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lUnabhängige Tageszeitung)

Verkündigungsblatt für Nordbaden und die angrenzenoen Teile von Dayern, Hessen und Württemberg.

Nr. 182

Freitag, den 8. August 1919

61. Iahrgang

Bezugs- und Anzeigenpreis. Die ,tz«ldelb«rger ZelMng' kostet bei jeder Postanstalt
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Heidelberger Jeitung erscheint an jedem Wochentag mittags 12 Uhr. Amtliche» Derkllndi-
gungsblatt. Gratisbeilagen stnd die Heldelberger Familienblätter, außerdem amtlichrr Wohnungs»
anzeiger. Die Hridelberger geitung kann durch alle Poslanstalten, durch di« AgenMren auf dem
Lande^ die Trägerinnrn und bei der Vrschäflsstell« srlbst — Hauptstratze 23 - monatlich und
vlerteljährllch bestrllt werden.
tzauptschriftleiter: üurt Fischer in Heldelberg.
vru» und Berlag: Heidelberger Derlagsanslalt und Druckerei, G. m. b. H.

Das Wichtigste vom Tage

Dee ehemalige Reichskanzler Michaelis
rechtfertigl fein Verhaltcn im Zahre 1917 unÄ be-
tont, vom Kaifer die Ermächtisung erhalten zn
haüe», die Bereitwilligkeit Deutschlands zur Wie-
der-erstell«ng Belgiens zu erklären.

Der ehemalige deutsche Bstschafter in Wien,
Eras Wedel, beweist in den „Hamburger Nach-
richtrn", dab Frankrejch im Zahre 1917 zu einem
Sonderfrieden mit Oesterreich, abex felbst bei
Preisgabe Elsab-Lothringens nicht zu einem sol-
chen mit Deutschland bereit gewesen sei.

Echo de Paris erfährt, dab die erste Schadener-
iahforderung von Deutschland am 1. Avril 1920
nngezosen werden soll.

Jn Wien ist eine «robe kommunistische Verschwö-
rultg z»r EvmoÄ»»„a politischex Persönlichkciten
e.ntdeckt worden. — Der ungarische Gesandte Böhm
ist aus Wien verschwunden.

Die rumänischen Truppen in Bndapest hetrageii
jetzt ca. 70 000 Mann. Die Entente scheint zu b«-
absichtigen, auf dem Wege iiber die Mrlitärdikta-
tur die Mvnarchie in Ungavn wieder einzuführen.

Zn Tri^t rst es zn blutigen Strabenkämpfen ge-
kommen. D-r Metallarheiterstreik in Ztalien
dchnt sich weiter aus.

Zn Newyork ist auf allen Bahnen die Arbeit
völlig eingestellt worden.

Antonia Almeida «urde von der Kammer im 3.
Wahlgange mit 123 von insgesamt 187 Stimmen
zum Präsidenten der Republik Portugal gewählt.

Aus Baden

Wegen Uebernahme dex Oberbürgermeisterftelle
in Karlsruhe sind Verhandlungen mit Geh. Rat
Glocknex und Finanzministrr a. D. Dr. Nein-
bolbt im Gange.

Wiedergutmachungen

Die deutsche Kohlenförderung -

Die ..P. P. N." melden:

Zu Biogm.n dex Kommissivnssitzung am 4. August
erklärte d-er frQN-ösische VorsitzenLxe. der Msinister
Louchenr, dab die Entente bereit wäre. die Mlit-
tcl zu vrüfern, welche von dsutschcr Se-ite vorgeichlcr-
gc<n WÜrÄen, mn mit Hilfe der Alli>k rten dro
deutsche Kohlenförderung zu steigern.

Die deutschen Arbeiter für den Wiederaufbau

Fn der Plencrrsitzung der Komnrissionsnritgl'soder
gab Herr Loucheur die Erkliirung ab. dab er den
aus Wmsterdam zurückkommenden Vorsitzchidsn dor
französiischen Bauarbeiter, ChaDM, nrit dsm deut-
schen Delsgierten Sikberschmidt von der Gervciri?-
fchaft der BauarLeiter rusammenmhren mürde. Er
l'ci der Ansicht, dab dre Amstprdamer Asutzerungn'.
Ehlwvns, won-ach .d-vldtsche, Archeiter in Nordfvcm?-
reich unemvüiricht wäron-, mibverstcrnden sein müb-
!cn. Bei Vesvrechung der EinzelfrageN äutzerte
Minister Loucheur, er dächte sich, dcck DeiutschlanL
nor allen Ding-n die Gegend von Lens und Bcri!-
leul wii"der cvlifbcruen würd«. Auch hielt er os für
dringevd erwünscht, datz Deutschlnnd eine' inöglichst
LrEe Anzahl Hilfsarbeiter sür dis französische
Landwirtschaft in Nordfrankreich zur Veiffügunü
stellen sollte. Das Verhältnis der frcrnzüsifchen
ä?vm/rr>r zu deir deutschen Kriegsgefansenen ssr gut
Zewsfisn. dah-r alackbe er, dab hierbei die Beschäf-
t^sung deutschsr Arbeitstrüfte wohl die gercngsten
^chwierigkeiten Lieten wüvde. Nach e'mgohendss
' USslvrache wurde die Eründung verschiedener Un-
terkommissionien b'schlossen.

Die Derhandlungrn über die Dereitstellung von
deujschen Aübaitovn für di« Wicidsrheüstelllungsor-
beiton betrsffsir eine Arboitevfchaft von 600 000
Mann.

Die erste Rate

Echo de Paris will wissen. datz die Alliiertl'n d'is
«Oe Rate der Schadenerfatzforderung un De'.itsch-
land cun, 1. Avril 1920 eiirzieben werden.

Itr Wkillilintk enMe

Eine Erklcirung Michaelis

Der frühere Reichskanzler Michaelis äutzert sich
jetzt ausführlich zu den sogenannten Enthüllungen
des Herrn Erzberger. über sein Verhalten im Jahre
1917 und lätzt sich die Nichtigkeit seiner Ausfüh-
rungcn von Hindenburg Ludendorff und Helsferich
bestätigen. Er führt aus, datz ein Schreiben des
Münchener Nuntius am 5. September in Berlin
eingetrosfen seü nach welchem eine befriedigende
Erltärung über dio Absichten Deutschlands bezüg-
lich Velgiens ein bedeutender Schritt zu Verhanv-
lungen mit Erotzbritannien sein würde. Er sei
mit Herrn von Kühlmann der Meinung gewesen.
datz aus dem Kommentar des Kardinal-Staats-
sekretärs hervorgehe. datz die starke Möglrchkeil
eines ernsthaften englischen Friedensfühlers vor-
liege, datz jedoch aus dem Text des englischen
Auswärtigen Amtes stch die Ernsthaftigkeit der eng-
lischen Bereitschaft auf einer fiir Deutschland an-
nehmbaren Erundlage, in Friedensverhandlungen
einzutreten, sich nicht ergebe. Er sei infolgedejsen
mit Herrn von Kühlmann übereingekommen, zu-
nächst durch cinen neutralen Diplomaten die engli-
sche Regierung sondieren zu lassen. Das Einver-
standnis des Kaisers zu seinem Vorgehen habe er
am 1. September eingeholt. Er fei der Ansicht ge-
we^e.i, datz dcr Schritt des Münch-'ner Nuntius die
vorsichtigste Behandlung erfordere. Allen in Be-
trrchl kommenden Jnstanzen, wie auch der Obec-
sten Heeresleitung, sei deshalb nur ' mitgetrilt
worden, datz von neutraler Seite ein Schrirt ueier-
nommen wor,den sei, der auf einen englischen Frie-
densfühler schlietzen lasse, die Wiederholung der
territorialen Integrität und der Souveränität Bel-
giens sei Äe Voraussetzung. Jm Kronrat vom 11.
September habe er. unterstützt vom Staatssekretär
des Auswärtigeu, den Antrag gestellt, eine dies-
bezügliche Erklärung erlassen zu dürfen. Der Chef
des Admiralstabes habe erklärt, die flandrische
Küste müsse in deukfcher Hand bleiben. Die Ver-
tretung der Obersten Heeresleitung habe sich
hin geäutzert, datz die militärische Kontrolle über
die Festung Lüttich nnd Umgebung auch in Zu
kunft erwünscht sei. Der Kaiser habe sich aber im
Sinne seines Antrags entschicden. mit dem Vorbe-
halt einer erneuten Prüfung, falls der Derzicht
auf Belgien nicht bis zum Jahresende den Frie-
den sichern und so einen neuen Kriegswinter erspa-
ren sollte. Auf dieser Erunhlage sei der neutrale
Vertrauensmann instruiert und hinzugefügt wor-
den, unsererseits sei die Voraussetzung für Ver-
handlungen mit England die Erhaltung unseres
Vesitzstandes vor dem Kriege einschlietzlich der Ko-
lonien, der Verzicht auf Entschädigungen und die
Abstandnahme von dem Wirtschaftskriege nach dem
Kriege.

Der Brieswechsel zwischen ihm un- Hindenburg
vom 12. und 15. September 1915 ändere an diesem
Sachverhalt nichts. Es habe sich bei den Wünschen
bezüglich Belgiens nicht um Vorbehalte gegenüber
England, sondnn um Ziele für Verhandlungen
mit Belgien selbst gehandelt. Die Denkschrift Lu-
dendorffs habe nur den Zweck einer schristlichen
Niederlegung seiner im Kronrat gemachten Aus-
führungen gehabt.

Die Aktion des neutralen Vertrauensmannes
sei in keiner Weise eingeengt oder erschwert wor-
den, sei jehoch schlietzlich gescheitert. als sich her-
ausgcstc.ltl habe, datz auf der von der deutschen
polit.schen Leitung umschriebenen Erundlage die
durchaus der'Reichstagsresolution vom 19. Juli
1917 entsprach, bei der britischen Regirrung kelner
Geneigtheit zn Friedensvcrhandlungen bestanden
habe. Der Kard.nal-Staatssekretär und der Nun-
tius in München haben der Mitteilung des cng-
lischen Auswärtigen Amtes eine ihr nicht zukom-
mendo Bedeutung beigelegt.

Michaelis schlietzt mit folgenden Worten:

Ich weise somit die gegeh mich erhobenen Vor-
wllrfe zurück. in meiner Eigenschaft als Rsichs-
kanzler irgend etwas versäumt zu haben, was bei
dem Vorliegen einer ernstlichen Verhandlungsbe-
reitschaft Englands hätte zum Frieden führen kön-
nen. Desgleichen wcise ich die gegen den Feld-
marschall von Hindenburg, den Eeneral Ludendorff
und den danlaligen Stellvertreter des Neichskanz-
lers, Dr. Helfferich, erhobenen Anschuldigungen zu-

. Wegnahme dcutscher Maschinen?

Minister Louchmr, dex sich vorac-stern stt Lille
«n'rhielt, mklävte vor der dortigen Hcrndelskam-
mer, 'ducch Wagnwhms könnten gechädigte Jndu»
strielle in deutschm Mabriken Maschinen bis zu
30 Prozcnt des N iftanldes Leschlagncvhmen. Die
FabrlÄmten hätt-en crutzevdem d<vs Recht. neu«s
Aiaterial in Dentschlaud zu bestellen. d>as mit
Lmer Spozialmarre vsrsehen werde.

Wler W>» Z»hre M

rück. Diese Herren waren sämtlich an der diplo-
matischen Aktion in keiner Weise beteiligt, ste ha-
ben nichts getan, wodurch die auf den Frieden ge-
richtete Aktion der politischen Leitung in irgend
einer Weise durchkreuzt oder erschwert worden
wäre. , , .,

Mit den genannten Herren spreche ich dre
Ueberzeugung aus, dah die Herbeiführung einer
Aeutzerung des früheren Staatssekretärs des Aus-
wärtigen, v. Kühlmann. in dessen Händen die di-
plomatische Durchführung der Aktion lag, die obige
Darstellung bestätigen würde. Zch halte mit den
genannten Herren diefe Aeutzerung für nötig. um
zur Beruhigung grotzer Teile des deutschen Volkes
beizutragen, die durch -ie wahrheitswidrige Dar-
stellung des Reichsfinanzministers in Erregung
versetzt worden sind. Unterschrift. (gez.) Michaelis.

Die Unterzeichneten bestätigen. datz die obige
Darstellung, soweit sich die Dinge unter ihrer Mit-
wirkung und mit ihrer Kenntnis abgespielt haben,
in allen Punkten den tatsächlichen Vorgängen ent-
spricht.

(gez.): von Hindenburg. (gez.): Ludendorff.
(gez.): Helfferich.

Frankreichs Friedenswille
im Iahre 1917

Zur Klärung der Frage. ob, wie Mathias Erz-
berger behauptet, und die Mehrheitsparteien des
Reichstages bei ihrer Friedensresolutioo am 19.
Juli 1917 glaubten, für Deutschland Friedens-
möglichkeiten ohne schmähliche Unterwerfung be-
standen, bringt der ehemalige deutsche Botschafter
in Wien, Graf Wedel, in den „Hamburger Nach-
richten" einen Beitrag von grötzter Bedeutung.
Er schreibt:

Zm April 1917 sandte Kaiser Karl seinem
Schwager, dem Prinzen Sixtus von Par-
ma, den bekannten Brief, worin er sich erbie-
tet, seinen ganzen persönlichen Einflutz für die
Abtretung Elsatz-Lothringens einzusetzen, um zu
einer Verständigung zu. gelangen. Prinz Sixtus
sandte das Anerbieten der französischen und eng-
lischen Regierung zur Kenntnis. Lloyd Eeorge
empfahl dieses den Bundesgenossen Englands zur
Beachtung, hatte aber damit kein Elück. Frank-
reich wollts sich nicht mit Elsatz-Lothringen be-
gnügen. Jm Mai erschienen die Brüder Sixtus
und Taver von Parma plötzlich in Wien. Nur der
Hof scheint ihren Besuch vorher gewutzt zu haben.
Äuf -ie Frckge des Erafen Czernin, ob an einem
allgemeinen Friedcn gedacht werden könne, in den
Deutschland eingeschlossen werden würde, konnte
Prinz Sixtus zwar nicht mit einem klaren Ja
antworten, erklärte aber, er habe keinen Grund,
die Frage zu verneinen. Czcrnin machto dem
deutschen Neichskanzler sofort Mitteilung. Herr
von Bethmann kam unverzüglich. und zwar am
13. Mai, nach Wien. Da aber Prinz Sixtus die
Bedingungen nicht mitgebracht hatte, waren beide
Staatsmänner der Meinung, datz man die Be-
dingungen besser nicht erwähnen. sondern nur ant-
worten solle, die Mittelmächte seien zu einer Be-
sprechung jederzeit gerne bereit. Die Entente
möge den Modus wählen. der ihr geeignet scheine.
den vom Prinzen Sixtus angeknüpften Faden fort-
zuspinnen.

Die Entente spann den Faden aber nicht
weiter.

Es ist anzunehmen, datz nur an einen Sonder-
frieden mit Oesterreich. aber nicht an einen allge-
meinen Frieden gedacht worden war. Dafür spricht.
datz Eraf Czernin, der weitere Fühler ausstreckte,
später die Mitteilung erhielt, nur zu einem Son-
derfrieden mit Oesterreich sei die Entente bereit,
wenn Oesterreich sich dem Lon.doner Abkommen
unterwerfen wolle. Das Ledeutete nicht mehr und
nicht weniger, als Kapitulation.

Prüft man die Sixtus-Mission und ihre Ve-
han-lung bei der Entente, so ftellt sich heraus. datz
Frankreich ein überaus günstiges Angebot erhielt,
auf das es geradezu hätte springen müssen, wcnn
überhaupt dio geringste Neigung zu einer Verstäm
digking vorhanden gewesen ware. Frankrerch aber
lehnte das Angebot mit einer hochfahrenden Eeste
rundweg ab.

Die deutschen EUter in Elsatz-Lothringen

Der Obsvste Rat von Elsaß-Lothrinaen sprach in
seiner Sitnmg vom 6. August den Munsch nach
bcvldigsber Liqu't'dlierung der deutschen Miter iin E1-
scck-Lothringen a>us.

* Jn Balenzia ist dnrch die andaiuernden
Stre , ks die Lcrge sohr oespannt. Die streiken-
den Arbeiter babcn Ärbeitswillige angogriffen. 3
Porsonen Murden astötet. Der Eanverneur üat
das DoüShcms schltetzen lassen.

Die Entwicklung
der Verhältnisse in Budapest

Vor der Militärdiktatur

Der Wiener Mitta^spost wird aus Bubavest
m'itseteilt, datz dort allsemem Vig U«Lerssuigrms>
herrscht, L>ad d'ce Betrauung Äes Ershersogs Zosckf
mit ber obersten M!acht und dre Einsetzuns des
Mbn'Lstermlns Früdrich die Vorlbereitung für ei'rne
Mjlitärdiktatur bedeute. dre vtelleicht schon in den
nächsten Tagon. errichtet roerden dürfte.

Es Wird retzt üekannt, datz die Wtadererrichtung
derj Monarchis in Ungarn von langer Hcrnjdl vor-
b^reitet war. Noch während der Kommumstew-
herrschaft fandsn hierüher Beratungen in Buda-
pest und SzegedlN statt,' in deNen die Pläno b>is
l!'s Kleinste ausgearbeitet wurden. Es heitzt jetzt,
datz die Szsgsdiner gegenrevolutionäre R-gierung
schon vor langer Zsit sich die UntecsLützung Frcünk-
rerchs für Ersherzog Josef gesichert haüe.

Nach einer Meldung des ungarischen Kor-refvon-
duirsbüros ist in Budap^st äine Kundgeibung
Erzberzoggs Josefs angeschliaigcm, in dsr es
hertzl: Es drohe eine Katastrophe, wenn die Un-
garüsche Jntell'iigenz nicht im Verein mit der nüch-
ternen Aivbeitsrfchaft und dem ackerbauend'lrl Dolk
Ordnung schcrffe.

Di« Wiener Abendblätter sind fast allgsmein der
Ueberzeugung, datz die wcchnsinnige Politik Bela
Kuns dm Umschwung su d'veser Neaktiou veran-
lcckt habe. Die Nacht ist ruhig verlaufen, Liis
Stmtzen sind beflaggt, in den JaLricken ist die Ar-
beit überall wieder aufgenommen worden.

Zur Vorgeschichte des Regierungswechsels

Die „Wiener Allgem. Ztg." erfährt zur Beru-
fung des Erzherzogs Josef. datz die engli-
sche Regierung zuerst mit dem früheren Kaiser
Karl verhandelt habe. Dieser habe jedoch äbge-
lehn-t, da es ihn nach Herrscherrechten nicht gelüste
und da es ihm trotz seiner reinen Abstchten nicht
gelungen sei, den Zusammenbruch der Monarchie
zu verhüten. Auch könne er sich nur schwer damit
abfinden, als ehemaliger Kaiser und König nur
mehr Verweser Ungarns zu sein. Darauf seien
von der englischen Negierung Verhandlungen an-
geknüpft worden. die die Betrauung des Herzogs
von Hohenberg. des Sohnes des Erzherzogs Franz
Ferdinand, mit der höchsten Macht in Ungarn zum
Ziele hatten. Aber auch dies sei ergebnislos ge-
blieben, worauf dann die Berufung des Erzherzogs
Josef erfolgte. . , ^

Weiter teilt Ministerpräsident Friedrich den
Blättern mit: Sämtliche ordnungsliebenden Orga-
nisationen, sowie die Beamten sämtlicher Mini-
sterien, hfelten gestern Konferenzen ab. in welchen
die Lage besprochen wurde. Dabei wurde erklärt,
datz der gänzliche Zusammenbruch Ungarns unver-
meidbar wäre, wenn sich nicht jemand fände, der
es in zwölfter Stunde rette. Darauf begab sick
eine grötzere milttärische Deputation nach Altsuth
zum Erzherzog Josef und ersuchto ihn, die Lösung
der Lage in dio Han.d zu nehmen. Nachdem Erz-
herzog Iosef seine Bereitwilligkeit erklärt und in
Budapest mit der Ententemission verhandelt hatte,
wurde zunächst die frühere Staatspolizei versam-
melt und eine Freiwilligentruppe von etwa 8000
Mann bereit gestellt. Offiziere derselben führten
die Abdankung der bisherigen Minister herbei. die
vorübergehend in Eervahrsam genommen, aber
ba(d wKder freigelassen wurden. Der Negierungs-
wechsel vollzog sich in grötzter Ruhe und ohne
Zwischenfall. Der kommandierende rumänische Ee-
neral. der Unruhen befürchtete. hatte für die ru-
manische Earnison Bereitschaft befohlen. Die sämt-
lichen Missionsleiter verstcherten der neuen Regie-
rung ihre wärmste Unterstützung. Erzherzog Josef
wird im Laufe des heutigen Tages sein Ofener
Palais beziehen.

Der Magistrat und der Bürgermeister von Bu-
dapest, Dr. Vody, haben ihre Befugnisse wiedex
übernommen.

Die Numänen

Zu den ursvrünglich einaerückt'en 30 000 Männ
rumünvsche Tvnppe-n kommen rmmer weitere Verq
stärlkuugien. Eogemvärtig stehen 70 000 Ruimänor»
in und uim Bud-cwest. Am Mittwoch wurde
grotze Ofener Fjeftung bosetzt und es wird Vorbe.
reitung gotroffen sur Besetzung der gansen Fostung
Die Wiener Ententevertreter baiben den mit ihnen
in BerÄbrung stohonlden unscrvisch-n PolitiS"rn
wiederbolt versichert. datz die Entente allos tuN
wevde. um der rumänischen Beisatzrmg jeden crnde.
rou Chararter. als -den einer SicherbeitsmadregeL
zu nebmpn.
 
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