DIE GARTENKUNST.
91
Verpflanzte große Kastanie am Theaterkaffee in der Ausstellung
München 1908.
Die Zusammenstellung verschiedener Farben zu einer
Harmonie gelingt nur der Erfahrung; wenn aber
dauernd die Skala sich ändert, so wird es schwierig,
Akkorde sicher zu greifen. Gute Maler arbeiten kon-
stant mit den einmal erwählten Farben; wieviel mehr
sollten das die ästhetisch nicht so empfindsamen Deko-
rateure, auch die Gärtner, tun, damit nicht jeder
neue Garten ein Experiment werde, vielmehr die zu-
nehmend fein temperierte Ausführung erprobter Re-
zepte. Es sei nicht für eine Monotonie plädiert, wohl
aber für eine Tradition; es sei nur ganz vorsichtig
darauf hingewiesen, daß die Mode, die Kollektion der
Saison, für den Gartenbau nicht weniger gefährlich
werden kann, als sie es für andere Gebiete des for-
malen und farbigen Gestaltens oft genug geworden ist.
Wer sichere Effekte erstrebt, sollte wie der gute Maler
dem Material gegenüber möglichst konservativ sein.
(Wobei ich selbstverständlich den Unterschied zwischen
der Farbe, die aus der Retorte heut wie morgen
gleichmäßig destilliert werden kann, und jener andern,
die das Vegetabil ausscheidet, die die Sonne auskocht,
nicht übersehe. Obgleich die Verwandtschaft enger
ist, als es den Anschein hat.) — Einen besonderen
Hinweis scheinen mir die Stauden zu verdienen. Sie
werden auch heute noch weniger angewandt, als es
im Interesse der Gartenbesitzer wäre. Zu diesen be-
quemen Pflanzen, die oft den ganzen Reichtum der
englischen Cottage-Gärten ausmachen, haben die deut-
schen Fachleute noch kein inniges Verhältnis ge-
funden. Vielleicht, daß der Wald- und Wiesencharakter
gegen die zahmeren und mehr städtischen Dekora-
tionspflanzen nicht konkurrenzfähig scheint. Solche
Furcht ist freilich sehr unangebracht: für die Gärten
an Einfamilienhäusern kann es kaum ein familiäreres,
ein liebenswürdigeres Material geben, als es die Stauden
sind. Die Ausstellung zeigte viele schöne Sorten; her-
vorragten die Sorten, die Karl Förster in Westend bei
Berlin produziert. — Ein größerer Kreis von Freunden
gebührt auch den Kakteen, freilich nicht für den Garten,
wohl aber für das Glashaus, auch für den Erker und
das Zimmer. Das Publikum hat den herben Reiz,
die bald strenge, bald barocke Architektur dieser
Mysterien noch nicht erfaßt; ihm ist die heroische Poesie
dieser Asketen, die alle Entbehrungen des Durstes zu über-
winden, sich gegen mörderische Gefahren mit scharf geschliffenen
Waffen zu wehren wußten, noch nicht aufgegangen. Es gibt
kaum ein ergreifenderes Symbol für die Hartnäckigkeit des
Willens zum Leben, als die Kakteen es sind. Die Ausstellung
zeigte eine recht gute und interessante Sammlung, leider in
etwas einfältiger Aufmachung. Man hatte hinter die Gruppe
der Töpfe eine Wüste gepinselt.
Solche Panorama-Tricks waren glücklicher Weise nur
noch spärlich gesät. Gegen die Dresdener Ausstellung J1907
bedeutet das einen wichtigen Fortschritt: die Gärtner haben
eingesehen, daß es nicht notwendig ist, Kulissen zu bauen, daß
Pflanzen und Blüten durch sich selbst zu wirken vermögen.
Neben dem Wüstenstück hatte sich der Tapezier nur noch in
einem Maiglöckchenwald und mit üblem Pathos in den Gärten
des Achilleion ausgetobt. Im übrigen ließ man sich genügen,
die Pflanzen in großen Massen zu sammeln, sie nach der Farbe
zu Orchestern zusammen zu fassen. Alle Kunststücke waren
vermieden; und doch lebte hinter dieser Sachlichkeit ein weit
vernünftigerer und geschmackvollerer Wille als nötig ist, um
Das Verpflanzen großer Bäume in München: Der Verpflanzwagen der Stadtgärtnerei.
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Verpflanzte große Kastanie am Theaterkaffee in der Ausstellung
München 1908.
Die Zusammenstellung verschiedener Farben zu einer
Harmonie gelingt nur der Erfahrung; wenn aber
dauernd die Skala sich ändert, so wird es schwierig,
Akkorde sicher zu greifen. Gute Maler arbeiten kon-
stant mit den einmal erwählten Farben; wieviel mehr
sollten das die ästhetisch nicht so empfindsamen Deko-
rateure, auch die Gärtner, tun, damit nicht jeder
neue Garten ein Experiment werde, vielmehr die zu-
nehmend fein temperierte Ausführung erprobter Re-
zepte. Es sei nicht für eine Monotonie plädiert, wohl
aber für eine Tradition; es sei nur ganz vorsichtig
darauf hingewiesen, daß die Mode, die Kollektion der
Saison, für den Gartenbau nicht weniger gefährlich
werden kann, als sie es für andere Gebiete des for-
malen und farbigen Gestaltens oft genug geworden ist.
Wer sichere Effekte erstrebt, sollte wie der gute Maler
dem Material gegenüber möglichst konservativ sein.
(Wobei ich selbstverständlich den Unterschied zwischen
der Farbe, die aus der Retorte heut wie morgen
gleichmäßig destilliert werden kann, und jener andern,
die das Vegetabil ausscheidet, die die Sonne auskocht,
nicht übersehe. Obgleich die Verwandtschaft enger
ist, als es den Anschein hat.) — Einen besonderen
Hinweis scheinen mir die Stauden zu verdienen. Sie
werden auch heute noch weniger angewandt, als es
im Interesse der Gartenbesitzer wäre. Zu diesen be-
quemen Pflanzen, die oft den ganzen Reichtum der
englischen Cottage-Gärten ausmachen, haben die deut-
schen Fachleute noch kein inniges Verhältnis ge-
funden. Vielleicht, daß der Wald- und Wiesencharakter
gegen die zahmeren und mehr städtischen Dekora-
tionspflanzen nicht konkurrenzfähig scheint. Solche
Furcht ist freilich sehr unangebracht: für die Gärten
an Einfamilienhäusern kann es kaum ein familiäreres,
ein liebenswürdigeres Material geben, als es die Stauden
sind. Die Ausstellung zeigte viele schöne Sorten; her-
vorragten die Sorten, die Karl Förster in Westend bei
Berlin produziert. — Ein größerer Kreis von Freunden
gebührt auch den Kakteen, freilich nicht für den Garten,
wohl aber für das Glashaus, auch für den Erker und
das Zimmer. Das Publikum hat den herben Reiz,
die bald strenge, bald barocke Architektur dieser
Mysterien noch nicht erfaßt; ihm ist die heroische Poesie
dieser Asketen, die alle Entbehrungen des Durstes zu über-
winden, sich gegen mörderische Gefahren mit scharf geschliffenen
Waffen zu wehren wußten, noch nicht aufgegangen. Es gibt
kaum ein ergreifenderes Symbol für die Hartnäckigkeit des
Willens zum Leben, als die Kakteen es sind. Die Ausstellung
zeigte eine recht gute und interessante Sammlung, leider in
etwas einfältiger Aufmachung. Man hatte hinter die Gruppe
der Töpfe eine Wüste gepinselt.
Solche Panorama-Tricks waren glücklicher Weise nur
noch spärlich gesät. Gegen die Dresdener Ausstellung J1907
bedeutet das einen wichtigen Fortschritt: die Gärtner haben
eingesehen, daß es nicht notwendig ist, Kulissen zu bauen, daß
Pflanzen und Blüten durch sich selbst zu wirken vermögen.
Neben dem Wüstenstück hatte sich der Tapezier nur noch in
einem Maiglöckchenwald und mit üblem Pathos in den Gärten
des Achilleion ausgetobt. Im übrigen ließ man sich genügen,
die Pflanzen in großen Massen zu sammeln, sie nach der Farbe
zu Orchestern zusammen zu fassen. Alle Kunststücke waren
vermieden; und doch lebte hinter dieser Sachlichkeit ein weit
vernünftigerer und geschmackvollerer Wille als nötig ist, um
Das Verpflanzen großer Bäume in München: Der Verpflanzwagen der Stadtgärtnerei.