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lUnabhängige Tageszeilung)

Verkündigungsblatt sür Nordbaden und die angrenzenden Teile von Bayern, Hessen und Würltemberg.

Nr. 176 Freitag, den 1. August 1919 61. Iahrgang

Das Wichtigste vom Tage

Die Verfassung des Deutschen Reichs wurv« ge-
stern mit 262 gegen 7S Stimmen bei einer Stimm-
cnthaltung angcnommen.

Die Reichsrcgierung veröffentlicht Dokumente
aus der Zeit von August bis Novbr. 1918 betr„ die
Beratungen von Reichsregierung und Oberster
Hecrcsleitung, die zum Waffenstillstand am 9. No-
vemüer fützrten.

Zn Basel wurde gestern Mittag 12 Utzr der
Eeneralstreik erklärt.

Der Luftpostoerkehx von Verlin aus lst wegen
Betriebsstoffmangels von gestern Mlittag 1 Uhr
an wieder eingestellt worden.

Der Vatikan stellt in einer Note die Darstellmrg
Erzberger über seine Friürensaktion von 1917 als
vnrichtig hin.

Privatmeldungen zufolge nehmen die Unruhen
in Strahburg revolutionären Charaktcr an.

Die süddeutschen Finanzministex weigern fich
entschieden der Vereinheitlichung der Steuervee,
waltung zuzustimmen.

Aus Vaden

Zm Landtag kamen die Schnapsschiebungen der
Mannheimcr Lebensmittclkontrolleure zur Sprach:.
Ministeer Remmele erklärt, die U. S. P. und der
Arbeiterrat haben die Schieber ins Lebensmittel-
amt als Kontrolleure entsandt.

Die Stratzburger Streikunruhen

scheinen einon gröberen Umfang anöunehmcm. Wic
<ms Privcrtn-achrichten su erkennen ist, tragen sie
emsn geradezu revolnttonären Charakter. Die
Streikenden grrffen das fran-östsche Militär an,
töteten eins grötzere Ansahl von Soldaten und
mchrere Offisiere imd warfen einige in die Jll.

Die Mlitärbehörde hat Demonstrationen und
>Kundgebungen jedetr Art vorläufig vevboten. Die
vevbafteten Demonstranten kommen vor ein Krregs-
gericht. Die Zonsur rst verschärft u. läht Mittorlungen
üöer die Ausschreitunsen nicht vassteron. Die
Strastburger Bovölleruug hat früher nie rrgend-
ivclchen repolutionäron Elan geselgt; es müsseu
also schan autzerordeirtliche Mtzstäude sein, die su
dresen Ausbnüchen der Volkssosle, drs noch im No-
vember und D^omber den bla-u--werß-roten Farden
geradegu wüvdelos entgogengeiubolt hatte, t?eführt
haben.

Volksabstiinmung in Koburg

Zur Anglroderung Koburgs an Bayorn wird ge-
meldet, dah im ehemalrgen Herzogtum Koburg
eine Volksdefragung darüber stattfinden rvird, ob
unter dcn beroits besprochenen Verelndarungen dcr
^luschlutz Koburgs an Vavern erfolgen soll. Wre
der „Münchener Zertung" aus Bamberg noch ge,
meldet wird, befindet sich unter den Bodingungon,
untcr dencn sich Koburg anschließen soll, auch die,
dah für den Bereich des bischerigen Herzogtums
Koburg zwei Abgeordnete rum bayerischen Land-
tag zugestanden mnden.

Zum Anschluh Koburgs an Bayern

wich amtlich aus Bamborg mitgeteilt: Zn letzter
Zeit fanden wiederholt Besprechungen zwischen den
vtaatsregierungen zwecks des Anschlustes Koburgs
an Vayern statt. Es wurds Uebereinstimmung da-
dl" erzielt, datz das Theater rn Koburg erhalten
vlelbt, die Sammlungen in Form einer Stiftung
weitnbestehen und die vorhandenen Schulen und
beibehalten werden. Autzeridem verpflich-
rere stch Vayern zum Bau von zwei kleinen Eisen-
^wischen Koburg. dessen Bewohner Fran-
77." imd, und Bayern bestehen seit langer Zeit enge
"""ichaftijch^ Beziehungen und dadurch ergibt sich
AUch, datz die Parteien des bayrischen Landtages
lv"l:en, den Wünschen Koburgs auf Anschiutz
an Bayern zuzustimmen Die endgültige Entschei-
vung wird nunmehr durch Volksabstimmung in
^roburg getroffen.

Das Zerbröckein -es Solfthewismus

Lenin rust um tzilfe

Die russische Sowetregierung versendet durch
das Jnformationsbureau ihres auswärtigen Volks-
kommisiariats an alle sözialistischen Parteien, Zei-
tungen und Eewerkschaften Funksprüche, in denen
die wirkliche Lage Sowjet-Nutzlands dargelegt
wird.

Jn einem 'Funkspruch vom 18. Zuli wird die
wirtschaftliche Lage des Landes beschrieben. Es
heißt da u. a.: Der von den Verbündeten geführte
Krieg verschlingt eine gewaltige Menge lebendiger
Kräfte des Landes. Die Blockade der Verbündeten
trennt das Land von der ganzen Welt. ihr ver-
dankt es den Mangel an Maschinen aller Art und
Zndustrieprodukte. die zu einem normalen Wirt-
schastsleben unumgänglich erfoyderlich sind. Jeder
Arbeiter und Bauer sieht völlig klar, datz ein Sieg
der Eegenrevolution die Lage nur ungeheuer ver-
schlimmern und zu allem Hunger und allen Ent-
behrungen noch der Schrecken des weitzen Terrors
und der politifchen und wirtschaftlichen Neaktion
hinzukommen würde. Auf diesem Bewutztsein ruht
di,e ganze Handlungsweise.

Die Einmischung des englischen Zmperialismus
in Turkestan und die sich daraus ergebende Unmög-
lichkeit der Baumwollausfuhr ruiniere die Baum-
wollgegend, die zu den reichsten der Welt zähle.
Das Bewässerungssystkm wird sich bald in einem
solch schlechten Zustande befinden. datz eine Bebau-
ung kaum noch möglich sein wird. Ebenso ist es im

^lasus, wo die Petroleumindustrie von den Eng-
tandern ruiniert wurde. Allein in Baku betragen
die Petroleumvorräte 3 Millionen Tonnen. Dank
dem Ausfuhrverband der Engländer verkommt es
m Massen. Die aufs Haupt geschlagene KoUscbak
armee vernichtete bei ihrem Nückzug 219 Schiffe,
die auf der Kama in ihre Hände fielen und im
Donezbecken setzten Weitzgardisten die Bergwerke
unter Wasser.

Trotz dieser äutzerst ungünstigen Umstände und
trotz der barbarischen Methoden der Eegenrevolu-
tionäre, die gegen uns kämpfen. ist die wirtschaft-
liche Lage Sowjetrutzlands solide. Zede Hoffnuna.
mit uns durch Erschöpfung fertig zu werden. ist
aussichtslos. Der von den Verbündeten geführte
Krieg und .die wirtschaftliche Sperre fügen nicht
nur Rutzland, sondern allen europäischen Ländern
einen gewaltigen, unersetzlichen Sckaden zu. Rutz-
land. das vor dem Kriege dem Auslandsmarkte
bcstimmte Nohstoffe lieferte, hat wäbrend der letz-
ten Jahre bedeutende Vorräte angesammelt. So
stehen zur Derfügung der wirtschaftlichen Organe
der Sowjetmacht über 200 000 Tonnen Flachs, etwa
100 000 Tonnen Hanf alter Ernte. die neue Ernte
verfpricht überreich zu werden und wird für de
Austausch mit dem Auslande noch grötzere Ueber-
schüsse ergeben. Es sind grotze Mengen an Leder,
Pelzwaren, Rotzhaar und Metallen vorhandei'
ohne das Holz zu erwähnen, das Europa zur Wie-
derherstellung der durch den Krieg vernichteten
Bauten so notwendig braucht.

Sowjetrutzland glaubt fest daran, datz die Ar-
beiter der Ententeländer die nötigen Mittel fin-
den werden. um ihre Regierungen zu zwingen, die
Vlockade Nutzlands aufzuheben und künstighin dle
anarchistische Zerstöruna der Reichtümer Nutzlands
und ihrer Zndustrie mit den ihnen wirtschaftlick
verbündeten Ländern einzustellen.

''Dieser stolzen Aufzählung des russischen Neich-
tums an natürlichen Hilfsquellen steht ln aller-
dings nur scheinbarem Widerspruch die Tatsache.
datz die Vevölkerung massenhaft Hungers stirbt.

Die Zurückdrängung Sachkundiger durch dema-
gogische Schreier. die kystematische Ertötung aller
Arbeitslust. das Fehlen jeglichen Verantwortlich
keitsgefühls der Allgemeinheit gegenüber, alles
Folgeerscheinungen der bolschewistischen Lehre.
zwingen eben ein Volk auch in der Nähe gefüllter
Schüsieln zum Hunger. .

Was geht in Nuhland vor?

Ueber die furchtbaren. in Nutzland herrschenden
Zustände verbreitet „Daily Mail" vom.21. 7. fol-
genden Bericht eines hervorragenden russischen Of-
fiziers aus Helsingfors. der in lctzter Zeit in Pe-
tersburg gelebt hat, dort verhaftet werden sollte.
sich aber diesem Schicksal durch die Flucht entzog
Das Blatt schreibt:

„Petersburg ist eine Stadt von Sterbenden und
wird bald eine Stadt der Toten sein, wenn nicht
schleunigst Hilfe kommt. Wenn Eeneral Manner-
heim mit der finnischen Armee jetzt die Stadt ent-
setzt, wird er mit Blumen begrützt werden, eine
Berzögerung aber nur von einem Monat wird die
Blumen in Verwünschungen verwandeln. Eewöhn-
ltche Menschen können die unter der Volschewisten-
herrschaft in Petersburg herrfchenden Zustände

nicht mehr ertragen. Täglich finden 70 bis 90 Hin-
richtungen statt einschlietzlich barmherziger Schwe-
stern. Ein siebenjähriges Mädchen wurde als
Spionin erschossen, weil sie sich nach einem be-
stimmten Soldaten erkundigt hatte. Verhaftungcn
finden täglich 2000 statt. Die Petersburger Ar-
beiterschaft befindet sich in einer ganz verzweifel-
ten Lage; alle müssen zwangsweise Ueberstunden
arbeiten. was die Sterblichkeit in erschreckender
Weise erhöht. Die Arbeiter sind so ermüdet und
unterernährt. datz fast gar keine Arbeit mehr gelei-
stet wird. Die Maschinen wer-en nicht mehr in
Ordnung gehalten, Unfälle werden unterdrückt.
für je acht Fabriken gibt es nur einen einzigen
Arzt, und die gesamte Zahl der gelernten Arbeiter
Petersburgs ist dergestalt auf 12 000 herabgesetzt.
Die Bevölkerung Petersburgs ist von 3 Millionen
vor dem Kriege durch Hunger und Typhus auf
eins halbe Million gesunken. welche meist aus
Frauen besteht. Besonders schwer ist die Arbeit
für den schweren Lastwagendienst. Die Arbeiter
werden wie Sklaven behandelt und wegen Unfä-
higkeit oder bei Versäumnissen verhaftet und er-
schossen. Wegen Mangels an Arznei und Heilmit-
teln befindct sich d e ländliche Bevölkerunq in ähn-
lich kritischer Lage. Jn einigen Dörfern ist die
gesamte Vevölterung ausgestorben. Eegcn Ende
des Winters lagen alle Stationen der Eisenbahn-
linien nach Woronesch. Kursk, Orel, Tula un.d
Moskau voll von Leichen. die Leute waren im
Zuge gestorben und auf der ersten Haltestelle ein-
fach hinausgeworfen worden. wo sie unbestattet
liegsn blieben.

Aus Vukarest wird gemeldet: Unsere (die ru-
mänische) Radiostation hat einen Funkspruch aus
Moskau aufgefangen, demzufolge Trotzky in einer
vorgestern in Moskau abgehaltenen Sitzung der
Sowjetregierung u. a. erklärte, datz die Lage in
Sowjetrutzland täglich kritischer werde. Die vor-
übergehenden Siege der russischen Roten Heere wer-
den an dieser Sachlage nicht viel ändern können.
Ein Teil der Roten Earde habe stch dem Feinde
ergeben. Die Ernährungslage Rutzlands sei gleich-
falls sehr ernst: es sei zu befürchten. datz Rutzland
sich in der nächsten Zeit weder Gctreide noch Eisen
werde beschaffen können.

Zm englischen Unterhause teilte Cburchill
mit, datz die englische Regierung die Absicht habe,
die Truppen schleunigst aus Nutzland zurückzuzie-
hen. Er setzte auseinander. datz Koltschak und De-
nikin dadurch. datz sie zwei Drittel des gejamien
Lolschewistischen Heeres festhielten, die kleinen Na-
tionen gerettet hätten: ferner verwies Churchill
darauf, datz das Eleichgewicht in Zentraleuropa
in verhängnisvoller Weise gestört sei. wenn Eng-
land nicht fortfahre. Koltschak und Denikin mit
Material zu versorgen.

Gegenrevolutionärer Vorstos; auf Petersburg

Helsingfors, 31. Juli. Das ingermanländMe
Freikorps, das sckt Wochen dio fiiünische Erc>nse bei
Kmvklo geOcii dre Volschcwisten verteidigt, rmtar-
nahm eiiren Vorstotz in dcr Richtung cruf Peter«-
burg. Di« fiimrsche Regierung stellt jedon Zrisanr.
menhcmg mit dem Unternehmen 'in Abrede.

In Budapest

kam es am ALontag abond zu grosien Kundgebun-
gen der Metall- und Giotzeroiarheiter segen dia
lSowjetvegiernng. Die roten Truppen, welche ge-
gen die> Denronstvanteir ckufgoboton wuvden, vcr-
weigerton den EeHorfam> Es nrutzten Terrortriu--
pcn in Autos horheigesogen wevdcn. wo«bev sich or-r
rogelrochtes Gofccht entwickelte, das drei Toto unv,
sahlreicho Devwundete forderte.

Der rumänische Vormarsch

Eine HavasIdeVcfcho moldet: Dle rote lAIrnrco-
loitung der Bndaiposter Kommuniston hat biei Ler
rnmänilschon Avmee-Oberleitung um eincn Waffon-
stillstcrnd nachgefucht. Der Waffenlstillstand ist ver-
weigert worden. Die Ruinänen stohon nur noch
etwa 22 Krlometer von den äutzeren Vorstädten Diu--
dapests, ontfernt. Trotzdem weigevn sich Böla Kun
und sewne Räteregierung vor der Entcnte zu kavi-
tulieren. Sie stahen auf donr Standpunkte. daitz von
dem Svstem der Diktatur des Proletariats iricht
abgewichen werden kann. H'mgogen sin.d die
Avbeiterräte genoigt, auch iiber dio Forderungen
der Entente beyüglich e'mes Systenvwechsels su ver-
handeln. Die endgültigo Entscheidung dürifto in
d-er heutigen Versammlung der Volksbeauftragton
fallen, wo wuch der Rücktritt Bela Kuns heschlos--
sen werdvn dürfte.

Der Weg ins UngMck

Dsutschlantd war 1870 sur ouropäischen Erotz-
nracht gcrworden. Danrals sprwh Moltke warnend das
nachdonkliche Wlort:„Wir miisiön noch 50! Zahro unser
Pulver trockon halten!" Er wlutzte, dcktz 1870 ks'n
Mschluh, sond-ern ein Airfang war. datz DsutschlanV
seine Stellung in der politischen Konstellation drr
AZrlt erst noch zu wählen hatte. Zwei Wegs boten
sich hiorbei. Der traditionells ZusaMmenhalr
mit Ri'lßlanid hätte DeutschlanÄ in Eesensatz xu
Oestevceich und in weiterer Folge auch zu Englano
gebracht. Dio Vorständigung mit England HLtto
Doutschlands Handelsoniw'ickelung Schranken, wenn
vielleicht auch weit gcgogene Schranken gesetzt, aDer
auch den Gegensatz su Rutzland bedeutet. Bismarck
wählte alsi Fahvweg swischcnr Scylla und Charybdis
Len Doeibund. Er hoffte und versuchto dcübe:,
Deutschland die russischo „Rückendeckuug" zu e:Har-
ten. Je länger, je mclhr erwies sich diese Hoffrmng
als tvügerisch. Hatte Bismarck auf der Erkenntms
der „Politick als Kunst der lAIushilfen" Lemchend-r
Ausweg der Wolt auf lange Zcchre den Friedon
erbalten können, die Wcchl swischrn Qst und West
konnte er wohl auWicibon, auf die Dauer Deutsch-
land äber doch nicht ersparen. Datz die nachlbis-
nvarckiaitische Polrtik sich weder für das eine noch
das andere klar zu entscheiden vernrochte, datz jre
voösuchte, unter Entwickelumg der beutschrn Mcrcht-
stellung, in ILGerschä'tzung dex tatsächlichen Kra>!
des Dvoibundos, insbesondeve der Stärke Qesber-
reichs und der Bündnistreue Jtaliens sich swischen
swcf MÄglichkeiten zu behauvten, das hat sich aks
Fehler ermicsM. Der überkegenen englischen Potr-
tik Cduards VH- erleichterten es auf solcher Gvunnx.
lage auch in Einzelheiten erfolgende voliti'chr
MtzgvNe Deutschlands, England und Rutzland rur
Entente zu einigen. Nur die Vevständigmrg mit
dieser Entsnte hätte niun noch etnen gowailttg.n
Krieg verhindern können. Wie wSit Englcmd ars
führendor Staat su solcher Verstälchigung bereit
war. öb Doutschland einorsoits alles zur Ernr»I-
lichung e'mer derartigen Verständigung getan hat,
rn docher noch längst nicht geklärtrn Frage liegt d'.e
Frage nach der Schuld am Kriege inbegriffen.

Diios die llrsachen. Alles andere warrn FoV-
gen. Die Vevanlassuug zuin Kriege gab der östor-
reichisch-sevbische Konflikt. Er stellte Deutschland
vor die Entschciduug, auch jetzt noch sur Ve.stündt-
gung einzulenken, dabai freilich an dex pratondlcr-
ton Stellung als sclbständige Woltmacht Schaden
zu erleiden, oder aber nntevstützt nur oau Oester-
veich Kviog zu fülhren. Die deutsche Politik eiu--
schlotz sich untex Mlehnuckg ersterar Miöglichkoil,
die Gefcvhr dcv zweiten Möglichkciit auf sich -u noy-
men. ALitzgriffe und Schwanken gabrn dabei der
Entento die Hanldbabe, den schlietzlichen Ausbrucy
des sich schon seit Jahvzchnten vorbereitenDcn
Krieges Deutschland m dio Schuho zu schiüben.

Die Marneschlacht im Mnfang September 1914
Lc-deutete das Scheitern des dmtschen Ovevations-
planes schneller Niodevmürfung dcs Westens u. dar-
auf folgender Niederkämpfung de>s Ostens u. dann't
verminderter Aussicht auf eine siegre'iche Du-chfuh-
ruug des Krieges. Wohl war es noch möal'ch, den
Krieg pari zu bc-cuden. Das forderte Verstänv:-
gung m'it Enigland o'rter mit Nutzland. Datz d-e
deutsche Politik trotz mannigfacher Ansätze nichj zu
einer Verständigung mit Rutzland gelangfe, wurde
um so verhängnisvoller als Rutzland schUctzVch aks
Machtfaktor zusammon/brach und nunmehr von don
beiden bisherigen Möalichkeiteu nur noch die wort
schwcrer erveichbare Äes Uehereinkommens mit
England iibrvg blieb. Dies wuvde um so schwierr-
ger, je mehr Ocistorroich erlahmte, je stärker damir
Englands Stellung wurÄe. Entscheidend blkob d;0
Fmge, ob Weitorführung des Kriegos günst'Mio
Verhandlungsmöalichkeiten vevhietz als feiue Be-
oiüdigung, wenn ai'ch mit freilich den Dcrlust Ver
Weltstollung Deutschlan^s Lewirkonden Konzesto-
nen. Datz die deutsche Politik sich nccht su dichen,
Konzesstonon entscheiden konnte, hat nach Anstcht
bc.ka,intor Politik r der weitero Vorlauf d-s Kris-
ges als verfehlte Berechnung evwiesen. Eerechle
Veurteilung darf hierbei ine vergesien. was DoNs.
stimmung und Reichstag zur Llbtretung Elsatz.
Lothringens uud Entschädlgnng Belgfens im Dt»
zember 1916 gesagt hätten«
 
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