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Die Gartenkunst — 11.1909

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Breuer, R.: Berliner Ausstellungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.49259#0096

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DIE GARTENKUNST.

XI, 5

die tollsten Blumen-Zirkusse vorzuführen. Besonders wirksam
war die Halle, in der die holländische Ausstellung Tulpen,
Hyazinten und edle Sträucher zeigte; hier hatte man die den
architektonischen Ausdruck vermittelnden Teile der Eisenkon-
struktion mit Tannengezweig flächig umkleidet. Das wirkte
einen ebenso stabilen wie festlichen Rahmen, einen ruhigen,
neutralen Hintergrund für die bunten Feuer der Blüten.
Auch die Binderei ist vorwärts gekommen, d. h. stiller
und bescheidener geworden. Die großen Maschinen, die
Arrangements, die „künstlerischen Autbauten“ sind verschwun-
den. Das Buket ist tot, der Draht verpönt. Die Blumen
werden nicht mehr gezwungen, die Formen von allen möglichen
Geräten, von Herzen, Ankern, Schubkarren, Tauben und der-

gabung ausreicht, ihren Kunden Ratschläge erteilen: welche
Blüten zueinander stehen, welche sich beißen, wie die passenden,
kontrastierenden oder harmonisierenden, Gefäße 'aussehen
müßten. Das Wichtigste aber ist: anständiges Material gesund
und gut sortiert zum Verkauf bringen.
Die Ausstellung wollte auch einen Einblick in das Wesen
des gärtnerischen Unterrichtes vermitteln. Das gelang ihr nur
bedingt, da Dahlem, die den Ausschlag gebende Anstalt, zur
gleichen Zeit im eigenen Haus eine Revue aus dem Lehrbe-
trieb vorführte und darum sich für die „Zoologischen“ Hallen
mit einem Hinweis auf die vorortliche Schulparade begnügen
mußte. Was so an Arbeiten aus anderen Lehrinstituten zu
sehen blieb, genügte meist nicht den notwendigsten Anforde-

Großer Teich im Park zu Konopitsch. Aus „Die Gartenanlagen Österreich-Ungarns“.


gleichen anzunehmen, auszufüllen. (Nur ein Damenhut hatte
sich eingeschlichen.) Immerhin, noch wird des Guten, der
Künstelei, häufig zu viel getan. Beinahe scheue ich mich, es
zu sagen: mir scheint der berufsmäßige Blumenbinder (der
Ton liegt auf Binder) beinahe überflüssig. Einen Binder für
Kränze und Guirlanden will ich gelten lassen; aber darüber
hinaus dünkt mich dieser Spezialist so abgewirtschaftet wie
etwa der mittelalterliche Briefschreiber, der auf den Märkten
saß. Von Japan wissen wir, daß es zu den Tugenden eines
jeden gebildeten Menschen, besonders der jungen Mädchen
gehört: Blumen in dazu passende Gefäße zu stellen. Wir
sollten uns von den Asiaten nicht beschämen lassen. Es müßte
genügen, wenn die Blumenhändler für gute, dem Temperament
der Jahreszeit entsprechende, sachgemäß geschnittene Ware
sorgten; das Komponieren und Dichten verbliebe dann denen,
die sich gar gern ihrer ästhetischen Kultur rühmen. Wollen
die Händler noch ein übriges tun, so mögen sie, falls die Be-

rungen. Besonders schlimm (das muß des Nachwuchses wegen
gesagt sein) steht es um Proskau. Kritische Details sind zwek-
los; von Grund auf heißt es hier: renovieren. Die verstaubten
unbeholfenen Grundrisse genügen allein, die .Alterschwäche
offenkundig zu machen. Du liebe Zeit, wie kann ein päda-
gogisches Institut nur so im Hintertreffen beharren.
Dahlem war wirklich eine Parade. Auch hier ist gewiß
nicht alles einwandfrei, am bedenklichsten die poetische Ader,
die in der Binderei und in einer Abteilung der Gartengestal-
tung pulst und tickt. Die sollte abgebunden werden. Aber
alle anderen Klassen verdienen aufrichtige Anerkennung. Da
sieht man, welchen Nutzen es hat, das Schülermaterial gut zu
sieben. Man spürt auch deutlich den Einfluß des nahen Berlin;
dessen technischen Instinkt, dessen Arbeitsamkeit, dessen sach-
liche Kühle treffen wir hier wieder. Und nicht zum wenigsten
ein Echo des energischen Strebens nach Qualität und Geschmack.
Dahlem gehört der modernen Bewegung. Die Klasse des
 
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