XI, 12
DIE GARTENKUNST.
211
Verkehrt ist es, daß künstlerisch sterile und impulslose
Menschen, die doch in Dahlem während des grundlegenden
allgemeinen Lehrganges ein Jahr „Bedenkzeit“ haben, fast
wahllos in den Lehrgang für Gartenkunst aufgenommen wer-
den, meist nur, weil sie es für bequemer [!] und „feiner“ halten,
„Garten-Architekt“ zu werden, statt Pflanzenzüchter, oder Obst-
bautechniker. Diese Leute versagen in der Regel schon in
der Außenpraxis, aber geradezu „schlimm“ werden sie, wenn
sie im späteren Leben vor selbständige künstlerische Aufgaben
gestellt werden. Also hier müßte, wie wir in Dahlem schon
immer betont haben, ganz anders „gesiebt“ werden. Soll
Willy Lange, der es ernst mit seinen Pflichten als Lehrer und
Künstler nimmt, dafür verantwortlich gemacht werden, wenn
Unterricht Willy Langes, der sich immer bemüht, das innere
Verständnis für die verschiedenen Gartenformen zu wecken,
anstatt die jungen Leute, wie Migge zu wünschen scheint, mit
einem Universalrezept für alle Fälle, ungefähr wie zu Zeiten
der Meyerei, auf das Leben loszulassen, nur mit dem Unter-
schied, daß sie jetzt die Wege mit der Reißschiene statt
mit dem Kurvenlineal ziehen und die Gehölze in Reihen
statt in Gruppen pflanzen dürfen.
Demgegenüber ist nochmals zu betonen, daß wir in un-
serer komplizierten Zeit mit immer freier und selbständiger
denkenden Menschen keine neuen Dogmen in Religion und
Kunst gebrauchen können, wenn wir die besten „Zeichen un-
serer Zeit“, das Streben nach innerer Freiheit und Wahr-
E. Barth-Lübeck: Friedhof zu Kücknitz. Lageplan.
solche Spreu unter seiner sogenannten Presse nicht zu gehalt-
vollem Korn wird?
Im übrigen aber weiß ich, daß auch bereits manche
tüchtige und vielversprechende junge Kraft aus Wildpark-
Dahlem hervorgegangen ist, — meinetwegen trotz „vorzugs-
weiser Ausbildung der Kräfte des Gemüts“. Sie schadet ihnen
nicht, denn die jungen Leute sind nach dem trockenen Drill
auf der harten Bank der höheren Schule mindestens bis zum
Einjährigen durch eine meistens recht konkrete Lehr- und
prosaische Gehilfenzeit und sehr häufig auch durch den Militär-
dienst gegangen und infolgedessen nicht gerade mit weichem
Wachs zu vergleichen.
Einer „schlimmen Ratlosigkeit gegenüber der Wahl der
Form“ verfallen sie aber gerade am wenigsten durch den
haftigkeit, nicht mißachten wollen. — Wir wollen aus inn e r en
wie Zweckdienlichkeits-Rücksichten heraus kein neues
Gartendogma, so bequem es auch den einseitig Gestempelten,
den Denkfaulen und denen sein mag, für die die Gartenkunst
in der Hauptsache milchende Kuh ist. —
Daß man aber neuerdings die Notwendigkeit einer bes-
seren zeichnerischen und architektonischen Ausbildung betont
und daß Migge der Meinung ist, die Dahlemer Ausbildung
genüge nach dieser Richtung hin nicht, halte ich für ganz be-
rechtigt, — selbst auf die Gefahr hin, daß mein schnellfertiger
„Gegner“ wieder behauptet, ich „widerriefe“ [nämlich etwas
gar nicht Behauptetes!] Wir haben in Dahlem den Mangel
einer gründlichen zeichnerisch-malerischen und architektonischen
Ausbildung schon vor Jahren, lange vor den Warnungen un-
DIE GARTENKUNST.
211
Verkehrt ist es, daß künstlerisch sterile und impulslose
Menschen, die doch in Dahlem während des grundlegenden
allgemeinen Lehrganges ein Jahr „Bedenkzeit“ haben, fast
wahllos in den Lehrgang für Gartenkunst aufgenommen wer-
den, meist nur, weil sie es für bequemer [!] und „feiner“ halten,
„Garten-Architekt“ zu werden, statt Pflanzenzüchter, oder Obst-
bautechniker. Diese Leute versagen in der Regel schon in
der Außenpraxis, aber geradezu „schlimm“ werden sie, wenn
sie im späteren Leben vor selbständige künstlerische Aufgaben
gestellt werden. Also hier müßte, wie wir in Dahlem schon
immer betont haben, ganz anders „gesiebt“ werden. Soll
Willy Lange, der es ernst mit seinen Pflichten als Lehrer und
Künstler nimmt, dafür verantwortlich gemacht werden, wenn
Unterricht Willy Langes, der sich immer bemüht, das innere
Verständnis für die verschiedenen Gartenformen zu wecken,
anstatt die jungen Leute, wie Migge zu wünschen scheint, mit
einem Universalrezept für alle Fälle, ungefähr wie zu Zeiten
der Meyerei, auf das Leben loszulassen, nur mit dem Unter-
schied, daß sie jetzt die Wege mit der Reißschiene statt
mit dem Kurvenlineal ziehen und die Gehölze in Reihen
statt in Gruppen pflanzen dürfen.
Demgegenüber ist nochmals zu betonen, daß wir in un-
serer komplizierten Zeit mit immer freier und selbständiger
denkenden Menschen keine neuen Dogmen in Religion und
Kunst gebrauchen können, wenn wir die besten „Zeichen un-
serer Zeit“, das Streben nach innerer Freiheit und Wahr-
E. Barth-Lübeck: Friedhof zu Kücknitz. Lageplan.
solche Spreu unter seiner sogenannten Presse nicht zu gehalt-
vollem Korn wird?
Im übrigen aber weiß ich, daß auch bereits manche
tüchtige und vielversprechende junge Kraft aus Wildpark-
Dahlem hervorgegangen ist, — meinetwegen trotz „vorzugs-
weiser Ausbildung der Kräfte des Gemüts“. Sie schadet ihnen
nicht, denn die jungen Leute sind nach dem trockenen Drill
auf der harten Bank der höheren Schule mindestens bis zum
Einjährigen durch eine meistens recht konkrete Lehr- und
prosaische Gehilfenzeit und sehr häufig auch durch den Militär-
dienst gegangen und infolgedessen nicht gerade mit weichem
Wachs zu vergleichen.
Einer „schlimmen Ratlosigkeit gegenüber der Wahl der
Form“ verfallen sie aber gerade am wenigsten durch den
haftigkeit, nicht mißachten wollen. — Wir wollen aus inn e r en
wie Zweckdienlichkeits-Rücksichten heraus kein neues
Gartendogma, so bequem es auch den einseitig Gestempelten,
den Denkfaulen und denen sein mag, für die die Gartenkunst
in der Hauptsache milchende Kuh ist. —
Daß man aber neuerdings die Notwendigkeit einer bes-
seren zeichnerischen und architektonischen Ausbildung betont
und daß Migge der Meinung ist, die Dahlemer Ausbildung
genüge nach dieser Richtung hin nicht, halte ich für ganz be-
rechtigt, — selbst auf die Gefahr hin, daß mein schnellfertiger
„Gegner“ wieder behauptet, ich „widerriefe“ [nämlich etwas
gar nicht Behauptetes!] Wir haben in Dahlem den Mangel
einer gründlichen zeichnerisch-malerischen und architektonischen
Ausbildung schon vor Jahren, lange vor den Warnungen un-