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6.76

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Heidelberger Ieltung erscheint an jedem Wochentag mittags 12 Uhr. Amtllcher D-rkandl-
gungsblatt. Wratisbeilagen sind die Heidelberger Familienblätter, außerdem amtlicher Wohnungs-
anzelger.' Die Heidclberger geitung kann durch all« Postanstalten, durch Lie Agenturen auf dem
La^de, Lie TrSgrrinnrn unü bei der Geschäftsstelle selbst — Hauptstraße 22 - monatllch und
viertelsährlich bestellt werden.

Hauptschriftleiter: kurt Fischer in Hetdelberg.

Drucki und Derlag: Heidelberger Berlagranstalt und Druckeret, «S. m. b. H.

Bezugs- und Anzeigenpreis. Die „Heidelberger Zeitung' kostet bei jeder Postanstalt
monatltch 1.66 M.. viert.ljährlich 4.96 M. auLschliehlich Iustellgcbllhr. durch die Ag-ntur-n oder
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Druck und Derlag: Heidelberger Dertagsanstalt und Druckerek G. m. L. H.

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. (Unabhängige Tageszeitung)

VerKün-igungsblatt sür Nordbaden und -te angrenzenden Teile von Bayern» Hessen und Dürltemberg.

Nr?187

Donnerstag, den 14. August 1919

61. Iahrgang

Das Wichtigste vom Tage

Zm Saargebiet zeigt sich eine jtärleve
Ausstandsb ewegung. Die Arbeiter des
Baugerverbes. die Maurer und Holzarbeiter, sind
wegrn, Lohnforderungcn in Streik getrcten.

»

D'e Zentralstreikleitung der Bankbeamten
teilt mit, dah die gestrigen Berhandlmrgen er-
gebnislos verlaufen sind.

Siach italienischen Blättermeldungen werden
Warentransporte zwischen Jtalien und
Deutschland wiedcr zugela^sen.

Die Nationalversammlnng beriet ge-
stern die U mf a h st e u e r.

Wcitere Tariferhöhungen im Güter->
und Personenverkehr der Eisenbahnen stei,
hen bevor.

Der preuhische Ministerpräsident Hirsch er-
klärte einem Verliner Journalisten, dah die Schaf-
fui'g einer selbständigen Provinz Ober-
schlesien nur noch eine Frage der Zeit se:.

Siach McHnngen aus St. Germain dürfte in de-
Ueberreichung der Ententenote aufdir
österreichischen Cegenvorschläge eine ungefäbr
einwöchige Verzögerung eintreten.

Der Umschwung in Ungarn

Das neue Kabinett

mit Lo-vaszi <rls Mnisterprirsidenten sollte im
Laufe des gcsirisen Tages gebilv't roerdcm, doch
haben sich die Verhrrndlungen wieder sw.lschlagen.
In pMtischen Kreisen verlautet jedoch nrit Be-
stiimntheit, dasi es dom Ministerprälsidenten
Fried-rich golungen ist. mit den Vertretern dev
Parteien zu einer Einigung -n gelangen.

Ausbrllch von Pogromen
Das rumänische Pressebüro meldet: In Ungarn
sind Pogliomo ansgebrochen und halbön die iü-
dische Bevölkerung bedroht. Der Kom-
mandant dtzr vumäni'chen Tvnppen bat sirenge
Matzncchmen gotrMen, um jegliches Attentat su
oerhindern. Ein Erlatz verffügt, datz jic-des Vsr-
brochen -geaen Iuden unverzüglich mrt denr Tode
bestratt werde. Der Bel a ger u n g s z ustand
rst üiber Budavest verhängt, desgleichrn dias
S iandve ch t.

Dem „Temvs" wrrd aus Mien gemeldet: Zahl-
reiche Mlitglieder d"r MAarischen roten Armee
flüchteten <ms dem Lande, um den Reprössa-
lien dex Alliierten zu entgehen. Sie wurden an
do.r österreichischen Grense entwaffnet und an
dir Leitha interniert.

Das Siinbenregister Bela Kuns

Die „Dailn Miail" nreldet a-us Budavcst'. Ge-
gon Bela Kun und se'me sogenannien Volksbeauf-
tvasien waren bis Sonntag mehr <rls 700 An -
zeigen wegen Mordes crstattet worden.
Die noue Staatsregierung st ht auf dem StLnd-
vunlt, datz eine >gese.tzl:che Negrerungsgowalt Bela
Kuns n'icht bchandon habe nnd datz deshavb alls
von thm anseordneten Hinrichtungen nur als
gemeiner Mord ansuseh n und zu vo.isolsen
sind. Die B'.'ldapcster Staatsanwaltschaft hat ge-
sen Bola Kim und Genossen ein Strafverfahren
wegcn Aufreizung znm Vcrbrcchen dcs Mordcs und
der Eeldsälfchung, s.iwie id'lgen andercr st afbarer
Handlmigcn eingeloitet und einen Steckbries
segsn ihn e.lasien.

Die Antwort Rumäniens
Paris, iZ. M-g. Di: 'tnngen mclden. datz die
Antr.o t d.r . mäni ch'n De-leg'ertcn e ngogangon
ist. Sie soll in unb streitba: v e rsö hni l i ch em
Eeiste gehttlten sein. Die i-miiünische Reg'ierung
hat, wie es im Petit Parisien heitzt, begEen, datz
ks aussichtslos wäre, die Dinge su verschärfen und
dui; eine V:rsiäildigung Mit dcn Alliierten vort>ntl-
'üatt für diie srumänen ist.

Vie Reichsverfaffung in Rrast

Reichskanzler Bauer —

Verlin, 13. Aug. Das Neichsverord-
nungsblatt oeröffentlicht die neue Verfas-
sung, die damit inKraft tritt.

Der Neichspräsident hat den bishe-
rigen Präsidenten des Neichsministeriume,
Gustav Bauer, zum Neichskanzler er-
nannt.

Die verfassunggebende deutsche Natio-
n a l v e r s a m m l u n g führt von jetzt ab die
Vezeichnung „Neichsta g".

Die bisherigen Vertretungen der Landesre-
gierungen bei der Neichsregierung, der Staa-
tcnausschuh, hat aufgehört zu bestehen. An
'"ie Stelle ift der Neichsrat getreten.

Der Neichspräsident hat eine Verordnung
erlassen» dah alleVeamten des Neichs
und der Länder, der Gemeinden, Kommunal-
oerbände und sonftigen öffentlichen Anstalten
sowie dic Angehörigen dcr Wehrmacht un-
verzüglich auf die Ncichsverfassungzu
vereidigen stnd.

MUnchen, 13. Aug. Die Korrespondenz Hoff-
mann teilt mit: Folgende Minister sind als
ordesttliche Mitglieder des Neichsrats (früher
Staatenausschutz) ernannt worden: Hoffmann, En-
dres, Dr. Müller, Speck, Segitz, Frauendorfer und
Hamm, als. Stellvertreter Freyberg.

Die Vereidigung der Beamten

Die V rovdnung über die Dereidiguwg der öf-
fentlichen Bramten lautet:

Artikel 1: Alle öffentlichon B-'ainten und An-
«ehörisen dav Mührmacht sind unvcrz>üglich <ruf
dio Berfasiung dos Deutschen Reichcs su. oereiL^i-
sen. und swar leisten erstens d>':e Reichsibeam-
ten folgendeill Eid: Ich schwöre: Treuis der V^r-
fasiung, Eohorsam den Ecsetzen und gewisienhwtts
Erfüllmrg me'mev A,mts.pflichten. Zweitens: Alle
übrigen öffentlichen Beamten loilsten fol-
genden Evd: -Ich schwöre Trcug ider Rsichsver-
fasiuirg. Drittens: Dio Angehörigen der Wohr-
macht leisten folgenden EZd:' Ich schwöresDveuie
der Nerchsverfasiung und gölobe, diatz ich als twp-
sever Soldat das Deutsche Reich, s'i-ne seseltzmätzi--
gen Einrrchtuil>gcn jelderzeit schützen und dom
Reichspräsident-en und mernien Vo gesotzten G 'bov-
sam leisten will.

ArtiEol 2: Dio Landesvegierungen könniön au-
stelle drr Eidesleistung nach Arttkel 1, Ziffer 2 wn-
ordn-vn, ldwtz in den Dienstei d, deiv dio Bowintsn
nach dem Landesrücht ru leisten haiben. d'vo Worts
eingesetzt werden: „Treue der Neichsverfasiung".

Reichstag und Reichsrat

Artikel 3: Jn Ler gleichen Weise sind künftig
alle nsuernwnnton öffentlichon Bewmteni und alle
Mngöhörvgen >der Wshrmacht vox dem Disnstöin-
tritt su vereidigen.

Artvkel 4: Die von den Bowmten und^sn An-
gehörigen d-r Wehrmacht untsrseichneten Nach-
wSise iilber d!ie EideÄeistung sind su verwcchren.

iSchwarzlburg, 11. Aug. 1919.

Der Reichspräsrdent: Reichsminister d. Innsrn:
gez. Eber t. gez? David

Formell bedeutet der 13. August fortan in der
deutschen Eeschichte den Zeitpunkt des Uehergan-
ges von der Revolution zur Demokratie. allerdings
aber auch nur formell, denn in Wirklichkeit ist die
Revolution noch nicht beendet und die Demokratie
noch nicht in Kraft. Immerhin ist durch die nach
autzen besonders ins Auge fallende Tatsache, datz
wir nunmehr wieder einen Reiichskanzller
haben und auch einen Reichstag, die Nechts-
kontinuität zwischen dem alten und dem neuen
Deutschland wiedcr hergestellt. Freilich ist zwi-
schen dem letzten Kanzler des alten Reiches, dem
Prinzen Max, und dem ersten Kanzler der Repu-
blik Deutschland. dem Eewerkschaftssekretär Vauer,
ein himmelweiter Unterschi:d. und auch der neue
Neichstag zeigt ein anderes Eesicht, als der alte,
wenn auch viele seiner Mitglieder schon in jeirem
satzen und das üutzere Bild der Nationalversamm-
lung nach dem Worte Naumanns nur dem aufge-
bügelten Reichstag gleicht. Die Spuren der Re-
volution sind aber in ihnen unverkennbar. was sich
ja <iuch schon charakteristischer Weise im vielen Ne-
den zeigt. Datz er mehr leisten möge, als der
alte Reichstag. ist ein bei den Umständen dcs
alten Namens mehr als berechtigter Wunsch. Die
Bezeichnung „Neichsrat". die bislang im alten
Oesterreich üblich war, ist besier als der bisherige
Vundesrat und auch richtiger, da seine Befugnisie
andere geworden sind. Neu ist die Vereidigung der
Boamten und der Wehrmacht auf die Verfasiuna.
die aber unumgänglich aeworden ist, nachdem der
Eid nicht mehr dem Kaiser oder -em Landesherrn
geleistet werden kann. Ob sich die Erfahrungen,
die man mit den Vereidigunqen auf die Verfasiung
beispielsweise in dem Iahre 1848—49 gemacht
hat, sich wiederholen werden, wird die Zukunft
zeigen.

Man mag zu der neuen Reichsverfassung , ste-
hen, wie mau will — die deutsche (liberale) Volks-
partei hat an ihr aufs eifrigste mitgearbeitet. sie
dennoch aus gruudsätzlichen Griinden im ganzen
abgelehnt —, in dem einen Wunsch werden sich
heute alle Deutschen, die es mit unserem armen
zerschlagenen Vaterlande ehrlich meinen. eins sein,
datz auf -der formalen Erundlage des Rechts sich
die innere Rechtlichkeit und Eesetzlichkeil erheben
möge.

Die Rachsucht der Franzosen

Im besetzten Eebiete haben die Franzo-
sen Untersuchungen -bei denjenigen dcinobilisierten
Militärpersonen bcgonnen, die verdächtig sind, sich
irgendwelcher Vergehen in Frankreich und Belgien
während der deutschen Okkupation schuldig gemachi
zu haben. Es soll bereits eine Anzahl.deutscher
R e se r v e o f f i z i e r e in der Pfalz und im
Rheinlande wegen Diebstahls und wegen
schlechter Behandlung der bürgerlichen
Vevölkerung in Landau und Mainz sich vor den
Militärgerichten zu verantworten haben.

Nnglaubliche Ucüergrifse

Die englisch-französischen Besatzungstruppen ha-
ben sich, dem Vernehmen nach. neue schwere
Uebergriffe im bcsetzten Gebiet zu schulden
kommen lassen. Ein Polizist namens Heister ist
bei Reisholz in der Nähe von Düsieldorf ohne
Erund erschosseworden. Eine Beschwerde-
note mit der Forderung auf Untersuchüng ist ab-
gogangen. Eine Frau Augs. Eattiu eines deut-
slben Ingenieurs. geb. Französin, wurde unter De-
mütigungen v e r h a f t e t und nach Besanca"
transportiert. Sie kehrte zurück, wurde von neuem
verhastet und nach Frankreich verschleppt. Ueber
vhren Verbleib ist nichts festgesteüt. Auch in die-
sem Falle fordert eine Noto eine Erklärung.

Bolschcwistensurcht

g. Saarbrücken, 13. Aug. (Priv.-Telegr.) Ee-
ucral Andlauer. der das Vcrbot der Abhal-
tung politischer Versammlungen aufgehoben hat,
macht bekannt, datz solche Versammlungen. in denen
bolschewistische oder k o m m u n i st i s ch e
Agitation betrieben wird, nach wie vor strengstens
untersagt sind. Bolschewistische Agitatoren wexden
mit sofortiger Ausweisung aus dem besetzten Ee-
biet oder mtt hohen Zuchthausstrafen gedroht.

Gegen die Abwanderung aus der Pfalz

Zn den Dörfern der Rheinpfalz haben die
Franzosen angeordnet. datz die Bürgermeister da-
für haften, datz keine Männer von 17 bis 30 Jah-
ren ubwandern. Die Befürchtung. zwangs-
weise zum Wiederaufbau in Nordfrankreich upd
Belgien herangezogen zu werden, treibt nämlich
dlese Mäner von Haus und Hof. Sie gehen meist
ins unbesetzte Deutschland. übcrschreiten insgsheim
die Grenze und bilden als Arbeits- und Heimat-
lose eine neue Eefahr. Man hegt die Erwartung.
daß die deutsche Regierung von. den alliierten
Mächten eine klarS Stellungnahme fordert. die
keinen Zweifel darüber lätzt, datz die zwangsweise
Heranziehung oben befürchteter Art ausgeschlossen
ist.

Vor einem nenen Putsch?

W!ie Nö .Ffsue Bad. Landesztg." hört. mehren
sich dis Ans^ichen, datz d'ie Pfcvls unmrittolüar
vor eingm neuen Putfch stoht. Der bSkannteiSvar-
tcrkist nnld Zuchthaussträfling Eggersdorf-
lAhrens wiüd von der französMSn Bohörde rum
Losschlagen ermuntert. Ein französischoü Wagcm-
vark und, Waffen seien den Lcrndauer Putfchisten
zur Vevfügung gestellt wo>.d>eu. Eggersdorf und
Haas ginaen nun auf das Ganze und docilbstchkia-
tep, an einom dsr nächsten Tage sämtliche Negie-
rungsstellen und Bezirksämter su bosetzen.

* Die Heimsendung des Generals Liman von
Sandcrs ist nunmehr zugestanden worden. Näher.
Regelung erfolgt durch die englische Negicruna
Feldmarschall v. Mackenson geht nach Saloniki.
Seine A u's'l i e f e r u n g wird im Zusammen-
hang mit der allgemeinen Rückführung der deut-
schen Kriegsgefangenen im Auge behalten.

Die Lehren von Budapest

Der plötzliche Szenenwechsel, der sich in der
Hauptstadt des viel geprüsten Ungarn voll-
zog, trägt soviel Absonderliches und Verwir-
rendes an sich, dah ein ganz klares Urteil über
das, worauf es eigentlich dabei abgesehen ist,
noch nicht möglich erscheint. Dennoch ist soviel
autzer Zweifel, datz es sich um eine antidemo-
kratische Entwicklung vom reinsten Wasser
handelt und datz diese mit Wisien und Willen
der westlichen Demokratien eingeleitet ist, die
den Sieg der Freiheit auf ihre Fahne geschrie-
ben haben. Man hat noch nichts davon gehört,
datz die Regierung des Habsburgers, der os-
fenbar schon seit längerem seine geheimen Fä-
den nach Paris hinübergesponnen hatte, das
Selbstbestimmungsrecht gegenüber den Mäch-
ten, die sein Land militärisch besetzt halten,
geltend gemacht hätte. Ein sehr einleuchten-
der Beweis dafür, datz die Politik, durch die
das ganze „Donauproblem" gelöst werden soll,
nicht in Schlösiern und Ministerpalais auf der
Ofener Seite, die jetzt wieder zu Ehren kom-
men, sondern in den Hauptstädten der Entente
gemacht wird. Eewitz wird das ganze unga-
rische Volk, das Unsägliches unter dem Terror
der Bolschewisten gelitten, befreit aufatmen
und auch von den schlechtesten Friedensbeding-
ungen, auf die es rechnen kann, noch eine Ver-
besserung gegenüber seiner bisherigen Lage er-
warten. Aber es wird sich doch sagen, datz es
nun das Opfer einer Politik seiner Vormün-
der ist, die mit deren feierlich verkündeten
Erundsätzen in schreiendem Widerspruch steht.
Eine so deutliche Lehre ist den kleinen Völkern
insgesamt noch garnicht erteilt worden, wie in
diesem Fall.

Das Los und Schicksal des ungarischen
Volkes kommt bei den Entscheidungen, die
getroffen werden, einfach überhaupt
nichtinBetracht. Es wird wie eine
Herde behandelt, die hin- und hergeschoben
wird aus den Händen des einen in die des an-
deren Machthabers, lediglich wie es das Zn-
teresse des Stärkeren verlangt, der heute Eu-
ropa nach seinem Willen lenkt und einrichtet.
Weder die nationalen noch die wirtschaftlichen
Vedürfnisse, noch die politischen Wünsche des
Volkes sind vom geringsten Einflutz auf das,
was geschieht. Man gibt sich auch nicht die ge-
ringste Mühe, sie zu erkunden und zu ergrün-
den. Was man braucht, das ist ein Ungarn,
das den machtpolitischen Zielen der Sieger.-^
staaten ein gefügiges Werkzeug ist und sich für
diese Fügsamkeit mit kleinen Vorteilen ab-
speisen läßt. Der Erzherzog Zosef ist gern be-
reit, der Errichtung des neuen Donau-
bundes, dieses Znstrumentes der franzö-
sischen Sicherungspolitik im Osten Deutsch-
lands, hielfreiche Hand zu leisten, weil er da-
für die Eenugtuung hat, die verhatzten rumä-
nischen Bedränger loszuwerden. So wird das
ungarische Volk in eine politische Ee-
meinschaft mit den slawischen Verbünde-
ten der Franzosen hineingepreßt, die
ihm ganz und gar nicht sympathisch ist. Denn
Tschechen wie Polen und erst recht die Serben
sind jedem echten Magyaren in den Tod zuwi-
der, heute noch so gut wie in der Vorkriegszeit.
und es ist ja auch klar, datz die Begünstigung,
die diese Nationen durch den Friedensvertrag
erfahren haben, nur auf Kosten dauernder
Schädigung und Zurückdrängung der Ungarn
möglich ist. Aber die Ungarn werdcn nun
eben zu diesem Opfer gezwungen: es
bleibt ihnen nichis übrig, als ihre nationale
Existenz durch den unfreiwilligen Beitritt zu
diesem unnatürlichen Eebilde zu sichern, in
das man auch noch D e u t s ch - O e st e r r e i ch,
vielleicht unter einem gelinden akademischen
Protest des Staatskanzlers Nenner, hinein-
pressen wird. Das ist die Ausführung des be-
rühmten Punktcs des Wilsonschen Pro-
aramms. der allen kleincn Nationen- dreselbe
Freiheit und Selbständigkeit der politischen
Entwicklung und Betätigung wie den grotzen
garantiert! . . >

Uebcr die klägliche und untergeordnete
 
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