Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Heidelberger Ieitung erscheint an jedem Wochentag mittag» 12 Uhr. Amtliches Deritllndi-
gungsUatt. Gratisbeilagcn sind dle Heidelberger Familienblätter, autzerdem amtlicher Wohnungs-
anzeiger. Die Heidelberger Zeitung bann durch all« Postanstalten, durch die Agenturcn auf dem
Lande, die Trägerinnen und bei der Geschäftsstell« selbst - Hauptstratze 23 - monatlich und
vierteljährllch bestellt werden.

Hauptschriftleiter: Kurt Fischer in Heidelbsrg.

Druck und Derlag: Heidelberger Derlagianstalt und DruÄerei, w. m. b. H.

KMMW LZM«W

(UnabhSngige Tageszeikung)

Nerkündigungsblatt für Nordbadsn und^die angrenzenden Teile von Bayern, Hessen und Württemberg.
^Nr.182 den 16. Iuli 1919 _ 61. Iahrgang

Bezugs- und Anzeigenpreis. Die .Heidelberger Ieitung' kostet bci jeber Postanstalt
monatlich 1.66 M. vierteljährllch 1.98 M. ausschliehlich Iustellgebllhr, durch die Agenturen oder
die TrSgcrinnen ftet Haui monatlich 1.75 M. - Di« achtgespakene Petitzeile oder deren Raum
kostet 35 Pfg.: im Reklamcteil die viergrspaltene Petitzeile 1.20. mit Platzvorschrtft I.1U M.
Bei Wiederholungen Nachlatz nach Tarif. Erfüllungsort »st Hetdelberg. Linzelverkauf 10 Pfg.

DruckundBerlag: Hridelberger Derlagranstalt und Druckerei G. nr. b. H.

Postscheckkonto Aarlsruhe Nr. 1S90S. Fernsprecher: Nedaktion 182, BeschäftisteHe 82

Rriegsgefansene und Wiederaufba«

Das Wichtigste vom Tage

Die N a t r o n a lv er s a m m l u n g wählte den
sozialdem. ASg. Löbe zum V'zepräsidenten.

Die Polirei von Mailand, Nom. Eenua, Nea,
pel und Turin beabsichtigt, fich an dcn- Ceneral-
streik am 21. Zuli anruschlietzen. wenn dis dab'n
ihre Forderungen nicht bewilligt sind. '

Zn der allgemeinen Abstimmung des National-
rates der französischen Sozialistenpartei
siimmten 142Ü gegen und 51 Stimmen fiir den
Fricdensvertr ag. 111 enthieltcn sich und
387 weigrrtcn sich, abzustimmen.

Aus Baden

D'x Hausbaltsausschusi des Landtags bat die so-
zialdemokr. Abänderungsvorschläge zu
deu Teuerungszuschlägen angenommen.

Die deutsche Negierung hat bei den Alliierten gr-
gcn die in der Nacht vom 28. zum 29. Zuni durch
'ra.rzösische Truvpen vorgenommene Zerstörung des
Ar'regerdenkmals im chemaligcn Dorfe Kehl Protcst
eingelegt und um Vestrafung dex Schulligen er-
fucht.

Der P?ozeh gegen den Kaiser

Erkrankung des Kaiserpaares
Amsterdam, 15. Iuli. Wie aus Amerong'n gs-
meldct wivd, ist der ehemalige Kaisin: krank. Auch
dieKaiserin ist unväs; lich. D -. Forlstcn
wurde Montag svät abends ins Schloh gerusen und
blieb di« Nacht über dort.

Die Haltung Hollands

Von durchaus zuverläsiiger Seits wird versichert,
dah HollanL» in der Frage der Ausliefferung Ka'.s'P
Wilhelms II. durchaus feststeh t. Die Nieder-
lande sind entschlossen, den Kaiser stldst danm^
wenn es die, deutsche Regierung verlmrgen sollte,
nicht der Entcnte «uszuliefern. Nur ToonN der
Kaiftr solbst den Wunsch äuhern sollte. vor den
Entente-Ger'rchtshof gestellt zu werden. wrrd man
seiner Aastcht nrchts in d^n Wcg lcgen.

Georg V. an Lloyd Eeorgc
Die Presse-Znforination meldet aus London: In
der Karscrairgelegenheit bat der engli> che Kö -

nig ein Schreiben an Lloyd George ge-sautrt.
Archerdem häben sich mehrere Lords und ein Ver-
wandter des Könrgs, der auch mit dec d'ut cheir
Kaüsersanrilre vrrwandt rst, an anderer Stelle ver-
wendet, um dre Alliiiertcn zu veranlassen, auf die
Ausführung des bctr. Abschn'rtts des Fr'.edensver-
trages verzrchten zu wollen. Jnneribalb der
englischen kirchlichen Kreise n'rmmt die Abnei-
gung gegeni ein Eerichtsversabreu sohr stark zu.
Augenibkicklich ist es j'doch der Negicbung urrmög-
lich. e'rne offizielle Erklärung abr'. g.'ben.

Französische Rechtspflege

):) Ludwigshefen, 16. Juli. (P.üvattel.) Der
Hauplschrrftleiter dcr klerikalen Pfälzer Zeitung,
Dr. Hans Würk, crhielt vom franäösischon> Polr-
Zeigericht 6 Monate E-'fängnis un,d 1000 F.anks
Eeldstrafe. weil er vcr einigen Tagen eine vatrio-
tische Ansvrache aus dex Sp"yrcr Festwi'ese hielt
und. wie das Urteil lautet, in aufhetzender Wei.se
üegen das fr-arrzösische Heer und Volk ,g svrochen
batte, Störungen der Ruhr rmd Ordnung vers chte,
sowie sich eürcs weitercn Vcrgehens gegen d.e De-
sgtzungsbehövde zu Schuldcn komnren lieh. das zu
e:uer grohen Deinonstratio-n gsg-.'n ein Kaufhaus i -
T.>:yer führte.

Vorläufig keine Erhöhung
der VroLration

Berlin, 16. Iuli. Von zuständ'ger Stclle wird
sois mitgcteilt: Die durch d c Presse scgangene
Mrtteilung wegen Erhöhung d"r Vrotration sum
I- Oktober ist in dicser Form nichi rrch'tiz. Be-
stimmte Zusagen konnten bei den Ve hand-
luirgen rni Wcinrar in diestm Punkte nicht a«.-
sUacht wsrden. Die Frage d.r Erbölmng der
Brotratron hängt von der neuen Ernte und

Die tzeirnkehr der Gesangenen

Ueber die Vorbereitungen zur Rückkehr
der deutschen Kriegsgefangenen führte Abge-
ordneter Stücklen, Mitglied der sozialde-
mokratischen Partei, im Namen der National-
versammlung in Weimar in längerem Vor-
trage Folgendes aus:

D'r RücktcanLvort von dsutschen Kriegsgefairge-
,'en fand bisher. aibgosehcn von dem kleiü,2n Trans-
port dor im Saargohirt behcinmteten Gefangen'n,
nicht statt. In Häirdeu dor Franzosen ba-
findrn sich 310 000. in dcn Händcn der Englän -
dcr 1S5 000 un-d in denen Amerikas 50 000
deutsche Kricgsgefang.ne. In Sibirien sind
20 000 Kriegs- und 30 000 Zivrlgefangene. Dio
schlimmste Behandlung ist d-n d^ütschen
Kricgsgcfar-gcnen von den Franzosen zuteil
geworden. Im übrigen sind die Klagen ge-
ring. Durch vrivate Opferwilligkeit sind Lisher
zehn Millionen Mark Svenden für die
Kriegsg'fangenen eingenommen worden. 150 Ml-
lioncn Ma k stellte di; Neichsregierung zunüchst
zur Verfüguna. Icdrr Eesangene soll im Be-
d ü r f n i sfn l l c bci scinsr Heimk.hr e-in-e Bei-
h'lf-e von 300 M. bsko'mnen, mit^Ausnahme
dcrjenigen, gcgen die ein Verfabren wo
gen Landesverrat schwebt, also der Ueber-
lüufer. Diese Beihilfe kamr in be'ondeven Fäl-
lcn bis auf 600 M. echöht w-.rden, wcnn die Go-
meinde 150 M. züschietzt. Redner schilderte weiter
die ausgeze'.chnete Organisation, die beveits zum
Emvfang dec Eefangenen in der Heimat vovb^rei-
tet ist. Bei der Entlassung soll ferner ieder Eefan-
gene o'me Abfindungssumme von vro Tag 5 M.
Gcbühvms für 8 Wochen erhalten. fodatz er annä-
hornd 300 M. mitbekommt. Ein Teil der Eefan-
genen wird über die Schw"iz, ein anderer über
5)olland kommcn. Die Neutralen machtoni sich mn
die Wrsorge unserer Kriegsgefang nen stets ver-
dient.

Eine ähnliche Versorgung, wie die für die
Kriegsgefangenen wird auch den deutschen
Rückwanderern zuteil werden. Die
Reichsregierung wird alles tun, um den Rück-
transport zu bcschleunigen.

» » »

Haag, 15. Iuli. :Aus Landon rmrd ge-
meldet, datz die dentschen Kriegssefan-
genen in einem Monat zurückkehren.

Deutsche Arbeiter für den Wiederaufbau

Aus den Verhandlungen in V-'rsaillos rst noch
nachrutragen, datz die Verhandlung'.n in konzilian.
ter Form weitergehen, datz abec die Entente auf
dcr strikten Durchführung der Bcstimnvungen be-
steht, dir cine baldige Stellung von deut-
schen Arbeitern zum Wiederausibau d"s zer-
störten EcLietes vorseben. Die Franzoscn rechnen
m'it ciner baldigen Bcreitstellung von deutsc^rn
Arbütem in Truvvs ron 500—1000 Mann>. Sei-
tens der deut'chen Unterhändler ist w'-cderholt auf
dis Schmierigkciien hlng'wieson woüben. d'e einar
sclchen Entsmdung von deuts-cl.cn Arbeitsk-crsten
-in Wego sfth'n. Doch wird man bemllbt blciiben,
dicse Frage einer befriedigendcn Lösung enta^gen-
znführen.

Auch auf die Liefcrungvon Vieb. Farb -
stoffenl und Kohlen legcn die Fran-zos-en das
vrötzte Eewicht. In der Frage der Kohlonliefo-
rung gilt es für unsere llnterhändler besonders,
cin bofciod'gmdes Arrausemenj zu treffen. da sonst
die deuische Wirtschast in die grötzten Schwrerig-
kliten vc".setzt werden könnte.

dec Eetrord'-Einfuhr ab. die ihrerseits wieder in
erster Linie von dev Eestaltung unsorer Daluta, der
Kohlenförderung usw. abhängen.

Für die Kindcr Europas
Amsterdain, 15. Iuli. Nach ein"r Meldung des
Pvsssebüros Nadio aus Nemyork ist die Bildung
eiuer Qosanisation zwccks Ernährung der
Kinder Euwzas -nun bekannt «eg.bcn worden.
Sie wird das von der amerikanischen Hilfsaktion
1 bcgonnene Werk in Eurova fortsetzen.

Die Angst vor den Bolschewrsten
Vasel, 1k. Zuli. (Privatltel.) Die „Znfor-
mation^' meldet aus Paris: Die französische Re-
eierung ist sich noch nicht schlüssig geworden dar-
über, in welcher Zahl dextsche Arbeiter für den
Wiederaufbau erwünscht sind. Bei der Uebersen-
dung grotzex Arbeitermasscn aus Deutschland hegt
man Bedenken, dah sich mrter diesen bolsche-
mistische Elemente befinden könnten. D'e
französische Negicrung ist in Unterhandlungen mit
England und Italirn eingetreten', um von dort
Hilfskräfte für den W'iederausSau dex zer-
störten Eebiete ;u erhalten. EnglFche und italie-
niiche Arbeiter sollen angeblich für hohe Löhne
aufgefordert werden, sich nach Frankreich zu be-
gcbcn.

Wiederaufnahme der diplomatischen und
wirtschaftlichen Beziehungen
Basel, 16. Iuli. (Privattel.) Paviser Dlätter
melden: Die franzöfischen Grenzen und
Häfc-n bleiben ffir die Deutschen vorläufig ge-
schlosssn. Ni'r in driugenden Fällen werden
Dcutche die Ee:-bmiaung c-rbaltsa, sich für kurse
Zeit m> Frankr ich aufzubalten. Die französische
Ncgieruna wird cinen ESschäftsträger und mehrere
höhcre Kontrolloffiziere nach Berlin sen-
don. Für 'den Handel, namentlich für die Fatb-
induistr'vg. weiden Sachverständige crnanni, jedoch
Attachees werden offiziell n'thl erniannt.

(!) Eenf, 16. Iuli. (Privattel.) „Infor'mation"
meldet aus Londoni Di.e englische Regierung wird
nach Ratrfizierung des Fricdens durch das Parla-
ment einen Gesandten nach Berlin senden
u.iid die nornralen diplomatischcn Bezi-e-bungen m'it
Dcutschland wi--der aufnehmen. Militäv- und Ma-
rineattachees wer'cen nicht nach DcutMand ge-
sandt, dagegew ein Handelsattachee, welchen Postrn
rxorauSsichtlich Sir Oppenheimer. früherer
Hanidelsattachee inr Haag, bekle'iden wird.'

(.) Zürich. 16. Iuli. (Privattel.) Der.^S-'colo"
mcldet: Die italienrsche Regierung wivd
alle EinschräNkungen im Berkehr und den Bezio-
hungen mit Deutschland sofort imch dex Ratiff-
zierung des Fr'iedens aufheben. E'me Kon-
trolle der einrcisenden Deutschen blerbt bvstb"n, um
den Erntrrtt vcm Bolfchewisten in Ztalien zu ver-
kiiidern. Dre Zensur für Postsendungen aus
DeutMand wird aufgekoben.

--- Vasel, 16. Iuli. P(ivattel-) .Meiwyo^ He-
rald" evfährt, dntz Amerika mohrere offisiells
Handelssachvierständige nach Deutschland
sendmr werde. Desondere Handelsattachees wer-den
vorausstchtlich nach Berlin und München en-tsandt,
somi>7 Vertveter fiir Hamburg, Danzig und Kvln.
Die Post- und Telegvammsverre gegen Deutschland
wird vollkommeir aufgehobew. In dea ameriki--
nis-chey Häfen werd"n besondere Vorschviffen er-
lassen. welchg geheime Einwanderungen von derit-
schen St-aatsangohörigen unmöglich nrachen
werden.

Unterwegs nach Dentschland
-- Basel, 16. Zuli. (Privattel.) Die Dailn
Mail meldet: 30neutraleSchiffe bcfin-
den sich, von Holland kommend, nach deut-
schen Hafenplätzen nnterwegs. Zhrc
Ladung besteht aus Kolonialwaren, Lebens-
mitteln und Jndustrie-Erzeugnisien. Mehrere
englische Dampfer sind mit Zndustriewaren an
Dord gleichfalls nach Hamburg ausgelaufen.
Auch ans Newyork und Vuenos-Aircs wird die
Abfahrt von Schiffcn mit Waren sür Dentsch-
land gemeldet.

ZweiNoLender deutschenRegierung

Dre Leutsche Negi'rung hat cvw Clemence>au zwer
Noton wbgosandt. Die erste Note entbält die
Mitte-ilung, datz dcr Negierungsvräsid nt v. Starck
zum ReichÄkomurissar ffir die besotzten Eebiotc tin
Mosten Deutschlands ernannt woud n ist. Die
zweite Nots fordcrt die Franzoson.-auf. e'me Konr-
misston zu -e nennon sur Abnahme d"r ab-
getretenen Gebieto von Eupen und Mal-
mody, soavibe des Saarkohleng^biet-os.

Oisputstio soeiaHstiea
im badischen Landtag

Von Dr. Zulius Curtius-Heidelberg

Seit einigen Tagen lregt der amtliche Bericht
über die Sozialisierungsdebatte des Landtags vor.
5 Akademiber und 3 Praktiker haben 2 Tage lang
ihren ganzen Witz aufgeboten, um das schwerste
Nätsel unserer inneren Politik zu lösen. Der Druck
ihrer Reden umfatzt ein Buch von 75 Seiten. Es
ist im ganzen schwer verdauliche Kost, «rin greu-
licher Eallimathias.

Die Mehrheitssozialdemokratie hatte die Zn-
terpellation über den Stand der Sozialisierung
in Baden schon vor Monaten eingsbracht. Bisher
waren Regierung und Landtag mit andereir Din-
gen zu sehr beschäftigt. um einer Sozialisterungs-
debatte unbeschränkte Zeit widmen zu können.
Durch Verfasiung. Eesetze und Verordnungen einer-
seits, prakt'.sche Vertzeilung mit Hilfe der Lohn-
schraube andererseits, war auch inzwischen die So-
zialisierung schon so weit fortgeschritten, datz die
Jnterpellanten von der Regierung nur die Ant-
wort erwarten konnten: „Jch habe schon so viel für
Dich getan. datz mir zu tun fast nichts mehr übrig
bleibt." Abcr dem „stürmisch emporlodernden Ver-
langen des werktätigen Volks" geht die Verteilung
noch nicht schnell genug. Deshalb beschlotz am 3.
Mai dis Landesversammlung der Arbeiterräte in
Durlach wie lange noch wird diese Nebenregi-e-
rung geduldet? — von Regierung und Landta-i
eine „klipp und klare" Erklärung zu fordern.
welche Sozialisierungsmatznahmen für Baden be-
absichtigt wären. und schickte den Abgeordneten Dr.
Kraus als Znterpellanten und Sprecher und das
berüchtigte Gespenst „mit dem wildwehenden Lok-
kenhaar und den erzenen Sandalen an den Fützen"
als seinen Begleiter in den Landtag.

Die Landesversammlung der Arbeiterräte ist
schwerlich auf ihre Rechnung gekommen: die Re-
gierung hat durch den Arbeitsminister Rückert nach
feierlicher Feststellung des Endes der Kapitals-
vorherrschaft- für den Beginn der goldenen Zeit
des Sozialismus auf die Matznahmen der Reichs-
regierung verwiesen und für Vaden nur eine
..ernsthafte" Prüfung zugesagt. wie weit hier im
Nahmen der reichsrechtlichen Regelung oder da-
rüber hinaus die Voraussetzungen zur Sozialisie-
rung gegeben seien: die Verichte übor die zweitä-
,7 - - Ber""ndluna aber wcrden sie wenig beffiedigt
haben. die Zeitungsbexichte nicht wegen ihrer
Kürze, der amtliche Bericht nicht wegen seiner
Länge.

Der Landtag ist nun aber nicht nur Diener der
Arbeiterräte. sondern Diener des ganzen Volks.
von d'.esem als höchstes Staatsorgan und zugleich
Forum der öffentlichen Meinung eingeseht. Das
Wesen der Politik ist Handlung. nicht Betrachtung-
Kleine Anfragen. Znterpellationen, Kundgebungen
müsien das Volksganze fördern. das politische
Loben beeinflusien, die öffentliche Meinung anfkrä-
ren. Akademischs Erörterungen übrr politische
Probleme gehören so wenig in den Landtag, wie
cin Eelehrtenstreit über w'.sienschaftliche Frag:n,
mag der Landtag auch das formale Necht dazu
nach Par. 29 der Verfasiung haben. Znsb?sondere
gilt das von der Eegenwart. wo mehr als je tat-
kräftiges Handeln. nicht unfruchtbares Ncden not
tut und wo. wenn schon mal geredet wird, die tech-
nischen Mittel für eine erschöpfendr Berichterstat-
tung nicht ausreichen. Die offenbare Befriedigung
des hoben Hauses. über ein so verwickeltes und
gleichzeitig so gruseliges Problem wie die Soziali-
sierung so ..gemiitlich" diskutffrt zu haben, wird
von der öffentlichen Meinung nicht geteilt wer-
den. ^^

Wird aber wenigstens derienige der sicki d-r
Mübe unterzieht. den amtlichen Bericht eing'hend
durchzuarbeiten. zur Klarheit über die Soff-rl sie
rung. im allgemeinen. die Absichten und Ziele der
Negierung und Parteien in Vaden in einzelnen
Zweigen gelangcn'" , ^

Der Landtag hat den Ebrgeiz gehabt. den Be-
griff dcr Sozialisierung übcrhaupt festzustellen.
Das ist ihm zweifellos nickt gelungen. Marx und
sonstig-r Autoritäten der Sozialdemokratie sind zi-
tiert worden. Die meisten Nedner haben eigene
Definitionen gegeben. Zmmer wieder wurde um
den Preis für die bcste Lösung der Frage: was ist
Sozialismus, Sozialisierung? gerungen. Aber der
Abgeordncte Muser hatte recht: „Sozialismus ist
immer dcr Herren eigener Eeist." Das war zu er-
warten, seit die Mebrheitssozialdemokratie in klu-
g>?r Taktik ihr Klasieninteresie zu verbergen und
die Sozialisierung zu einer Angelegenbeit des
Volksganzen zu stempeln versucht hat. Die Ver-
wirrung der öffentlichen Meinung ist seitdem un-
erträglich geworden. Das spiegelte sich im Land-
tag wieder. ^ ^ _

Di-2 soziüldemokratischcn Redner unterfchieden 3
Seiten der Sozialisierung: 1- VergesellsAaftung
dcr Produkti-onsmittel. Versiaatlichung. Koinm-u.
nalisierung. 2. planmätzige Negelung von Produv
tton. Handel und Konsum: „Planwirtschaft". 3
 
Annotationen