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Die Gartenkunst — 11.1909

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Schneider, Camillo: Fürst Pückler und unsere Zeit
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https://doi.org/10.11588/diglit.49259#0026

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22

DIE GARTENKUNST.

XI, 2

Es ist sicher, daß Branitz zu den klassischen
Schöpfungen der Gartenkunst gehört, und es wäre
eine Aufgabe der D. G. f. G., daß sie ein Werk über
die klassischen Stätten der Gartengestaltung
herausgäbe, darin diese sorgsam besprochen und im
Bilde wiedergegeben wären. Denn vergänglich sind
solche Werke, und um sie der Nachwelt lebensvoll zu
erhalten, bedarf es mehr als einer flüchtigen Skizze.
Ich werde nächstens an dieser Stelle eine österreichische
Publikation besprechen, die den Versuch macht, die
alten und neuen Gartenanlagen Österreich-Ungarns in
Wort und Bild darzustellen. Vielleicht regt dann der
Plinweis die D. G. f. G., ebenso wie den V. D. G. an,
wenigstens die wichtigsten deut-
schen Gartenanlagen in einer
besonderen Publikation der Nach-
welt zu erhalten. Im Rahmen
einer Zeitschrift, die vielseitig
sein und den Bedürfnissen des
Tages dienen muß, ist so etwas
unmöglich. —
Der Wintertag schon in
Branitz hat mir gezeigt, welch
Kleinod wir in diesem Parke
besitzen. Er ist in seiner Ein-
fachheit und Einheitlichkeit die
Schöpfung einer starken Persön-
lichkeit — die Bezeichnungen
„Genie“ und „genialisch“ pflege
ich, wie die Leser meiner
Bücher wissen werden, auf dem
Gebiete der Gartenkunst grund-
sätzlich zu vermeiden. Was
mich an Pückler immer so
fesselt, ist die Tatsache, daß
man beim Anschauen seiner An-
lagen stets das Gefühl hat: Hier
schuf ein Mann, der wußte, was
er wollte, ein Künstler, der zu gestalten verstand
und eigeneWege ging. Es ist mir dabei ganz neben-
sächlich, ob mir das eine oder andere nicht gefällt
oder selbst sehr mißfällt. Denn weil ich auch meine
eigene Persönlichkeit, mein eigenes Gedanken- und An-

schauungsrecht habe, so muß mir ja vieles bei anderen
wider den Strich gehen, denn zwei selbständige Indi-
vidualitäten decken sich selten in hohem Maße, niemals
aber völlig.
Wenn ich mir ein Urteil über den Wert, den
Kunstwert, d. h. den Originalitätswert einer solchen
Anlage bilden will, kann ich dies nicht dadurch tun,
daß ich die Ideen des Schöpfers an den meinen messe,
sondern daß ich einen Mann wie Pückler mit den
größten seiner Vorgänger vergleiche, daß ich prüfe,
inwieweit er — denn wir alle sind mit der Vergangen-
heit verknüpft! — ihnen gefolgt und wo und wie er
von ihnen abgewichen ist. Wer also einen Künstler
kennen und bewerten lernen
will, muß zunächst seine
Zeit und vor allem die
Zeit kennen, aus der er
heraus wuchs.
Jede künstlerische Tat
gleicht einer Mutation, wie die
Botaniker und Zoologen die
„spontan“, d. h. plötzlich, ohne
daß man den Grund erkennen
kann, entstehenden neuen Arten
im Tier- und Pflanzenreich
nennen. Auch diese zeigen
immer Annäherungen an Vor-
fahren, besitzen aber doch ein
oder einige nur ihnen zukom-
mende Kennzeichen. Also zeigt
auch jedes „originelle“ Kunst-
werk etwas Neues, der Persön-
lichkeit des Schöpfers Ent-
sprungenes. Der Wert solches
Neuen, Originellen kann sehr
verschieden sein, insofern ob es
mehr oder minder nur ein
Bizarrerie, etwas gewaltsam Ab-
sonderliches darstellt, oder ob es einen Markstein
in der Entwickelung der Kunstanschauung des be-
treffenden Gebietes bildet.
Bei den Franzosen zum Beispiel finden wir in der
Gartenkunst viele bizarre Originalitäten, die wohl den


Parkdirektor Bley er *)

*) Parkdirektor Georg Bleyer, in dessen Händen seit
Jahrzehnten die Pflege des Branitzer Schloßparks ruht, ist am
9. Juni 1837 zu Hannover geboren. Seine erste Ausbildung
erhielt er in den Königl. Gärten zu Herrenhausen, teilweise
unter Wendland sen. Später war er tätig in den Gärten der
Kommerzienräte Reichenheim und Borsig und im Botanischen
Garten zu Berlin (1855-1859). In den Jahren 1860—63 leitete
er die Neuanlagen des Großindustriellen Egestorff in Linden und
Hannover, 1864—68 die des Erbprinzen Friedrich von Schleswig-
Holstein in Dölzig. Im Jahre 1868 trat er in die Dienste des
Fürsten Pückler-Muskau und war in dessen letzten Lebensjahren
— der Fürst starb am 4. Februar 1871 — unter seiner Leitung
bei dem Ausbau der Branitzer Parkanlagen tätig, die er unter
dem kunstsinnigen Reichsgrafen Heinrich von Pückler (gest.
1897) und dem Landrat Reichsgrafen August von Pückler,
dem jetzigen Besitzer, nach den Ideen des Fürsten vollenden
und verwalten konnte. Er betont bei jeder Gelegenheit gern,

wieviel Anregung und Förderung er während seiner Tätig-
keit unter dem Fürsten erfahren und welche Freude es ihm
stets bereitet habe, unten dessen Nachfolgern, die pietätvoll
und mit Verständnis den ihnen überkommenen Schatz allezeit
gehütet und weiter entwickelt wissen wollten, an der Aus-
gestaltung und Vollendung des ausgedehnten Parkes zu
arbeiten. Es muß als eine besonders günstige Fügung be-
trachtet werden, daß die Pflege dieser für die Entwickelung
der Gartenkunst so bedeutsame Schöpfung eine lange Reihe
von Jahren einem Manne anvertraut ist, der, selbst mit
hohem künstlerischem Feingefühl ausgestattet, durch seine
Mitarbeit mit dem genialen Schöpfer der Anlage in dessen
Ideen eingeweiht ist und in Liebe und Begeisterung für sein
Lebenswerk geradezu aufgeht. In Anerkennung seiner Ver-
dienste haben ihn die Deutsche Gesellschaft für Gartenkunst
und der Verein Deutscher Gartenkünstler zu ihrem Ehren-
mitgliede ernannt.
 
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