XI, 8
DIE GARTENKUNST.
135
Es ist verständlich, daß man angesichts des Ham-
burger Beispiels, wo man nur freundliches Pflanzengrün
erblickt, wo die Wege in Bogenlinien geführt sind,
die weite Durchblicke nicht gestatten, wo die Wege-
ränder von malerischen Gehölzmassen begleitet sind,
in deren Lichtungen schöne Familiengrabstätten unter-
gebracht sind, wo selbst die großen Fluren noch durch
Anpflanzungen verschönt und zu behaglichen Hainen
umgestaltet sind, überall dazu griff, mit Pflanzen-
wuchs die Häßlichkeit der großen Gräberfelder zu ver-
bergen.
Und hier liegt der Fehler! Indem man häßliche
Dinge verbirgt, schafft man sie nicht aus der Welt!
Man muß das Übel an der Wurzel packen und es
beseitigen; dann hat man das Verbergen nicht nötig!
Und um das zu können, muß man sich über das
Ziel, nach dem gestrebt werden soll, vollkommen
klar sein.
Grundfalsch wäre es, wollte man in weicher Ge-
fühlsseligkeit die Poesie alter Friedhofsanlagen auf
unseren großen Gemeindefriedhöfen erstehen lassen.
Das wird niemals gelingen; denn die Stimmung, die
dort herrscht, ist etwas Gewordenes, nicht Gemachtes.
Aber es ist immerhin gut, sich diese alte Dorf-
und Kirchenfriedhöfe — ich gebrauche diesen Ausdruck,
weil sie ja gewöhnlich um die Kirche herumliegen —
eingehend zu betrachten und den Gründen, warum sie
so stimmungsvoll wirken, nachzuspüren.
Da wird man finden, daß von alle dem landschaft-
lich-parkartigen Zubehör, mit dem wir unsere Fried-
höfe kurieren wollen, nichts vorhanden ist; daß dagegen
alle Einzelheiten, Gräber, Grabausstattungen, Denk-
mäler, Pflanzenwuchs, Wege und was sonst noch alles
dazu gehört, Baulichkeiten, Brunnen usw. mit einer
Schlichtheit und Anspruchslosigkeit, mit einem klar in
die Augen springenden Sichgenügenlassen an einfachen
Formen und Materialien, mit einer auf das Zweck-
Familiengräber auf dem Hauptfriedhof in Frankfurt a. M.
mäßige gerichtete Selbstverständlichkeit angeordnet
sind, die erst die Grundlage bilden, auf der bei zu-
nehmendem Alter jene poetische Stimmung sich ent-
wickeln konnte, die uns an diesen alten Friedhofsan-
lagen so sehr entspricht.
Vergegenwärtigen wir uns dagegen die fürchter-
lichen Geschmacklosigkeiten, mit denen unsere Stein-
metzindustrie und unsere Friedhofsgärtner uns beglücken,
beachten wir den Wirrwar von Obelisken,
Kreuzen, Säulenstümpfen, Inschrifttafeln,
schwarz, weiß, grau, matt und poliert, mit
prunkenden Goldinschriften geziert, mit
Metall- und Perlenkreuzen behangen, dann
werden auch dem Blödesten die Augen
aufgehen über den großen Unterschied
zwischen einst und heute. Man vergleiche
die Bilder Seite 133 und 134 oben mit
denen Seite 134 unten und 135.
Also ich wiederhole: Nicht mit dem
Verbergen der Unschönheiten, die unsere
Friedhöfe aufweisen, ist es getan, sondern
diese müssen beseitigt werden. Wir müssen
also von innen heraus beginnen und an
den Einzelbestandteilen des Friedhofes,
also vor allem am einzelnen Grabe ein-
setzen; dann wird das Ganze von selbst
seinen häßlichen Charakter verlieren.
Wenden wir dem Einzelgrabe unsere
Aufmerksamkeit zu, so staunen wir, was
Hohe Grabhügel mit Felssteinen auf dem Hauptfriedhof in Frankfurt a. M.
DIE GARTENKUNST.
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Es ist verständlich, daß man angesichts des Ham-
burger Beispiels, wo man nur freundliches Pflanzengrün
erblickt, wo die Wege in Bogenlinien geführt sind,
die weite Durchblicke nicht gestatten, wo die Wege-
ränder von malerischen Gehölzmassen begleitet sind,
in deren Lichtungen schöne Familiengrabstätten unter-
gebracht sind, wo selbst die großen Fluren noch durch
Anpflanzungen verschönt und zu behaglichen Hainen
umgestaltet sind, überall dazu griff, mit Pflanzen-
wuchs die Häßlichkeit der großen Gräberfelder zu ver-
bergen.
Und hier liegt der Fehler! Indem man häßliche
Dinge verbirgt, schafft man sie nicht aus der Welt!
Man muß das Übel an der Wurzel packen und es
beseitigen; dann hat man das Verbergen nicht nötig!
Und um das zu können, muß man sich über das
Ziel, nach dem gestrebt werden soll, vollkommen
klar sein.
Grundfalsch wäre es, wollte man in weicher Ge-
fühlsseligkeit die Poesie alter Friedhofsanlagen auf
unseren großen Gemeindefriedhöfen erstehen lassen.
Das wird niemals gelingen; denn die Stimmung, die
dort herrscht, ist etwas Gewordenes, nicht Gemachtes.
Aber es ist immerhin gut, sich diese alte Dorf-
und Kirchenfriedhöfe — ich gebrauche diesen Ausdruck,
weil sie ja gewöhnlich um die Kirche herumliegen —
eingehend zu betrachten und den Gründen, warum sie
so stimmungsvoll wirken, nachzuspüren.
Da wird man finden, daß von alle dem landschaft-
lich-parkartigen Zubehör, mit dem wir unsere Fried-
höfe kurieren wollen, nichts vorhanden ist; daß dagegen
alle Einzelheiten, Gräber, Grabausstattungen, Denk-
mäler, Pflanzenwuchs, Wege und was sonst noch alles
dazu gehört, Baulichkeiten, Brunnen usw. mit einer
Schlichtheit und Anspruchslosigkeit, mit einem klar in
die Augen springenden Sichgenügenlassen an einfachen
Formen und Materialien, mit einer auf das Zweck-
Familiengräber auf dem Hauptfriedhof in Frankfurt a. M.
mäßige gerichtete Selbstverständlichkeit angeordnet
sind, die erst die Grundlage bilden, auf der bei zu-
nehmendem Alter jene poetische Stimmung sich ent-
wickeln konnte, die uns an diesen alten Friedhofsan-
lagen so sehr entspricht.
Vergegenwärtigen wir uns dagegen die fürchter-
lichen Geschmacklosigkeiten, mit denen unsere Stein-
metzindustrie und unsere Friedhofsgärtner uns beglücken,
beachten wir den Wirrwar von Obelisken,
Kreuzen, Säulenstümpfen, Inschrifttafeln,
schwarz, weiß, grau, matt und poliert, mit
prunkenden Goldinschriften geziert, mit
Metall- und Perlenkreuzen behangen, dann
werden auch dem Blödesten die Augen
aufgehen über den großen Unterschied
zwischen einst und heute. Man vergleiche
die Bilder Seite 133 und 134 oben mit
denen Seite 134 unten und 135.
Also ich wiederhole: Nicht mit dem
Verbergen der Unschönheiten, die unsere
Friedhöfe aufweisen, ist es getan, sondern
diese müssen beseitigt werden. Wir müssen
also von innen heraus beginnen und an
den Einzelbestandteilen des Friedhofes,
also vor allem am einzelnen Grabe ein-
setzen; dann wird das Ganze von selbst
seinen häßlichen Charakter verlieren.
Wenden wir dem Einzelgrabe unsere
Aufmerksamkeit zu, so staunen wir, was
Hohe Grabhügel mit Felssteinen auf dem Hauptfriedhof in Frankfurt a. M.