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DIE GARTENKUNST.
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werden, die allen n euzeitlichen Ansprüchen genügt
und vielleicht bahnbrechend für die künftige Ent-
wickelung unseres ganzen öffentlichen Garten-
wesens werden kann — oder sollen Gelegenheit und
Mittel, wie sie hier in seltenem Mafie zur Verfügung
stehen, anstatt einen Kulturfortschritt damit ein-
zuleiten, verpufft werden, um vielleicht den
letzten großenStadtpark nach veraltetem Schema
zu schaffen, das von allen Einsichtigen als über-
wundener Standpunkt betrachtet wird?
In der Aussprache, welche über die Angelegenheit in der
Hauptversammlung der D. G. f. G. stattgefunden hat, kamen
alle diese Bedenken zu eingehender Erörterung. Es wurde
auch mit Nachdruck darauf hingewiesen, daß eine Gesellschaft,
die die meisten und angesehensten Gartenfachleute und eine
große Anzahl führender moderner Künstler zu ihren Mitgliedern
zählt und an der Spitze der Satzungen „Förderung der Garten-
kunst im weitesten Sinne“ als ihren Zweck bezeichnet, ver-
pflichtet und berufen ist, in dieser Frage ihre Stimme zji
erheben und Stellung zu nehmen, um auch ihren Teil zu einer
glücklichen Lösung der Angelegenheit beizutragen.
Wie aus der Sackgasse, in die man in der Behandlung
der Stadtparkfrage in Hamburg augenscheinlich hineingeraten
ist, ein geeigneter Ausweg gefunden werden könne, darüber
konnten in der Versammlung bei dem Fehlen zuverlässiger
Mitteilungen über den tatsächlichen Stand der Angelegenheit
keine präzisen Vorschläge gemacht werden; immerhin dürfte
die schon mehrfach angeregte Veranstaltung eines nochmaligen
engeren Wettbewerbes auf Grund eines geklärten Programmes
wohl zum Ziele führen, wenn man nicht der Ansicht ist, daß
der frühere Wettbewerb, wennschon er einen zur Ausführung
geeigneten Entwurf nicht geliefert hat, doch wertvolle Finger-
zeige gebracht hat für die Auswahl desjenigen Künstlers,
dem man, ohne ihn allzusehr in der Bewegungsfreiheit ein-
zuengen, die Bearbeitung des endgültigen Entwurfes anver-
trauen könnte.
Vielleicht trägt der Umstand, daß eine neue, in der ganzen
Angelegenheit noch nach jeder Richtung hin freie Persönlich-
lichkeit an die Spitze des Hamburger Bauwesens tritt, dazu
bei, die Lösung der Frage zu erleichtern.
Willy Lange.
Jedermann kennt ihn jetzt. Aber bis heute suche ich
vergeblich nach einer verbindlichen, klaren Äußerung der Be-
rufenen über ihn. Weder für noch gegen. Und wenn es noch
so gut aussieht, was kann es dem Kulturfortschritt nützen,
wenn die Herren die Stirn in Falten legen, um bedeutsam zu
— schweigen. Bei einem Ding, wie unser neuer Garten, der
nichts nötiger braucht als Klarheit, Bekenntnis. Ach ja, dieses
„Unausgesprochene“ ist ja nichts anderes, als ein Beleg unter
vielen für die allgemeine innere Unsicherheit in Gartendingen.
Was ist’s, wohin geht’s?! Kein Mensch mag die Verantwortung
übernehmen!
Als Willy Lange noch für die „Gartenwelt“ seine nied-
lichen Naturschilderungen schrieb, konnte man sein Wirken
harmlos nennen. Als er das Lehramt in Dahlem übernahm,
wurde er verdächtig. Nun hat er „sein Buch“ herausgegeben.
Vierhundert Seiten „Gartengestaltung der Neuzeit“*),
viertes bis sechstes Tausend auf Hochglanzpapier. An die drei-
hundertundfünfzig oft sehr gleichgültige und unbezeichnende
Abbildungen. Dazu Andeutungen weiterer Fruchtbarkeit: Ist
es verwunderlich, wenn man diesen Mann fürchten lernt oder
doch ihm aus dem Wege geht?! —
’) Langes Mitarbeiter Stahn kann hier außer Betracht
bleiben.
Willy Lange beschert uns sechs oder sieben Gartenstile
(Motive) zum Gebrauch für unsere Zeit: den „bäuerlichen“,
den „geometrischen“, den „architektonischen“, den „biologi-
schen“, den „malerischen“ und den Garten nach „koloristischen
Motiven“. Er schenkt uns neue Baukunst und eine Ästhetik.
Er beweist und verficht überhaupt ungefähr alles und wider-
ruft es wieder. Alte, neue und neueste Gartenautoren werden
überreichlich zitiert, Dichter und Denker gerupft: eine fort-
währende Entschuldigung. Er breitet einen Wust von Theorien
vor uns aus, jongliert mit unbewiesenen Voraussetzungen und
unverdauten Begriffen und schmeißt nach uns mit monströsen
Wortungeheuern. Er redet, redet.ein schier endloser
Strom kommt aus dieser begnadeten Öffnung. Und immer
schön, oh, immer süß. —
Zum. Beispiel. Man muß ihn hören, wie er gleich anfangs
kautschukartig unseren neuen Garten behandelt, den er wirr
mal „geometrisch“, mal „architektonisch“, „geometrisch-architek-
tonisch“ oder — „Architekturgarten“ benennt: Nachdem er
festgestellt hat, daß der architektonische Garten „auf die Dauer
langweilig“ wirkt, entdeckt er ihn gleich darauf als „wertvoll“
und lobt „die Klarheit seiner Anordnung“. Aber leider: „die
einfachsten Gärtner können sie schaffen .... jeder Bauschüler
kann sie auf dem Papier entwerfen“. Zugegeben: „die Aus-
führungen dieser Anlagen werden leichter dem Plan ent-
sprechen. Die Pflege und Unterhaltung machen keine Schwierig-
keiten“. Immerhin: „stellen sie keine Forderung an künst-
lerische Urteilsfähigkeit“. Offenbar: „Sauberkeit, Ordnung sind
hier Schönheit, und jede Unordnung fordert gebieterisch —
Wiederherstellung ; es muß immer gut aufgeräumt sein“. Über-
haupt: „man nannte in den Gärten das Stil, was nur Form war,
äußerlich, willkürlich, dem Wesen des Gartens als der
Stätte der Pflanzenzucht fremd“. Hinwiederum: „Wenn
man das nun alles gelten läßt, so muß doch andererseits ge-
fragt werden, ob denn das Moderne im Garten das Erstrebens-
werte ist . . Und so weiter in infinitum. Solche mit Ober-
flächlichkeiten und Verdrehungen gespickten Suaden finden
wir fast auf jeder Seite. Es wäre eine Sysiphusarbeit, wollte
man sie alle entweihen, ganz abgesehen davon, daß es nicht
nötig ist. Sie richten sich selber. In allen breiteren Garten-
fragen unserer Zeit können wir doch jetzt schon allgemeiner
vernunftgemäßes Denken voraussetzen. Nötig ist wohl nur,
unter der Fülle seiner Lehren, die er uns darreicht, dasjenige
herauszugreifen, was hie und da doch Schaden stiften könnte.
Weil es uns unvorbereitet antrifft und, bestechend ausgemalt,
diesen und jenen verblüfft. Es ist seine „biologische Garten-
gestaltung“.
* #
*
Die ist’s, der der ganze Aufwand eigentlich gilt. Denn
daß Lange den modernen architektonischen Garten sozusagen
auch leben läßt, ist für den Tieferblickenden doch nichts weiter,
als eine von größeren Mächten erzwungene Konzession. Im
Grunde seines Herzens haßt er ihn. Und eben durch die
famose Theorie von der Gleichberechtigung aller möglichen
und unmöglichen Gartenstile, sucht er seine Wichtigkeit für
unsere Kultur herabzudrücken. Um Platz zu machen für
„seine“ biologische Gartenidee, die er am liebsten allbeglückend
alleinherrschend sähe.
Hätte sich der Verfasser auf dieses sein Eigenstes be-
schränkt. Hätte er das nach tüchtiger Kämpfer Weise als
Bestes seiner Arbeit allein und mit Einsatz all seiner Persön-
lichkeit in die Welt geworfen: „Hier nehmt. Ihr müßt es
nehmen, da es Euch gut ist . . so und so 1“ Dann, Irrtum oder
Wahrheit — Ehre diesem Ganzen!! Aber auch hier bei diesem
jetzt einem seiner vielen Teilchen ist Lange alles andere als
ein furchtloser Prophet. Im Gegenteil. Der wehleidige Appell
an die bösen Kunstwartleute im Vorwort ist gerade kein
Kennzeichen von Mut und Sicherheit, und es wird ihm wenig
nützen, wenn er, gewissermaßen als Äquivalent, dann auch
seinerseits unterlassen will „unfreundliche Gesinnung nach-
weisen“-: Tu du mir nichts, dann tu ich dir auch nichts.
DIE GARTENKUNST.
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werden, die allen n euzeitlichen Ansprüchen genügt
und vielleicht bahnbrechend für die künftige Ent-
wickelung unseres ganzen öffentlichen Garten-
wesens werden kann — oder sollen Gelegenheit und
Mittel, wie sie hier in seltenem Mafie zur Verfügung
stehen, anstatt einen Kulturfortschritt damit ein-
zuleiten, verpufft werden, um vielleicht den
letzten großenStadtpark nach veraltetem Schema
zu schaffen, das von allen Einsichtigen als über-
wundener Standpunkt betrachtet wird?
In der Aussprache, welche über die Angelegenheit in der
Hauptversammlung der D. G. f. G. stattgefunden hat, kamen
alle diese Bedenken zu eingehender Erörterung. Es wurde
auch mit Nachdruck darauf hingewiesen, daß eine Gesellschaft,
die die meisten und angesehensten Gartenfachleute und eine
große Anzahl führender moderner Künstler zu ihren Mitgliedern
zählt und an der Spitze der Satzungen „Förderung der Garten-
kunst im weitesten Sinne“ als ihren Zweck bezeichnet, ver-
pflichtet und berufen ist, in dieser Frage ihre Stimme zji
erheben und Stellung zu nehmen, um auch ihren Teil zu einer
glücklichen Lösung der Angelegenheit beizutragen.
Wie aus der Sackgasse, in die man in der Behandlung
der Stadtparkfrage in Hamburg augenscheinlich hineingeraten
ist, ein geeigneter Ausweg gefunden werden könne, darüber
konnten in der Versammlung bei dem Fehlen zuverlässiger
Mitteilungen über den tatsächlichen Stand der Angelegenheit
keine präzisen Vorschläge gemacht werden; immerhin dürfte
die schon mehrfach angeregte Veranstaltung eines nochmaligen
engeren Wettbewerbes auf Grund eines geklärten Programmes
wohl zum Ziele führen, wenn man nicht der Ansicht ist, daß
der frühere Wettbewerb, wennschon er einen zur Ausführung
geeigneten Entwurf nicht geliefert hat, doch wertvolle Finger-
zeige gebracht hat für die Auswahl desjenigen Künstlers,
dem man, ohne ihn allzusehr in der Bewegungsfreiheit ein-
zuengen, die Bearbeitung des endgültigen Entwurfes anver-
trauen könnte.
Vielleicht trägt der Umstand, daß eine neue, in der ganzen
Angelegenheit noch nach jeder Richtung hin freie Persönlich-
lichkeit an die Spitze des Hamburger Bauwesens tritt, dazu
bei, die Lösung der Frage zu erleichtern.
Willy Lange.
Jedermann kennt ihn jetzt. Aber bis heute suche ich
vergeblich nach einer verbindlichen, klaren Äußerung der Be-
rufenen über ihn. Weder für noch gegen. Und wenn es noch
so gut aussieht, was kann es dem Kulturfortschritt nützen,
wenn die Herren die Stirn in Falten legen, um bedeutsam zu
— schweigen. Bei einem Ding, wie unser neuer Garten, der
nichts nötiger braucht als Klarheit, Bekenntnis. Ach ja, dieses
„Unausgesprochene“ ist ja nichts anderes, als ein Beleg unter
vielen für die allgemeine innere Unsicherheit in Gartendingen.
Was ist’s, wohin geht’s?! Kein Mensch mag die Verantwortung
übernehmen!
Als Willy Lange noch für die „Gartenwelt“ seine nied-
lichen Naturschilderungen schrieb, konnte man sein Wirken
harmlos nennen. Als er das Lehramt in Dahlem übernahm,
wurde er verdächtig. Nun hat er „sein Buch“ herausgegeben.
Vierhundert Seiten „Gartengestaltung der Neuzeit“*),
viertes bis sechstes Tausend auf Hochglanzpapier. An die drei-
hundertundfünfzig oft sehr gleichgültige und unbezeichnende
Abbildungen. Dazu Andeutungen weiterer Fruchtbarkeit: Ist
es verwunderlich, wenn man diesen Mann fürchten lernt oder
doch ihm aus dem Wege geht?! —
’) Langes Mitarbeiter Stahn kann hier außer Betracht
bleiben.
Willy Lange beschert uns sechs oder sieben Gartenstile
(Motive) zum Gebrauch für unsere Zeit: den „bäuerlichen“,
den „geometrischen“, den „architektonischen“, den „biologi-
schen“, den „malerischen“ und den Garten nach „koloristischen
Motiven“. Er schenkt uns neue Baukunst und eine Ästhetik.
Er beweist und verficht überhaupt ungefähr alles und wider-
ruft es wieder. Alte, neue und neueste Gartenautoren werden
überreichlich zitiert, Dichter und Denker gerupft: eine fort-
währende Entschuldigung. Er breitet einen Wust von Theorien
vor uns aus, jongliert mit unbewiesenen Voraussetzungen und
unverdauten Begriffen und schmeißt nach uns mit monströsen
Wortungeheuern. Er redet, redet.ein schier endloser
Strom kommt aus dieser begnadeten Öffnung. Und immer
schön, oh, immer süß. —
Zum. Beispiel. Man muß ihn hören, wie er gleich anfangs
kautschukartig unseren neuen Garten behandelt, den er wirr
mal „geometrisch“, mal „architektonisch“, „geometrisch-architek-
tonisch“ oder — „Architekturgarten“ benennt: Nachdem er
festgestellt hat, daß der architektonische Garten „auf die Dauer
langweilig“ wirkt, entdeckt er ihn gleich darauf als „wertvoll“
und lobt „die Klarheit seiner Anordnung“. Aber leider: „die
einfachsten Gärtner können sie schaffen .... jeder Bauschüler
kann sie auf dem Papier entwerfen“. Zugegeben: „die Aus-
führungen dieser Anlagen werden leichter dem Plan ent-
sprechen. Die Pflege und Unterhaltung machen keine Schwierig-
keiten“. Immerhin: „stellen sie keine Forderung an künst-
lerische Urteilsfähigkeit“. Offenbar: „Sauberkeit, Ordnung sind
hier Schönheit, und jede Unordnung fordert gebieterisch —
Wiederherstellung ; es muß immer gut aufgeräumt sein“. Über-
haupt: „man nannte in den Gärten das Stil, was nur Form war,
äußerlich, willkürlich, dem Wesen des Gartens als der
Stätte der Pflanzenzucht fremd“. Hinwiederum: „Wenn
man das nun alles gelten läßt, so muß doch andererseits ge-
fragt werden, ob denn das Moderne im Garten das Erstrebens-
werte ist . . Und so weiter in infinitum. Solche mit Ober-
flächlichkeiten und Verdrehungen gespickten Suaden finden
wir fast auf jeder Seite. Es wäre eine Sysiphusarbeit, wollte
man sie alle entweihen, ganz abgesehen davon, daß es nicht
nötig ist. Sie richten sich selber. In allen breiteren Garten-
fragen unserer Zeit können wir doch jetzt schon allgemeiner
vernunftgemäßes Denken voraussetzen. Nötig ist wohl nur,
unter der Fülle seiner Lehren, die er uns darreicht, dasjenige
herauszugreifen, was hie und da doch Schaden stiften könnte.
Weil es uns unvorbereitet antrifft und, bestechend ausgemalt,
diesen und jenen verblüfft. Es ist seine „biologische Garten-
gestaltung“.
* #
*
Die ist’s, der der ganze Aufwand eigentlich gilt. Denn
daß Lange den modernen architektonischen Garten sozusagen
auch leben läßt, ist für den Tieferblickenden doch nichts weiter,
als eine von größeren Mächten erzwungene Konzession. Im
Grunde seines Herzens haßt er ihn. Und eben durch die
famose Theorie von der Gleichberechtigung aller möglichen
und unmöglichen Gartenstile, sucht er seine Wichtigkeit für
unsere Kultur herabzudrücken. Um Platz zu machen für
„seine“ biologische Gartenidee, die er am liebsten allbeglückend
alleinherrschend sähe.
Hätte sich der Verfasser auf dieses sein Eigenstes be-
schränkt. Hätte er das nach tüchtiger Kämpfer Weise als
Bestes seiner Arbeit allein und mit Einsatz all seiner Persön-
lichkeit in die Welt geworfen: „Hier nehmt. Ihr müßt es
nehmen, da es Euch gut ist . . so und so 1“ Dann, Irrtum oder
Wahrheit — Ehre diesem Ganzen!! Aber auch hier bei diesem
jetzt einem seiner vielen Teilchen ist Lange alles andere als
ein furchtloser Prophet. Im Gegenteil. Der wehleidige Appell
an die bösen Kunstwartleute im Vorwort ist gerade kein
Kennzeichen von Mut und Sicherheit, und es wird ihm wenig
nützen, wenn er, gewissermaßen als Äquivalent, dann auch
seinerseits unterlassen will „unfreundliche Gesinnung nach-
weisen“-: Tu du mir nichts, dann tu ich dir auch nichts.