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Hauptschristleiler: kurt Fischer in Heidelberg.

Dru» und Derlag: Heidelberger Derlagranstalt und Druckerei, G. m. b. H.

lUnabhangige Tageszeitung)

Verkündigungsblait für Nsrdbaden und die angrenzenden Teiks vsn Bayern, Hessen und Würltemberg.

Das Wichtigste vom Tage

Jn der türkischen Frage haben die SMiier,
ten der vollen staatsrechtlichen AuflS-
sung der Türkei zugestimmt.

Ein internationaler Eewerkschaftskon-
greh soll am 28. Zuli in Amsterdam tagcir.

Der Streik der Bergarbeiter in Porkshire
dehnt sich weiter a us. Er umfaht jeht 2V0 000
Arbeiter.

Zn der Woche vom 20. his 2v. Zuli werden ins-
gesamt 22000 deutsche Kriegsgefaivgene
aus Frankreich abtransportiert werden.

Die Kommission desfranzösischen Senats
verwarf mit 1V Ctimmen gegen 3 bei einer Stimm-
cnthaltung das Frauenstimmrecht.

Beim gestrigen Weltdemonstrations-
streikhat das Ausland nicht mitgrmacht. Nllx
in Dcutschland wurde in einigcn Städten ge-
streikt. Zn Verlin ist es zu einigen belanglosen
Schiehereien gekommen. D«e Bersammlungcn der
Mchrheitssozialisten wurdcn von den Unabhängi-
gen und Svartakisten systematisch gesprengt.

Die Meltstreik-Romööie

Aus Vaden

Da aus drn Prinzen Max von Vaden ein
ommvniftischrr Anschlag geplant war, hat er fich
rit sei»er Familie nach der Schweiz begeben.

Der Frieden
mit Deutsch-Oesterreich

atmet den gleichen Eeist brutaler Nachgier wie
der Fricden mit Deutschland. Jm grotzen und gan-
-en stimmen die Vedingungen mit den Bedingun-
gen für Deutschland überein. ein wesentl^cher
Unterschied besteht nur in einigen Punkten.

Art. 3 besagt, datz eine besondere Unter-
tommission für Schadenersatz gebildet
wird. Die Kommission wird eine allgemeine
Festsetzung über die Fristen. innerhalb deren Oester-
reich zahlen mutz, vornehmen: sie werden sich ins-
gesamt auf 30 Jahre erstrecken und am 1 Mai
1921 beginnen. Jn Art. 5 wird gesagt, datz Oester-
reich 1919. 1920 und die ersten vier Monate des
Jahres 1921 entweder in Gold oder in Schiffen
und Wertpapieren einen Betrag zahlen soll, der
näher festgesetzt werden wird und von dem allge-
meinen Betrag abgezogen werden wird. Als erste
Kosten kommen die für die Okkupations -
armeen in Frage und alle Vorräte, die seither
für die Bevölkerung zur Aufbesserung der Ernäh-
rung gesandt wurden. Jn Art. 6 wird gesagt. datz
alle Rohmaterialien. die Handels-
flotte und alles, was für den matenellen Scha-
d nersatz nötig ist, zugunsten der attlierten und
assoziierten Negierung zur Verfllgung bleiben
mutz. Jn Art. 8 und 9 wird festgesetzt, datz Waren,
die durch die österreichischen Truppen verschleppt
worden sind und auf österreichischem Geb'ete wie-
der aufgefunden werden, sofort wieder ausgelicfert
werd:n müssen, ohne datz dieser Wert in Abzug
kommt. In Art. 10 wird Oesterreich verpfl'chtet,
den Alliierten alle gewünschten Jnformationen zu
erte len. die für die Festftellung der Schäden not-
wend'g sind.

In der zweiten Veilage wird das Prinzip des
Echadenersatzes Tonne für Tonne festgesetzt.
Oesreire'ch mutz innerhalb zweier Monate seine
Handelsflotte und Fischereiflotte
a u ^ l' efer n. Hierin sind einbegriffen sämtliche
vchiffe unter österreichischer Flagge, Schiffe. dic
oiierre chischen G.sellschasten gehören, oder di '
^igentum sind von Eesellschaften in anderen Län
v"rn. mcnn dic Mchrhcit der Anteilc dics.'r Ge
ielllchaftcn in österrcichischen Händen sind, weiter
Sch fse die fiir österreichische Nechnung. gleichviel
vv in Oesterr-.ich oder anderswo, im Bau begr^ffsn
>md. Von dsn Flugzeugen müsssn 80 v. H., die
a>n 7. S vtember 1918 ex.sticrten. ausgcl'cfert wcr
tz-x vicrtcn Beilage werden die Zah-
^uugen. d e Oestcrrcich in natura leisten mutz.
Wgezählt. Als erste Abgabe wird Italien 4000
"Uichtühe, 1000 Ochsen. 1000 Kälber, 100 Stiere
^kliaitcn: Rumänien bckommt die Hälfte davon
"ud antzerd.ra noch 1000 Pferds Serbien crhält
1000 Kühs. 500 Ochfen. 1000 Kälber, 25 Stiere.
1000 Pserde und 1000 Schase.

, Deutscki-Oesterrcich darf eine Armee von
oovOO Mann unterhalten und mutz sich, wie

Das Ausland streikt beim Streik,
nur Deutschland nicht!

Die Aufforderung d r Unckbhängigen,, den 21.
Juli in Gemeinschaft mit den Aribeitern der aesam-
ten Welt su einenr Weltstreiktag sur Fest-
stellung Ä^r internationalen Solidarr-
tät der Aroeiterklsiae u,rd zur Domonstvation ge-
gcn den Deutschland ausgezwungenen Evrdaltfrie-
den zu gestalten, ist, was das Ausland anbc-
trifst, vollständig ohne Erfolg geiblieben.
ZnFrankreich hat dev Ver-waltungsrat des Ar-
bcitevverbandcs die Vertagung dcs Streiks bsfchlos-
scn. Jn England kann vom Stroik überhauvt
keine Rede sein. Wo gestreik.t wivd, handelt sich
um roin wirtschaftliche Streiks, die weit entfevnit
sind üon cin-r Kunidgebung für eine Solidarität
mit der doutschen Arbeitecfchaft und gegen den Ee-
waltfrieden. Jn Jtalien wicd auch nur an
einigen wenigcn Orten gostreitt. Gestreikt wurde
taösächlich nur in Deutschland und vor al.
lem in Verlin. Die ausländischen Avbei-
ter sahen durchaus ein, datz der Schaden, der der
nationalen Avbeit durch einen Streik zugeführt
würde, zu grotz sein würde, als datz er im gegen-
wärtigen Augenblick gerechjfertigt werden könnte.
Wenn sie stncikten, streikten sie aus nationalen oder
w'ltschaftticheu Eründen und vfiffen arrf die Jnter-
nationale. Aber so war es immer fchon und wird
auch so bleiben. Der englifche, französische, itali-r-
nifche und fonstige Arbeiter denkt nur an sich. ledig-
lich der deut,chr Mbeiter jagt dc,n Weltverbrüdc-
rungsphantom nach, lätzt sich zu Streiks und De-
monstrationen mitzbrauchen und mutz kmtevher ein-
sehen, datz cr rvicder cinmal der Eevrellte war. D'.e
Drahtzioher aber. zu deren Programm das ewige
Unrubestiften gohört, lachen sich ins Fäustchen.
Sie habcn ihren Zwcck erreicht, und Miilltonen an
Ärbeitswerten sind wieder vergeudet wotden.
Wann wird endlich in der deutschen Arbetterschast
die Vernunfs üb'r die Verhetzung, die Einsrcht über
drs Parteidognra und dcr Mut d<r Nerantwortl ch-
keii üiber dcn Terror siegen?

In Berlin

ist es. trotz dsr eifrigstcn Anstrengungen der Unab-
hängigen m'.d Kommiinisten zu einonr Eeneral-
streik nicht gekonrmen. Zwar hatten
Stratzen- und Untergrundbahn den Verkshr einge-
stettl. dagcgen fahren die Omnibusie und die Stadt-
Nma- und Vorortbahnen. Trotzdem diesmal auch
die lcbenswichtigen Betriobe. wie Elektrizitäts-
und Easwerk bsstreikt wurden. litt die Wasier-,
Eas- und Elektrizitätsverforgung nicht. Mt Aus-
nahme in drr Reichsdruckerei wurde In allen staat-
lichen und städtischen Vetrieben ebcnso in den
Wacei'hcu.sern gearbeitet. Da d-ie Demonstratioils-
vev'ammlungen unter freiem Hiinmel verboten
waren. fanden einige Umziise statt. die iedoch nur
mittelstarke Beteiligung hatten.

Umziige «nd Schietzereicn

Nach 1 Uhr passicrte ein.Zug von etwa 5000
Unabhängigen d'.e Lindsn. Die Wilhelm-
stratze wurde ra'ch abgesperrt und eine Ta-
fel: „Wer w itergeht, wird erschosicn" wavnte, die
Demonstcanten. Ein Teil der Deinonstranten zog
'ich durch das Brandenb. Tur zurück: der Rest des
Zuges wuide zurückgedrängt und mutzte unter dcm
Drucko der berbeigeführtcn FreiwilligcP! sein Vor-
haben aufgeben.

BT den gestrigen Umzllgen der Unabhängigea
und Kommunisten kam es crm Lustgarten und
Unter den Linden zu einem Zusammen-

sto tz. Em etwa 17jähriger iunger Buvsche crus d:r
Mengs feucrte plötzlich einen Reooloer m die Luft,
worauf die Regievungssotdaten die Menge zum
Auseinandergchen auffordcrten. Als Antwoct fie-
lcnk weitere Schüsse. Nun wurde der Befehl zum
Feuern gegeben, wodurch c.nige Povsonen verlctzt
wurden. Eine Anzahl Perfonen wuiden verhcvftT.
!An anderen Stelle-w der Stadt kam es su Zusam-
menstötzen zwischen Fuhrwerksbcsitzcrn, dio ilne
Wagen zur Beförderung von Pcrsonen benutzten,
u>nd Streikenden.

Die von dex fo,ialdemckratischen Partei einbcru-
senen Demonftrationsverfammlungcn
wurden nach einem einbcitlichen Plan von
dem mit den Unabhängigen symvathi -
sierenden Zanhagel ohne Ausnahme
gesprengt. Zu einem blutigcn Zusam.
menstoh kam es im Eemerkschaftshaus, in wel-
chem dex Nedakteur des Vorwärts, Kuttner. das
Neferat hatte. Als man die Vcrhandlungen wegen
des Tumults vertagen wollte, bcgannen die Un-
abhängigen! und Kommunisten e'ne allgemeine

chietz erei. Zahl'e'ch- Pe.- .l n wurd n m hr
oder minder schwcr verlctzt, darunter auch der
Neferent.

Im Beich

herrschte mangels einer einheitUchen Streikparole
das wi'.dcste Durcheinander. In S v a-r. d a n wurde
gestrE. in der -^iemonsstadt schlugcn Arbeits-
willige die Streikposten in die Fluchi. Jn Bres-
lau, Leipzig und Dresden wurds nicht ge-
streikt. dafür wurdcn abeudü Versammlnngen ab-
ge-halten, ledig<ich ,n Halle und Braun -
schweig, den Hochburgen dcr Unabhängigen,
war dte Arbeit niodergelegt. In Düsseldorf,
M-annheim und Nürnberg kam es zu Tcil-
einstellungen. Dagegen ist der Taa tn München
vollkoimmen ruhig verlaufen. A'.'-tz

in Wien

ist es lodiglich zu Deinonstrationen gckommeir. Die
Zeitungen erichier en nicht. auch verkehrten keine
Stratzonbahncu. Dis Ausrufung der Näterepub.ik
dic ganz bestimmt auf dicfeu Tag non den
Kommunisron angesagt war. ist. wle es scheint.
des ichlechttzn Wetters wegen nocb elmnal vertngt
worden.

Ausland

Frankreich

Versailles, 21. Zu!i. Dcr Nationalrat der
sranzösrschen Eewcrkschasten prüftc s, utc die Frage
des abgesagten G e n e r a l st r e i k s. Der Er-
neralfekretär Zouliour stellte laut Povulaire fcst»
datz dieArbeitermassen nicht geneigt
waren, der Streikaufsorderuiig Folge zu lcistcn, wie
man erwartet baite. Clemcnceau habr erklärt,
datz er mit den schräsften Matznahmen gegen die
Streikenden vorgehcn werde. Trotzdem würde der
Streik durchgeführt worden ssin. wenn nicht in der
Kammerfitzung am Freit 'g klar zu Tnge getreten
wäre, datz man gegen die Teuerung nachdrücklich
vorgehen würde.

Hollnnd

Aais dem Haaa wird dcm Berliner Lokalauzei-
ger gemeldet, datz in den verschiedenen Grotzstädlc'N,
Hollands von eineni G e n e r a l st r e i k n i ch t die
Nede war. Jn Amsterdam streikteu etwa i Zohn-
tel Ler Kommunalarbeiter. In Rotterdam st.e k-
te-n auch die Stratzenbahnec nicht. Nubestörungcn
sind keine aemeldct.

KurWM. von einem Weltstreik ist alfo abso-
lut nicht die Rede. Das ganze ist, wie nicht
anders zu erwarten war. ein fürchterliches
Fiasko der I n t e r n a t i o n a l e.

Deutschland. grundfätzlich für alle aus dem Krieg
entstandenen Verluste und Schäden verantwortlich
erttären. Die Vorkricgsschuld Oesterreich-Ungarns
wird von allen Sukzefsionsstaaten von Oesterreich
getragen. Der Anteil, den jeder Staat an dieser
Schuld haben wird. wird von der Wiedergut-
machungskommission feftgesetzt. An der Kriegs-
schuld nchmen die Sulzessionsstaaten nur bis zu
einem Betrage von 1500 Goldfrancs teil. Hiervon
cntfällt die Hälfto auf Tschecho-Slowakien. die
andere Hälfte wird gemeinsam von Polen, Rumä-
nien und Südslawten getragen. Die Sukzefsions-
staaten kominen ferner für die alten Banknoten
auf, die auf dem Gebiete zirkulieren. Autzerdem

müsien sie die produktiven Domünen des ehemali-
gen österreichisch-ungarischcn Staates und der Ex-
dynastie, die auf ihrem Eebiete licgen, zurückkau-
fen.

Der „Temps" üetont, datz die Anfordcrungen,
die an Oesterreich gestellt werden. so grotz sind, datz
seine Zahlungsunfühigleit llar zutage
tritt. Die Alliierten und Assoziierten mützten also
einen Plan für die Reorganisation aufstellen und
die Kontrolle des gesamtcn wirtschaftlichcn und fi-
nanziellen Lebens in Oesterrcich übernehmen.

* Wilson ist an Dysenterie erkvankt und mntzie
-chne Besprcchunge.n mit den Senatoren absaaen.

England als Beherrscherin
der Ostsee

Noch vor einem Jahre war es Deutschland,
dessen zunehmende Macht in der Ostsee im Zu-
sammenhang mit seiner damals betriebenen
Randstaatenpolitik von den Eegnern wie von
den Neutralen mit wachsender Besorgnis be--
trachtet wurde. Damals standen Deutschland
und Finnland nicht blotz in militärischer, son-
dern auch in wirtschaftlicher Beziehung in eng-
ster Fühlung, und es waren alle Voraussetzun-
gen dafür gegeben, daß nach einem günstigen
Ausgang des Krieges der ganze Ostseehandel
in deutsche Hände übergehen würde. Seitdem
haben sich aber die Verhältnisie von Erund aus
geäudert. Deutschland ist besiegt, seine Rand-
staatenpolitik, über desien Zweckmäßigkeit man
schon damals starke Zweifel haben konnte, ist
über Nacht in Trümmer gegangen, und statt
eines deutschen Vinnenmeeres ist aus der Ost-
see der Tummelplatz der Alliierten, vor allen
Dingen Englands, geworden, das heute dort
beherrschend aufzutreten beginnt.

England findet bei seinem Bestreben, wirt-
schaftliche Veziehungen zum Valtikum und zu
Rußland anzuknüpfen, denkbar günstige Ve-
dingungen vor. Sein Hauptgegner Deutsch-
land ist geschlagen und auf Erund der Frie-
densbehingungen als Eroßmacht von der Ost-
seeküste verschwunden. Dafür ist Polen
mit einer Küstenstrecke von fast 150 Km.
als neue Macht aufgetaucht. Aber da Polen,
das sozusagen damit über Nacht an das offene
Meer gekommen ist, daraus augenblicklich noch
keinen besonderen Norteil als Seemacht ziehen
kann, so wird vor allen Dingen England den
Nutzen von der polnischen großen Küstenstrecke
haben und den Freihasen Danzig nach alt-
bewährter Methode als englischen Stütz-
punkt für die Ausbreitung seiner handelspo-
litischen Fangarme nach Osten benutzen.

Der große Warenbedarf Polens und der
Ostseeprovinzen sowie des russischen Reiches
selbst wird auf diese Weise mehr und mehr
von England und Amerika, die beide in der
letzten Zeit mit bcsonderer Energie ihre wirt-
schaftliche Ausbreitung im Valtikum und Nuß-
lnnd durchgesührt haben, gedeckt werden. Zwar
sin in England verschiedentlich Stimmen laut
geworden, die von einer Ileberflügelung Eng-
lands durch Amerika nach dieser Richtung hin
zu erzählen wußten, aber man darf dabei doch
nicht verkennen, daß es die englische Presie mit
diesen Hinweiscn nur darauf abgesehen hatte,
englische Regierungs- und Handelskreise zu be-
sonders nachdrücklicher Tätigkeit in wirtschaft-
licher Veziehung in Rußland anzuspornen.
Zudem darf man nicht übersehen, daß das
Uebergewicht infolge der Nähe der Flotte zwei-
fellos immer wieder bei England liegen wird.
Wenn man bedenkt, mit welch bewunderns-
werter Eeschicklichkeit sich England vor Iahr
und Tag in Murma n und Archangelsk
geeignete Stützpunkte für seinen Einfall nack,
Nußland schuf, so wird man erwarten müs-
sen, daß es jetzt auch vou den Ostseeprovinzen
aus mit seinem Handel in das Herz Nußlands
eindringen wird. Nicht bloß Danzig wird ihm
dabei ein wertvoller Stützpunkt sein, sondcrn
vor allen Dingen auch das nördliche Stück von
Ostpreußen, das Eebiet von Memel, das nacn
den Friedensbedingungen den „alliierten"
Mächten abgetreten ist. Das bedeutct nach att-
gemcinem Sprachgebrauch und nc.h der geo-
graphischen Lage dieses Stückes des ehema-
ligen Deutschlands nichts anderes, als daß es
an England abgetreten ist. Damit ist
sür England das Eibraltar des Ostens
geschaffen.

Wer England kennt und die in handelspoli-
tischer Beziehung von ihm verfolgten Metho-
den in den letzten Jahrhunderten beobachtet
hat, weiß, daß mit dieser Beherrschung der Ost-
see durch England gleichzeitig eine vollkom-
mene Kontrolle des ganzen Ostseehandels,
mag er nun von Deutschland oder den skandi-
 
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