XI, 7
DIE GARTENKUNST.
113
Landhaus mit Garten in der Gartenstadt Letchworth.
Die Gartenstadtbewegung in Deutschland.
Von Hans Kampffmeyer, Karlsruhe.
Als ich im August 1906 auf der Nürnberger Haupt-
versammlung der D. G. f. G. über die Gartenstadt-
bewegung sprach, konnte ich nur von den Er-
folgen in England berichten und nur von Hoffnungen
sprechen, die wir auf die Gartenstadtbewegung in Deutsch-
land setzten. Unterdes ist die Bewegung zwei und
einhalb Jahre älter geworden und hat schon jetzt die
Erwartungen übertroffen, die selbst die Optimisten
unter ihren Freunden hegten. Ehe ich auf diese Er-
folge näher eingehe, sei es mir gestattet zum Ver-
ständnis für diejenigen, die jener Versammlung nicht
beiwohnten, ganz kurz die Grundgedanken der Garten-
stadtbewegung zu skizzieren:
Die wirtschaftliche Entwickelung der letzten Jahr-
hunderte brachte eine gewaltige Menschenanhäufung
in den Städten. Sie brachte den Sieg der Mietskaserne
über das Einfamilienhaus und die Verdrängung der
Hausgärten aus dem Innern unserer Städte. Das da-
mit zusammenhängende Wachstum der Wohndichtigkeit
hatte eine schwere Schädigung der Volksgesundheit,
der Sittlichkeit und des Wirtschaftslebens zur Folge
und entfremdete die Menschen der Natur, dem Garten.
Die Schuld an diesen Mißständen trägt vor allem
die gegenwärtige Verteuerung des Bodens. Will man
daher für breite Bevölkerungskreise, auch für die
Minderbemittelten, Wohnungen in Kleinhäusern und im
Anschluß daran blühende Gärten schaffen, so kann
man dieses schönste Ziel aller Wohnungsreform nur
dann verwirklichen, wenn man erstens auf billigem
Gelände siedelt, und zweitens Maßnahmen gegen eine
spätere Verteuerung des Bodens ergreift. Um das erste
Ziel zu erreichen, muß man in die Außengebiete der
Städte oder aufs freie Land gehen, und da der Einzelne
das nicht vermag, müssen diejenigen, die an einer
derartigen Wohnungsreform ideell oder materiell inter-
essiert sind, in große Gesellschaften oder Genossen-
schaften sich zusammenschließen. Um das zweite
Ziel zu erreichen, muß das Gelände für die ganze ge-
plante Siedlung von vornherein von der Gesellschaft
oder Genossenschaft erworben werden und muß bei
der Abgabe durch Anwendung des Erbbaurechts eine
künftige Spekulation ausgeschlossen und der entstehende
Wertzuwachs der Gemeinschaft gesichert werden.
Man versteht also unter Gartenstadt
nicht eine beliebige Stadt mit ein paar Gärten
in ihren Mauern, sondern eine planmäßig
gestaltete Siedlung auf wohlfeilem Gelände,
das dauernd im Obereigentum der Gemein-
DIE GARTENKUNST.
113
Landhaus mit Garten in der Gartenstadt Letchworth.
Die Gartenstadtbewegung in Deutschland.
Von Hans Kampffmeyer, Karlsruhe.
Als ich im August 1906 auf der Nürnberger Haupt-
versammlung der D. G. f. G. über die Gartenstadt-
bewegung sprach, konnte ich nur von den Er-
folgen in England berichten und nur von Hoffnungen
sprechen, die wir auf die Gartenstadtbewegung in Deutsch-
land setzten. Unterdes ist die Bewegung zwei und
einhalb Jahre älter geworden und hat schon jetzt die
Erwartungen übertroffen, die selbst die Optimisten
unter ihren Freunden hegten. Ehe ich auf diese Er-
folge näher eingehe, sei es mir gestattet zum Ver-
ständnis für diejenigen, die jener Versammlung nicht
beiwohnten, ganz kurz die Grundgedanken der Garten-
stadtbewegung zu skizzieren:
Die wirtschaftliche Entwickelung der letzten Jahr-
hunderte brachte eine gewaltige Menschenanhäufung
in den Städten. Sie brachte den Sieg der Mietskaserne
über das Einfamilienhaus und die Verdrängung der
Hausgärten aus dem Innern unserer Städte. Das da-
mit zusammenhängende Wachstum der Wohndichtigkeit
hatte eine schwere Schädigung der Volksgesundheit,
der Sittlichkeit und des Wirtschaftslebens zur Folge
und entfremdete die Menschen der Natur, dem Garten.
Die Schuld an diesen Mißständen trägt vor allem
die gegenwärtige Verteuerung des Bodens. Will man
daher für breite Bevölkerungskreise, auch für die
Minderbemittelten, Wohnungen in Kleinhäusern und im
Anschluß daran blühende Gärten schaffen, so kann
man dieses schönste Ziel aller Wohnungsreform nur
dann verwirklichen, wenn man erstens auf billigem
Gelände siedelt, und zweitens Maßnahmen gegen eine
spätere Verteuerung des Bodens ergreift. Um das erste
Ziel zu erreichen, muß man in die Außengebiete der
Städte oder aufs freie Land gehen, und da der Einzelne
das nicht vermag, müssen diejenigen, die an einer
derartigen Wohnungsreform ideell oder materiell inter-
essiert sind, in große Gesellschaften oder Genossen-
schaften sich zusammenschließen. Um das zweite
Ziel zu erreichen, muß das Gelände für die ganze ge-
plante Siedlung von vornherein von der Gesellschaft
oder Genossenschaft erworben werden und muß bei
der Abgabe durch Anwendung des Erbbaurechts eine
künftige Spekulation ausgeschlossen und der entstehende
Wertzuwachs der Gemeinschaft gesichert werden.
Man versteht also unter Gartenstadt
nicht eine beliebige Stadt mit ein paar Gärten
in ihren Mauern, sondern eine planmäßig
gestaltete Siedlung auf wohlfeilem Gelände,
das dauernd im Obereigentum der Gemein-