XI, 6
DIE GARTENKUNST.
101
promenaden mit seitlichen Baumreihen. In jedem
Falle aber wirken diese Einrichtungen weithin besser
als schlecht gepflegte, vernachlässigte Vorgärten
oder solche, deren Zweck lediglich auf äußerlicher
Renommisterei beruht, ob nun in gelungener Art
oder nicht.
Doch es gibt Straßen, denen das Baugesetz Vor-
gärten vorschreibt, Straßen mit Ein- oder Zweifamilien-
häusern, deren Insassen nur das kleine Vorgärtchen
zur Blumenpflege zur Verfügung steht.
Wäre nicht hier den Vorgärten ein weitgehendes
Interesse einzuräumen? Könnte man nicht auch in
diese kleinen Fleckchen Erde ein klein bißchen Glück-
seligkeit hineinzaubern? Wäre es nicht möglich, hier
dem Vorgarten von früher zu seinem Recht zu ver-
helfen? Wenigstens in zeitgemäßer Anpassung an
unsere jetzigen Verhältnisse?
Wieder Vorbilder aus der guten alten Zeit, werden
lächelnd viele sagen. Doch einmal Hand aufs Herz,
sind nicht unsere Vorfahren aller Zeiten die besten
Lehrmeister? Auch uns Gartenkunstübenden? Baut
nicht heute der Baukünstler wieder nach altem be-
währten Muster, setzt er nicht dort wieder ein, wo eine
gesunde Zeit aufhörte, um einer kränkelnden, siechen
Platz zu machen. Ja man merkt es genau, daß lang-
sam der Trieb nach Kulturgesundung zu erstarken
beginnt, und freudigen Auges dürfen wir der kommenden
Zeit entgegen sehen.
Gottlob, die Zeiten sind vorüber, wo der eiserne
Zaun auf steinerner Sockelmauer als das Ideal einer
Einfriedigung galt. Nicht, daß ich den soliden, nach
Zweck und Material ebenbürtigen eisernen Zaun ver-
damme! Aber heute erobert sich der Lattenzaun
wieder das Feld. Doch liegt die Befürchtung nahe,
daß auch er, wie vieles andere heute, ein Gegenstand
der Mode wird. Das zu befürchten, geben uns die
Neubauten mit ihren Vorgartengrenzen Anlaß. Immer,
wo auch solche entstehen, begegnen wir den weiß-
Harry Maaß, Stuttgart: Vorgarten 8 m breit in südwestlicher
Lage. Kugelbäumchen, Cornus mas. Roseneingang. Stauden-
rabatte. Hecke aus Taxus. Grenzpflanzung gemischt.
gestrichenen Lattenzäunen. Warum immer weiß ge-
strichen?! Wie einst mit dem Eisen, so wird auch
heute mit dem Holz das willkürlichste Formenspiel
getrieben! Oft recht geschmackvoll und zweckmäßig
gegliedert, vielfach aber auch sinnlos, geschmacklos
und unzweckmäßig. Wozu diese übermäßig hohen
Sockelmauern, zwischen deren plumpen Pfosten sich
ein Holzzaun zieht, absolut in gar keinem Verhältnis
stehend zu jenen? Dem Vorgarten nehmen diese
hohen Mauern aber Luft und Licht, alles was den
Pflanzen zum Gedeihen so dringend notwendig ist.
Diese verkümmern, werden unten kahl und unan-
sehnlich, der Besitzer verliert alle Freude und wird
seines Vorgartens überdrüssig. Eine Bekiesung der
Fläche wäre hier das Richtige. Für freudiges Grün
sorgen dann Kübelpflanzen, für Blütenwerk Fenster-
kästen und an der Laube und am Zaun spinnt
wilder Wein und Epheu.
Gartenlauben, jegliche Sitzplätze scheinen
mit wenigen Ausnahmen aus unseren Vor-
gärten verbannt. Weshalb? Weiß man heute
nichts mehr von der trauten Behaglichkeit,
die einen beschleicht beim Verweilen an
kühlen Sommerabenden im Grünen, in grün
umsponnener Laube?
Ich füge meinen Zeilen eine Anzahl Feder-
skizzen bei. Sie sollen Vorschläge sein, kleine
Beiträge zur gesunden Lösung der leidigen
Vorgartenfrage. Mögen sie als solche hin-
genommen werden und zum Nachdenken An-
regung geben.
Harry Mass, Stuttgart: Vorgärten von 3’/2 m Breite. An der Garten-
laube Sambucus niger. Rabatten. Pelargonien und Kugelbux.
DIE GARTENKUNST.
101
promenaden mit seitlichen Baumreihen. In jedem
Falle aber wirken diese Einrichtungen weithin besser
als schlecht gepflegte, vernachlässigte Vorgärten
oder solche, deren Zweck lediglich auf äußerlicher
Renommisterei beruht, ob nun in gelungener Art
oder nicht.
Doch es gibt Straßen, denen das Baugesetz Vor-
gärten vorschreibt, Straßen mit Ein- oder Zweifamilien-
häusern, deren Insassen nur das kleine Vorgärtchen
zur Blumenpflege zur Verfügung steht.
Wäre nicht hier den Vorgärten ein weitgehendes
Interesse einzuräumen? Könnte man nicht auch in
diese kleinen Fleckchen Erde ein klein bißchen Glück-
seligkeit hineinzaubern? Wäre es nicht möglich, hier
dem Vorgarten von früher zu seinem Recht zu ver-
helfen? Wenigstens in zeitgemäßer Anpassung an
unsere jetzigen Verhältnisse?
Wieder Vorbilder aus der guten alten Zeit, werden
lächelnd viele sagen. Doch einmal Hand aufs Herz,
sind nicht unsere Vorfahren aller Zeiten die besten
Lehrmeister? Auch uns Gartenkunstübenden? Baut
nicht heute der Baukünstler wieder nach altem be-
währten Muster, setzt er nicht dort wieder ein, wo eine
gesunde Zeit aufhörte, um einer kränkelnden, siechen
Platz zu machen. Ja man merkt es genau, daß lang-
sam der Trieb nach Kulturgesundung zu erstarken
beginnt, und freudigen Auges dürfen wir der kommenden
Zeit entgegen sehen.
Gottlob, die Zeiten sind vorüber, wo der eiserne
Zaun auf steinerner Sockelmauer als das Ideal einer
Einfriedigung galt. Nicht, daß ich den soliden, nach
Zweck und Material ebenbürtigen eisernen Zaun ver-
damme! Aber heute erobert sich der Lattenzaun
wieder das Feld. Doch liegt die Befürchtung nahe,
daß auch er, wie vieles andere heute, ein Gegenstand
der Mode wird. Das zu befürchten, geben uns die
Neubauten mit ihren Vorgartengrenzen Anlaß. Immer,
wo auch solche entstehen, begegnen wir den weiß-
Harry Maaß, Stuttgart: Vorgarten 8 m breit in südwestlicher
Lage. Kugelbäumchen, Cornus mas. Roseneingang. Stauden-
rabatte. Hecke aus Taxus. Grenzpflanzung gemischt.
gestrichenen Lattenzäunen. Warum immer weiß ge-
strichen?! Wie einst mit dem Eisen, so wird auch
heute mit dem Holz das willkürlichste Formenspiel
getrieben! Oft recht geschmackvoll und zweckmäßig
gegliedert, vielfach aber auch sinnlos, geschmacklos
und unzweckmäßig. Wozu diese übermäßig hohen
Sockelmauern, zwischen deren plumpen Pfosten sich
ein Holzzaun zieht, absolut in gar keinem Verhältnis
stehend zu jenen? Dem Vorgarten nehmen diese
hohen Mauern aber Luft und Licht, alles was den
Pflanzen zum Gedeihen so dringend notwendig ist.
Diese verkümmern, werden unten kahl und unan-
sehnlich, der Besitzer verliert alle Freude und wird
seines Vorgartens überdrüssig. Eine Bekiesung der
Fläche wäre hier das Richtige. Für freudiges Grün
sorgen dann Kübelpflanzen, für Blütenwerk Fenster-
kästen und an der Laube und am Zaun spinnt
wilder Wein und Epheu.
Gartenlauben, jegliche Sitzplätze scheinen
mit wenigen Ausnahmen aus unseren Vor-
gärten verbannt. Weshalb? Weiß man heute
nichts mehr von der trauten Behaglichkeit,
die einen beschleicht beim Verweilen an
kühlen Sommerabenden im Grünen, in grün
umsponnener Laube?
Ich füge meinen Zeilen eine Anzahl Feder-
skizzen bei. Sie sollen Vorschläge sein, kleine
Beiträge zur gesunden Lösung der leidigen
Vorgartenfrage. Mögen sie als solche hin-
genommen werden und zum Nachdenken An-
regung geben.
Harry Mass, Stuttgart: Vorgärten von 3’/2 m Breite. An der Garten-
laube Sambucus niger. Rabatten. Pelargonien und Kugelbux.