen Gewohnheiten sind leider so eingewurzelt
und verbreitet, daß wir auf Erfüllung unserer dritten
Bedingung (c) nur selten werden rechnen dürfen. Um
so wichtiger ist es die Bedingungen a und b aufrecht
zu erhalten, um wenigstens die Konstellation 2 unserer
Skala zu erlangen, da wir sonst nur die Wahl zwischen
den Fällen 5, 6 und 8 haben.
Es konnte nicht Aufgabe eines Referats sein,
ausführlicher auf Einzelheiten einzugehen. Die wich-
tigsten maßgebenden Gesichtspunkte glaube ich im
Gesagten dargelegt zu haben.
Zum Schluß will ich der Hoffnung Ausdruck geben,
daß es nicht allzu lange währen möge, bis die Garten-
stadtbewegung unsere Frage glücklicher durch die Tat
beantwortet, als wir es heute vermögen, wo wir uns
hilflos zu befreien suchen von dem lebensgefährlichen
Druck jenes unüberwindichen notwendigen Übels, jener
tyrannischen Macht, die wir „Großstadt“ nennen.
Hochschule oder Kunstgewerbeschule?
Ein Beitrag zur Frage der künstlerischen Ausbildung des
Gartenarchitekten.
Es bedarf keiner besonderen Begründung, daß die Frage
der zweckmäßigsten Ausbildung seiner Angehörigen für jeden
Beruf eine der wichtigsten ist, die zur Erörterung gelangen
können, und seit Gründung der deutschen Gesellschaft für
Gartenkunst, die ja im Jahre 1887 als Verein deutscher Garten-
künstler ins Leben trat, hat sie für uns als sogenannte Hoch-
schulfrage fortgesetzt eine bedeutende Rolle gespielt. In den
früheren Satzungen war ausdrücklich als einer der Zwecke
des damaligen Vereins bezeichnet: Anstrebung einer Hoch-
schule für Gartenkunst.
Es ist im Laufe der Zeit viel dafür und dagegen geredet
worden. Insbesondere sind aus den Kreisen der praktischen
Gärtnerei heraus diese Hochschulanstrebungen als verfehlt
bezeichnet und geradezu bekämpft worden. Dem Einfluß
der Gärtnereibetreibenden und ihrer Presse ist es wohl auch
zum großen Teil zuzuschreiben, daß die Hoffnungen, welche
man in Gartenkünstlerkreisen an die 1903 erfolgte Verlegung
der Wildparken Gärtner-Lehranstalt nach Dahlem und die
damit verbundene Reorganisation dieser Anstalt nicht ohne
eine gewisse Berechtigung geknüpft hat, zu nichte geworden
sind. Es mag eine herbe Enttäuschung gewesen sein für die-
jenigen Herren, welche damals bei der Eröffnungsfeier der
Dahlemer Lehranstalt unsere Gesellschaft vertreten haben, als
ihnen aus der Rede des Ministerialdirektors Dr. Thiel klar wer-
den mußte, daß an den maßgebenden Stellen diese Hoch-
schulbestrebungen nicht das mindeste Verständnis gefunden
hatten und vorerst auf Entgegenkommen nicht zu rechnen