Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Die Gartenkunst — 11.1909

DOI Artikel:
Schneider, Camillo: Hermann Mächtig
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.49259#0186

DWork-Logo
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
182

DIE GARTENKUNST.

XI, 10

Werfen wir zunächst einen schnellen Blick auf Mächtigs
Werdegang.
Als Sohn eines künstlerisch begabten Vaters, der Lehrer
an der Baugewerkschule, Bildhauer und eifriger Naturfreund
war, wurde Hermann Mächtig am 18. August 1837 in Breslau
geboren. Durch seinen Vater und durch die Teilnahme an
dessen Schulunterricht erhielt er in frühen Jahren mannigfache
künstlerische Anregungen.
Wie er dazu kam, sich der Gärtnerei zu widmen, konnte
ich nicht erfahren. Jedenfalls trat er 1852 in der Handels-
gärtnerei von Mohnhaupt in Breslau in die Lehre und siedelte
von dort 1854 nach Wildpark über, um während zweier Jahre die
damals unter Lennes Leitung stehende Kgl. Gärtnerlehran-
stalt zu besuchen. Hier wirkte neben Lenne, Karl Koch und
anderen Gustav Meyer, dessen Einfluß von ausschlaggebender
Bedeutung für Mächtigs spätere gartenkünstlerische Tätigkeit
werden sollte.
Nach dem Anstaltsbesuch absolvierte Mächtig sein mili-
tärisches Dienstjahr in Potsdam und blieb auch nachher dort,
um unter Lenne und Meyer als Garten-
techniker tätig zu sein. Diese Beiden
vollendeten damals den Marlygarten
und führten weitere umfangreiche Neu-
schöpfungen und Umgestaltungen am
Orangerieberg, Pfingstberg, dem nordi-
schen Garten usw. durch. 1864 wurde
Mächtig Obergehilfe und 1870 Hofgärtner
in Sanssouci. Schon 1865 trat er in
den Lehrkörper der Wildparker Anstalt
ein, und als Gustav Meyer anfangs der
70 er Jahre an die Spitze der Berliner
Gartenverwaltung berufen wurde, über-
nahm Mächtig als dessen Nachfolger
den Unterricht in der Landschafts-
gärtnerei.
Wie mir ein ehemaliger Kollege
Mächtigs aus seiner ersten Zeit in
Sancsouci erzählte, erfreute er sich’
infolge seines freundlichen Wesens und
seiner großen Uneigennützigkeit allge-
meiner Beliebtheit. Von seinen Vor-
gesetzten, insbesondere von Meyer,
wurde er hochgeschätzt, und Meyer hat
ihn wiederholt als seine rechte Hand
bezeichnet. Wie wert ihn Meyer hielt,
geht ja auch daraus hervor, daß er
ihm 1875 die Stelle eines Garteninspek-
tors in Berlin übertrug. Hier in Berlin unterstützte Mächtig
seinen Lehrer und Freund zunächst bei der Erweiterung
des 1845 von Lenne angelegten Friedrichshains und der Aus-
arbeitung der Pläne für den Treptower Park.
Kurz nach Beginn dieser Anlage starb Meyer im Mai
1877 und Mächtig wurde sein Nachfolger. Hiermit setzt seine
Haupttätigkeit als Gartenkünstler ein.
Während wir Mächtig im Treptower Park noch getreu
die Bahnen seines Lehrers wandeln sehen, kommt bei der 1888
begonnenen und neun Jahre später beendeten Anlage des
Viktoriaparkes sein persönliches Talent in bezeichnender
Weise zum Ausdruck. Ich habe diese Schöpfung in den Jahren
1896 bis 1901 sehr eingehend studiert und ich kann nur wieder-
holen, was ich schon 1901 in der „Gartenwelt“ gelegentlich
einer ausführlichen Schilderung dieser Anlage aussprach, daß
ich den Viktoriapark für eine bedeutsame Leistung der
deutschen Gartenkunst halte.
Mächtig hat in den wundervoll naturwahr aufgebauten
Kernpunkten dieser Gesteinanlagen sich als ein außerordent-
lich begabter Gartenkünstler gezeigt, dem ein viel feineres
Naturverständnis und ein viel stärkeres künstlerisches Ge-

staltungsvermögen eigen war, als Gustav Meyer. Daß er
diesem, der als trefflicher Mensch ihm so nahe getreten war
und ihn in bester Weise gefördert hat, so aufrichtig er-
geben war, ist gewiß verständlich und ein schöner Beweis für
Mächtigs gute menschliche Eigenschaften — allein ich habe
immer das Gefühl gehabt, daß diese Hingabe dem Künstler
Mächtig geschadet hat. Wo Mächtig, wie im Viktoriapark
sich eine Aufgabe stellte, für die er kein Vorbild bei Meyer
fand, da fühlte er sich frei, fühlte er seine eigenen Kräfte und
schuf höchst Bedeutsames. Aber schon die Gestaltung der
Außenpartien im Viktoriaparke geschah wieder im Sinne
Meyers und stört die naturwahre Wirkung der Wasserfall-
partien.
Doch ich kann mich hier nicht in Details verlieren.
Bei der Gestaltung architektonischer Plätze im Stadtinnern
bewies Mächtig keine sehr glückliche Hand. Über seine große
Friedhofsanlage in Friedrichsfelde-Lichtenberg kann ich nichts
sagen, da ich sie zu wenig kenne. Die Anlage des Plänter-
waldes an der Oberspree bietet kaum bemerkenswerte Partien.
Über 30 Jahre hat Mächtig still
für . sich gearbeitet und die Entwicke-
lung der Berliner Stadtgarten Verwaltung
zeugt davon, daß er unermüdlich tätig
war. In die Öffentlichkeit ist Mächtig
eigentlich nie getreten. Ich selbst habe
ihn nur in den Jahren 1900 und 1901
flüchtig gesprochen, wobei er wieder-
holt seine' Abneigung gegen moderne
Bestrebungen, besonders gegen die
Hochschulfrage, äußerte.
Auch sein persönlicher Verkehr
war sehr gering. Schon seit seiner
Heirat lebte er ganz zurückgezogen und
l scheint nach und nach alle Beziehungen
B zu einstigen Freunden abgebrochen zu
haben.
Zu all dem mag wohl die Tat-
sache beigetragen haben, daß sein
Wirken von den Fachgenossen viel-
fach verkannt wurde. Jedenfalls hat
er es auch nicht verstanden, sich
tüchtige Beamte heranzuziehen, ja in
seiner Abneigung gegen alles Neue
mag er es selbst verschuldet haben,
daß keine bedeutenden Kräfte in der
Berliner Stadtgartenverwaltung hoch-
kommen konnten.
Alles in allem war Mächtig eine seltsame Persönlichkeit,
zu deren rechter Beurteilung mir jetzt noch gar vieles fehlt.
Daß er hohe gartenkünstlerische Talente besass, beweist sein
Viktoriapark schlagend. Daß er aber diese Anlage, wie auch
andere, nicht in der notwendigen Weise weiter ausgearbeitet
hat oder ausarbeiten ließ, ist unbedingt ein großer Fehler.
Als ich anfangs September dieses Jahres den Park nach
Jahren wieder sah, empfand ich seinen jetzigen Zustand als
ein Symbol der ganzen Berliner Stadtgartenverwaltung.
Die vielen guten Keime, die darin liegen, werden ge-
hemmt durch ungenügende Fortentwickelung. Alles deutet
darauf, daß seit Jahren ein Stillstand besteht, dessen Ursachen
darzulegen hier zu weit führen würde, dessen Vorhandensein
aber nur zu deutlich sich ausprägt.
Mächtig hat sich von der Zeit überholen lassen. Die
Zeit braucht neue Kräfte, und ich will diese Zeilen nur mit
dem Wunsche schließen, daß ein neuer Mann an die Spitze der
Berliner Stadtgartenverwaltung treten möge, der Mächtig an
künstlerischer Begabung gleichkommt, der aber in durch-
greifender Weise versteht, seine Intentionen zur Geltung zu
bringen. Camillo Karl Schneider.


Hermann Mächtig, 1837—1909.

Für die Redaktion verantwortlich: Stadt-Gartendirektor Heicke, Frankfurt a. M. Selbstverlag der Deutschen Gesellschaft für Gartenkunst.
Druck der Königl. Universitätsdruckerei H. Stürtz A. G., Würzburg.
 
Annotationen