Overview
Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Die Gartenkunst — 11.1909

DOI Artikel:
Rosenthal, Willy: Willy Lange: eine Erwiderung
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.49259#0183

DWork-Logo
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
XI, 10

DIE GARTENKUNST.

179

Ich kann Migges Untersuchungsmethode und Gedanken-
gang schwer anders begreiflich machen. Wer nicht in das
innerste Wesen „landschaftlicher Gartenauffassung“ einge-
drungen ist, der muß wie Migge urteilen und sie „unheil-
bar dekadent“ nennen. Wo das innere Verständnis für das
große und kleine Pflanzenleben und die innige Freude daran
fehlt, da lasse man blos die Hand davon. Auch mir ist dann
die Schultze-Naumburgsche etwas altväterliche aber echte und
gesunde .Gartenauffasssung hundertmal lieber als die schäbige
ä la mode-Schneiderei der berühmten Landschaftsgärtner.
Falsch ist auch, wenn Migge meint, daß der „ganze Auf-
wand des Langeschen Buches ausschließlich dem biologi-
schen Garten gilt“. Lange tritt mit derselben Liebe und
Gründlichkeit auch für den „Bauern- und Bürgergarten“ ein
und könnte in der Hinsicht Schultze-Naumburg ruhig die Hand
reichen. Nur daß auch hier seine Lehrerneigung zum Syste-
matisieren für manchen zu störend hervortritt. — Migges
„Bekenner“-Ehrgeiz sieht. aber das alles nicht, nur das rote
Tuch „biologischer Garten“ in der Hand des Gegners.
Ich bin also — wohl mit allen die Willy Langes An-
schauungen näher kennen — nicht der Ansicht, daß er seine
(ja s eine ohne Anführungshäckchen, Herr Migge!) biologische
Gartenidee „am liebsten alleinherrschend sehe“. Er hat als
mindestens feinsinniger, tieffühlender Mensch dasselbe Ver-
ständnis für den Bauern- und Bürgergarten. Freilich: die
kahlen Hecken- und Lattengärten verschiedener „moderner“
Architekten lehnt er ab. Ob er sie „haßt“, wie Migge durch-
aus möchte, weiß ich nicht.
Auch ist es nicht einzusehen, warum Lange „sich auf
sein Eigenstes beschränken“ soll. Wer Anregungen geben
kann, auch auf bereits beackertem Gebiet, hat nicht nur das
Recht sondern auch die Pflicht, es zu tun. Und Anregungen
gibt Lange jedenfalls reichlich. Wenn nicht Herrn Migge,

so doch mir und vielen anderen. Und warum soll sich ein
freier Denker nicht z. B. aus den herrlichen Lehren des alten
Buddhismus Bereicherung holen oder die edle Erscheinung
des Nazareners verehren, ohne ihn gleich zu Gottes Sohn zu
machen? — „Ja, es sind aber nicht alle Leser des Langeschen
Buches freie Denker!“ Dafür kann der Verfasser nichts! Die
Leser des Miggeschen Artikels, die Nachläufer eines Behrens etc.
sind es sicherlich ebensowenig „Alle“.
Willy Lange ist jedenfalls selber ein sehr freier und viel-
seitiger Geist. Sein gründliches, langjähriges Denken über
Gartenkunstdinge macht ihn auch so vielseitig und duldsam
in seinem Buch. Migge nennt das Schwäche! —
Zugeben sollte er die geistreiche Art mit der . Lange die
kulturgeschichtlichen Zusammenhänge der Gartenkunst mit
der Weltanschauung beleuchtet, mit der er auf neue Motive
und Schönheitswerte der freien Natur für den Garten hinweist.
Er bringt überhaupt viel Klärung in die landschaftliche Auf-
fassung der Pflanzenanordnung. Was war die grundlegende
Theorie der alten Landschaftsgärtnerei selbst in besseren
Büchern doch für ein verschwommenes, dürftiges Ding, und
dementsprechend: wie verwaschen, gleichgültig und einförmig
sind selbst die meisten besseren Parks und landschaftlichen
Gärten. Hier sind die Langeschen Anregungen unendlich wert-
voll. Wer aber meint, jede Verwendung von Naturmotiven
in der Anordnung der Pflanzen aus „Ehrlichkeit“ lassen zu
müssen (es gibt ja solche künstlerische Biedermänner —
wenn doch das alltägliche Leben reicher daran wäre!)
— der möge sein „Gewissen“ nicht belasten. Er hat aber
noch nicht begriffen, daß die Kunst nicht die Aufgabe hat,
wissenschaftliche Wahrheit zu geben, sondern „nur“, innerlich
geschaute Schönheit zu verkörpern, und er bemühe sich jeden-
falls nicht in seiner Kurzsichtigkeit, die Gartengestaltung gewalt-
sam um eine ihrer Ausdrucksmöglichkeiten ärmer zu machen.


Aus dem Humboldtpark in Chicago: Eingang zum Rosengarten.
 
Annotationen