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Die Gartenkunst — 11.1909

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Heicke, C.: Reformbestrebungen auf dem Gebiete der Friedhofsanlagen uud der Friedhofskunst: Vortrag, gehalten am 28. Juni 1909 auf der Hauptversammlung der D.G.f.G. in Hamburg
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https://doi.org/10.11588/diglit.49259#0143

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XI, 8

DIE GARTENKUNST.

139

Liegende Grabsteine vom Nürnberger Johannisfriedhof.
Aufnahme von Fr. Bauer, Magdeburg.


was sich in München durchsetzen ließ, wird
auch anderwärts zu ermöglichen sein.
Bisher haben wir vorzugsweise die
Gestaltung der Reihengräber im Auge
gehabt, aber das Gesagte hat in vieler
Beziehung auch für die Familiengrab-
stätten Geltung.
Wenn nun in der geschilderten Weise
den jetzt bestehenden Mißständen mit Er-
folg entgegengearbeitet wird, dann kann
man sich vorstellen, daß der Anblick der
Gräberfelder in Zukunft gar nicht mehr so
schreckhaft häßlich sein wird, wie bisher,
und man wird dann wohl auch von dem
jetzt beliebten Radikalmittel, die Flu-
ren durch mehr oder minder dichte Pflan-
zungsgürtel zu verbergen, wieder ab-
kommen.
Und was das Wichtigste ist, man
wird dann die ganze Friedhofsanlage in
allen ihren Teilen mit viel mehr Freiheit
gestalten können, als seither, wo das Ver-
bergen der Reihengräber gewissermaßen den Kern-
punkt aller Maßnahmen bildete.
Dabei sind die Reihengräber doch ein gar nicht
fortzuschaffender Bestandteil der Friedhöfe,
ja man kann sagen, sie sind das wichtigste Glied
im ganzen Organismus. Es muß daher bei einer
Friedhofsanlage, die allen Anforderungen, auch in
ästhetischer Hinsicht, genügen soll, gefordert wer-
den, daß dieses wichtigste Glied nicht einfach ver-
borgen, sondern in der künstlerischen Gesamterschei-
nung zur Geltung gebracht wird und eine seiner
Wichtigkeit entsprechende Rolle spielt.
Wir müssen also dahin kommen, daß Baumschlag
und Buschwerk ihre Rolle zum Verbergen der Reihen-
gräber ausgespielt haben. Es wird
ihnen dann eine andere Aufgabe zufallen.
Bei der Größe der Friedhöfe ist es
ein Haupterfordernis, daß, wie es auch in
Ohlsdorf der Fall ist, der unbehagliche
Eindruck der weiten Ausdehnung durch
geeignete Unterteilung behoben wird. Und
dabei sind die Pflanzungen als Mittel
zur Umgrenzung kleinerer Abtei-
lungen absolut notwendig.
Ihre Aufgabe wird also künftig sein,
die Räume zu bilden, in denen des Fried-
hofs Unterabteilungen eingerichtet wer-
den können, und zwar Räume, die nicht
mehr ängstlich nach allen Seiten gegen
jeden Einblick abgeschlossen zu sein
brauchen, sondern mit dem Gesamtorga-
nismus im engsten Zusammenhang
bleiben.
Die Ausbildung dieser Unterabtei-
lungen wird die wichtigste Frage sein, die
uns noch zu beschäftigen hat. Allgemein

sollte man sich zum Grundsatz machen, ihre Abmes-
sungen nicht zu groß zu wählen. Je kleiner, desto
besser ist die Wirkung. Im übrigen aber soll hin-
sichtlich ihrer Gestaltung möglichste Freiheit walten.
An manchen Orten hat man mit gutem Erfolg nach
Hamburger Vorbild die Einrichtung getroffen, daß je
zwei Gräberreihen mit den Kopfenden aneinander stoßen.
Bei der oberirdischen Aufmachung der Gräber muß
dann oben und unten soviel von der Grundfläche des
Grabes unbenutzt bleiben, daß zwischen den Kopf-
enden ein Streifen Baum- und Buschwerk, zwischen
den Fußenden ein schmaler Weg angelegt werden kann.
Schon nach wenigen Jahren entstehen auf diese
Weise, wenn die Pflanzung anfängt sich zu entwickeln


Stehende Grabsteine aut dem Münchener Waldfriedhot.
Arch. Baurat Graessel, München.
 
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