Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
(Unabhängige Tageszeitung)

Verkündigungsblatl sür Nordbaden und die angrenzenden Teile von Bayern, Hessen und Würtlemberg.

Nr. 177 Samstag, den 2. August 1919 61. Iahrgang

Heidelberger Ieitung erschelnt an jedem Wochentag mittags !2 Uhr. Amtliches Verkündi-
gungsblatt. Gratisbcilagen sind die Heidclberger Familienblätter, auherdem amtlicher Wohnungs-
anzeiger. Di« Heidelberger geitung kann durch alle Postanslalten, durch die Agenturen auf dem
Lande, dle Trägerinnrn und bei der Geschästsstelle selbst — Hauptstrahe 23 — monatlich und
vierleliährlich bestellt werden.

Hauptschriftleiter: Kurt Fischer in Heidelber,.

Druck und Derlag: Hcidelberger Derlagranstalt und Druckerei, w. m. b. H.

Bezugs- und Anzeigenpreis. Die »Heidelberge: Ieltung" kostet bei jeder Postanstalt
monatlich , 66 M., vierteljährltch <98 M. ausschlieblich Iustellgebühr. durch dlr Agenturen oder
di« Tragerinncn frei Haur monatlich 1.75 M. - Die achtgespaltrn« Pctitzelle oder deren Raum
kostet 35 Pfg.,- im Neklameteil die viergespaltene PetitzcUe »L0, mit Plahvorschrist 1 40 M.
Bet Wlederholungen Nachlatz nach Tarif. Ersüllungsort ist Heidelberg. Linzelverkauf 10 Pfg.

DruckundDerlag: Heidelberger Derlagsanstalt und Druckerri <S. m. b. k
Postscheckkonto Karlsruhe Nr. ,9909. Frrnsprecher: Redaktion 182, EeschSftsstell« 82

Das Wichtigste vom Tage

Zn der Frage der Auslieferung deutscher Milch-
kll-e crklärten die deutschen Delegicrten 'n Vevsakb-
les, dah sie fich der Lieserung nux fügen wurde.i,
wenn sie tatsächlich dazu gezwungen wllrden.

Ludendorff antwortete berichtigend auf die von
der Regierung veröffentlichtcn Dokumente zur Em-
leitung des Waffenstillstandes.

Die Sozialdemokratie verlangt eine Verdrcl-
fachung dex von der Negierung vorgeschiagenen
Erbschaftssteuer-Sätze.

Nuntiur Paccelli bestreitet, dasi Erzberger
von ihnl Mitteilungen llber fein Schreiben an
Neichskanzlev Michaelis und dessen Mttworl er-
halten habe.

Die ungarisch« Sowjet-Regierung ist zurüSgv-
treten.

Zn Norditalien und in Oberelsaß sind umfang-
reiche Streiks, teilweise verbunden mlt schwerenj
Unruhen ausgebrochen.

gege« hie MWWMskilimte

Erzberger hat kein Glück
mehr

außer natürlich bei seinen Freun,den in der Na-
rionalversainmlung.

Es hagelt nur so Dementis. Und jetzt kommen
sie nicht nur von den Mitgliedern der damaligen
deutschen Regierung. sondern von kirchlicher Seite.

Ter Vatikan läßt durch den Korrespondenren
der „Agentur Haoas" erklären, daß der Sachver-
halt von Deutschland (soll heißen „Erzberger")
ungenau dargestellt und falsch interpretiert worden
sei. Es handle sich keineswcgs um von Frank-
reich und England ausgehende Friedensvorschläge.
Vei der kurz gehaltenen Fasiung der Mitteilung
des englischen Eesandten an Easpari handle es
sich vielmehr um das Eegenteil. Sie
zähle die Eründe auf, welche einen Frieden un-
möglich machen, insbesondere was Velgien betrifft.
Die vom Heiligen Stuhl übermittelten Dokumente
werden vcrösfentlicht wepden. Es wäre dies
wahrscheinlich schon geschehen. wenn nicht der „Os-
servatore Nomano" infolge des Streiks der Typo-
graphen am Erscheincn verhindert worden wäre.

Und nun kommt auch noch der Nuntius Pa-
celli. der dem W. T. V. aus Rohrschach fol-
gende Erklärung zugehen läßt:

Man Lehauptej. daß der frühere Abgeordnete
Erzberger die Antwort des ehemaligen Reichs-
kanzlers Michaelis vom 24. Sc-ptember 1917 betr.
Belg:en durch den Münchner Nuntius erfahren
habe. Der Nuntius dementiert dies auf das ent-
schiedenste. Er habe Lrzberger weder von dem
^nhalt seines Schreibens vom 30. August 1917 an
Michaelis noch von der oben erwähnten Antwort
'n Kenntnis gesetzt.

Alles. was Erzberger über. seine Unterredung
mit dem Nuntius der Nationalversammlung vor-
getragen hat. wären demnach seine Phantasiege-
brlde. kunstlicher Rauch. hinter dem der Vielge-
wandte seinen Verfolgern entweichen konnte. — Jn
ungeheure Erregung gebracht, bis in die Tiefen
aufgewuhlt. wurde das ganze deutsche Volk durch
mchts als lügnerische Phantastereien eines Men-
mien. der an der verantwortlichen Stelle eines
^.lzepräsidenten des Reichsministe-
rrums steht.

Und kein Sturm erhebt sich. um diesen Menschen
ymwegzufegen. Weiterhin kann er vergnügt
lachelnd uns den Weg ins Verderben führen. be-
gle.tet von dem Beifallsschreien einer verantwor-
lungslosen parlamentarischen Mehrheit.

Armes deutsches Volk!

^ichard Dehmel über Erzberger

»Tägl. Nundschau" schreibt einer ihrer
Jch habe soeben Nichard Dehmels
sM-^aebuch „Zwischen Volk und Menschheit"
aeinÄ"^ischer. 499 S.) ausgelesen. nebenbei
näM' kleins Arbeit. und werde es dem-
^wrechen. Dieser gewitz unverdächttgo
weistb/<ENn Dehmel steht, wie auch dies Buch be-
weit links) schreibt Seite 479:
Almosenbitter benahmen sich unsere
Rcgierungsmänner vor den auslän-
Plutokraten; besonders der Hauptunter-
Lsnkk« » E>err Erzberger. Diesen kautschukmäuligen
'v'jEnecht hätte das Revolutionskomitee. wenn
"'kUich freie Hand kriegen wollte, wegen fahr-

Wir bezweifelten gestern schon, im Airschllutz an
den kurzen Auszug, den wir aus den von der Re-
gier.tmg veröffentlichten Weischuch brachten die
OÄjoktivität dioser Berichte-SaminlunL.

Datz wir damit nicht gan.z Unrecht hatten, be-
weist eine sofort von Geneval Lndendorff dom
„Lokal-Anzeiger" zugestellte Kritik daruber, in der
er sagt, die Sammlung gobe eine durchaus einsei-
tiae und entstellHN.de Darfftellung der Geschichte und
Aiehe einj/eitigc: üu>> fct.sche SchlWö. . Zwischsn
Reichsleitung und Oberlster Heeresleitung haibe be-
züglich der Notwondigikeit Les WeiteMimpfons
volle Einigkeit bestanden. Erst i>ie Meite Wilslon-
note, dis der OberstenHeeresleitung
keinen Zweifel mchr an der Notwendigkeit wei-
terzukämpfen gelasien habe, hLbe Drfferen-
zen gebracht, da die Reichsleitung sich ent-
sch.'osfon halbe, die Folgen aus den Worten des
ReichtzAnzlers vom 5. O.tober zu zrchen. Er, Lu-
dendorff, habe nicht an einen plötzlichen Äbbvuch
gedacht, sondern zunächst wisien wollen, roas der
Feind eige-ntlich wcllte. Die Fragen der Reichslei-
tung über die militärischen Aussichten seten sol-
datisch überhaupt nicht zu boantworten gewesen.
Der Krieg sei kein Rechenexempel. Die Generale
Gallwitz und Mudra hätten sich slMemätz
ge-irau so ousgedrückt wie er. Das Wcsen des
Krieses sei Ungewitzheit, das wisse jeder einifache
Soldat, der im Fouer gestandon babe.

Staatssekretär Solf will mich gsfragt haben:
Können Si.e noch drei Monate die Front halten?
Fch foll davauf goantwortet haben: nein. Das ist
durchaus richtig. Wenn hievaus aber wieder beson-
dero Sch.'üsie gezogen werden, s» ist dies falsch.
Wir rvüren in die Hermannstollung zurückgegan-
gen. Diese drei Monate zn halten, schien mir aus-
gcschlossen. Darum hatte ich auch die Antwerpon-
Maas-Stellung und eine Grenz-Stellung erkunden
und einrichten lussen. Hier war ein längeres
Standhaltsn durchaius möslich. sobald Ampuls
Ms der Heimat kam. Auf das Halten die-
ser Stellungen bezieht sich mein Nein
n i ch t.

Eineo der schwersten Vorwürfe, d:r der Obersten
Heeresleitung gemacht wird, ist bokanntlich der,
datz sie um don 1. Oktciber hevnm die Nerven ver-
loren habe und nun zu einem baldigen Waffonstill-
stand. koste es was es wolle, godräwgt haibe, trotz-
donr sich der neue Neichskanzler, Prinz Max. zu-
nächst mit allen Mitteln dagogcn gosträubt habe.

Ludendorfff geht in soiner Kritik 'ausfMr-
lich darauf ein und bringt ein nvues Moment in

die Debatte, indem er betont. datz Staats-
sekretär oon Hintze zunächst au§ inne-
ren Eründ»en den Systemwechsel für nötig ge-
hwlten babe, womit Ludendorff wohl andeu-
ten will, datz die Stinrmung der pülitischen Par-
teien eine derartige gewovden sei. datz ein deut-
fches Friedensangobot, wenn nicht schwere Erschüt-
terungen kommen sollten, gemacht werden müsse.
Auif diese .Mitteilung Hintzes hin. habe Hinden-
burg, er und Oberst Heye erst die militärische
Lage festgastellt. Herr von Hintze habe telogra-
phiert: Bildung ncluer Rogierung voraussichtlich
heute 1. Oktober nacht. Militärische Lage ist stärk-
stes Druckmittöl gogenüber einseitigen und on-
spvuchsvollon Parteion. Demgemätz babe er ge-
handelt.

Am 30. September und 1. Oktober seien keine
Ereignisie an der Front eingetreten. die die Lage
kritischer hätten gestalten können. tber er sei mit
Hindenburg der Ansicht gowasen, datz, nachdem
der schwere Entschlutz, um Frieden nachzustlchen,
gefatzt worden sei, keine Zeit perloren werden
durfte. War ein schwerer, wenn auch ehrenvoller
FrieLen auf Erund der 14 Punkte Wilsoirs und
durch Wilson zu erreichen, so war ein weiteres
Blutversietzen nicht mehr zu verantworten. Es
ntutzte dahcr alles geschehen. um die Zeit der
Spanniung abzukürzen, donn es war k.är. datz die
Eerüchte und Nachrichten nach einem von uns
erbetenen Waffenstillstand unsere Kampfeskraft
schwächen die des Feindes ungemein stärken
mutzten.

Die Ereignisie vom 23. August bis 28. Sep-
tember seien in ovm Weitzbuch einseitig dargsstelll.
Er habe Herrn von Hinhe nie ge'ägt, datz er den
Feind bestimmt bosregen werde, sondern imr, er
hoffe, den Feind friedenswillig zu machen.
Er und Hindenburg hätten klar und bestimmt er-
klärt. sie würden durch eine strategische Defensive
im Stande sem, den Kriegswillen des Feindes zu
brechen und ihn so allinählich zum Frieden zwin-
gen.

Ludendorff schlietzt damit, datz er dem Reichs-
präsidenten im Fobruar in einenr !Brilche aius
Schweden gebeten habe, durch Eegenüberstelluug
des Materials Klarheit zu schaffen. Antwort habe
er darauf nie erhalten. Den vorlioaenden Schritt
hätte er dem deutschen Volke gern ev'vart. Er
hoffe, datz seine im August erscheinenden Kriegs-
eriirnerungen dlhzu beitvagou werden. Lie Lage zu
klären, nicht um niederMreitzon, sondern um auf-
zubauen.

lässigen Volksverrats einfach vors Standgericht
stellen sollen. Statt dessen machte es die Bitt-
wallfahrt mit und die natürliche Folge war, datz
wir als Vettelpack behandelt wurden.

Wie gesagt — Richard Dehmel ist gewitz nicht
„Lefangen".

Vela Kun gestürzt

Vudapest, 1. Auig. Ung, Korr.-Buro. Zn dex
Nachmittagssitzmrg des Budavester ZenträlM:!bet-
tervates trat der rovolutionäri^ regie-.
rende Rat dev Näteregierung zu-
r ü ck. Die NegierungsgLwalt wuvve von elner aus
d>en Wrtretern der EswerkschMen gebiikdeten rem
sozialüstischsn Regierung unter ldem Vorsttz bes Mi-
nistervräsrdenten Julius Boidel übernommen.

Eine französische Homödie

nicht anders darf man wohl dle Untersuchung be-
zeichnen, die nach einem Parisec Havasberlcht über
jdie Vorfälle bei der Abreise der deutschen Delega-
tion in Versailles veranstaltet worden ist. Es wird
laut einer Basler Nachricht der „Deutschen Allge-
meinen Zeitung" beantragt, die Angelegenheit nte-
derzuschlagen, da festgestellt sei, datz die Deutschen
lärmend Erütze gewechselt haben, wobel sie Hoch-
rufe ausbrachten und gegen die Menae hin Eri-
masien schnitten und so den Protest herausgefor-
dert haben. Ob die Menge Steine geworfen hat,
konnte nicht festgestellt werden.

Clemenceau künftiger Präsident
von Frankreich

Haag, 1. Aug. Aus Paris wird gemeldet, datz
man in politischen Kreisen der Ansicht sei. Elemen-
ceuu werhe nach dem am 17. Februar 1920 erfol-
genden RUcktritt Poincares zum Präsidenten von
Frankreich gewählt werden. Es gebe nuv einen
Eegenkandidaten. der noch ernstlich in Betracht
kame und das sei Deschanel. der Präsident der
Kammer. Die Freunde Clemenceaus wünschen
ihn auf diese Weise für seine hingebende Tätigkeit
für Frankretch zu ehren und ihn gleichzeitig autzer-
halb der Kämpfe in dex politischen Arena zu
stellen.

Da Clemenceau erklärte, datz er nach hen Wu.
len im Oktober zurücktreten würde, beginnt sckou
jetzt der Kampf um seine Nachfolgeschaft. Wahr-
scheinlich wird Vriand nach ihm Ministcrpräsident
werden. Briand vertritt eine neue Bewegung,
die ein enges Vündnis mit Italien anstrebt.

Es bcsteht jedoch noch cine zweite Strömung.
dre auf eine Annäherung zwischen Frankreich und
Amerika hinzielt und deren Vertreter Tardieu und
Viviani sind. Man hat also auch mit der immer-
hiu geringen Möglichkeit der Wahl dieser beiden
Staatsmänner zu rechnen.

Streik in Mülhausen

Brrn, 1. Au.a. Jn Mülhausen ist in sämtlichen
Kaibslwärkon der Streik ausgebrochon. D:e Ur-
sache liegt in der Entlasiuwg oines Avbeiters, d-v
einen Streikbefohl fllr den 1. August ausgehängr
hatte.

Die amerikanischen Neger-Unruhen

D'»e „Times" mekden aus Nawyovk, daitz bohe
Voamte bes Staates Jllinois die Lage in Chicago
Nr ernst evklärten. Obwohl ber Prcsiokamvf schon
4 Tago damiert, dauert der Tcrrorismus uoch im-
mer fort. Weitzo Banden steckten 41 von Nogern
bclwoHnte Häulser an. Füh.er der NegerLc-völke-
rung orklärten, datz viele Neger von Hungersnot
bedroht wevden, weil Kutscher d:r Leibensmtktel-
wasen sich nicht ins Negeroiertol trauen. Jn M!ir-
waukos kamen viele Nogev aus Ehloago an. Dls
Verwaltung dler Newyork-Zentralbahn berichtet,
datz auf ihre Züge gefchosien worden str.

Generalftreik in Algier

Bern, 1. Aug. In Mgier herrscht von iheule ab
wesen nicht erfllllter Lohnfovderung der Eeneval-
streik. Dex Streik konrmt der Regierung diosihalb
ungelsgen, woil die neue Ernte abbefördort werdcmi
soll.

Bafel, 1. Autz. Schwoizerische DevSschcn-iAgon-
tur. Bei einem Zusainmeifftotz mit jungen Bur-
schen. die gegen oin Militärauto Stctne warfen,
worauf diSses fouerte, wurden swsi Per'vnen ge-
tStet upd fünf verletzt.

Zwischen zwei Fronten

stsht gegenwärtig dre demokratische Partei rn Äsr
Nationalversammlung und sie schs'mt sich rn dieser
fonst nicht sehr schätzenden Situation in „erhalbener"
Neutralität recht wohl zu fühlen. Wenigstens mutz
dres nach dem Leitartikel „Rückblick" :n Nr. 373
der dcmokratischen „Neuen Vad. LcrndeszSitung"
angenommen werden.

Nun hat eine solchs .worsicht'iü abwägendo"
Haltung gewrtz rhren orgenen Reir. Man hält sich
in sichever Ferne, Lis der MusgaNg des Kampfes
beurteilt werven kann, dann werden noch ein vaav
Eselstritte ausgeteilt und wenn alles gutgclht, —
oin vaar Ministersrtze, zu denen man sich doch gam»
erheblich hingezogon fühlt (ob dex Zug von innen
oder von autzen kommt. mag dalhin gostellt bletben)
sind imnrcx noch zu büsetzen. Ein hübschcr Kriegs-
gewinn. Es könnte däboi allerdings vrelleicht eln
Eegensatz zu den schönen Worten auf dem Partei-
tag übe-v Zurückhaltung gegenüber der Regierung
entstehen, aber tompora mutantur.

Von> rein geschäftlichen Eesichtspünkten Letrach-
tet ist diie^ Politi.k wobl kaum zu beanistanden.
Eerad-s so wrmg als die Ablchnung der Fv'ceÄens-
unterzeichnung mit Naumanns klassischer Begrun-
dung „ weil sonst die Zukunft des nationalen Ge»
dankcns gans in die Hünde drr Rechtsparteien gr>
legt würde." Nur wird es biele v.nd darunter, wohl
auch manche, die heute noch Drmokraten sind, ge-
Len, die Politik. insbesondere wennl es sich um Fra-
gen handelt, die ein ganzes Volk in sernem ZnnSrn
aufwühlen, Nicht nach Veschäfts-, sondern nach
Ueberzeugungs- und Charaktergrund-
sätzen gehandhabt w>isson wollon. Dio demo-
kralischs Partei mag d.ios auch gofühlt und gcfürch-
tet haben, dah sre in dieser Bctziebung bei elnem
Vergst'ich mit der Doutschen Bolkspartei vielleichr
schlccht abschneiden würde. Denn diese hat, ohne
Rückstcht darauis, datz bei dem Kanrpf, der nun sin-
mal ontbrannt war, wohl „Spähne flregen" wür«
dsn, es für notwendig gohalten. änch mit ihrer
Stellungnahme nicht hinter dem Berge zu haltm,
dbwcchl sie nicht -angegriffen und nicht der Angvöi-
fer war. Ob der Vergleich für dre dcmcckratischs
Partei günstigc'r ausfällt, wenn sie jetzt versvcht,
das V.-hallen der Doutschen Volkspartoi als vol:-
tffch (geschäfts?) urElug zu bezeichnen. mag füglich
b0',wc!ifelt werdon. Ebenso wipd das Mianöver
kaunr mehr fruchten, wenn sie sich jotzt nochmals
als Unschuldslamm bezsichnen gegenüber einer
Partoi, d"r, wie schriccklich-, M'talrcdcr de? frühe.
ren Naterlcmdspactei angähören. Abg. Nieher
hat dor denrokratischen Partei ja bereits mit er-
freulicher! Doutkichko'it nachgowiesen, dah sich auch
in ihren Reihen aenug solch.r schwarzein Schafe br-
findeir, die, obwohl ehemal'rge Angohörigs diec
Vatcrländspartot, doch mit aller Energie und nrit
allom Recht abliehnan werdcn, dah man sie für alle
etwa begangenen Fohlor ve^antwortl ch macht.
Eerne wollen wir glauben. datz d're demokvatischo
Partei als solcho unbelastet aus d«m Kriogs her-
vorgegangen ist, wctl näml'ch sie. das Kind der
Rovolution, wie sie sich solibst nennt, im Kri7gr
noch gar nicht das Licht der Wslt o.Iblrckt hatt'.
Bezllglich Erzberger hat sre sich zu dem Erund-
satz bokannt, daß ihr soine Person und früheven
Frhler gleichgültig seien und sto in ihm nur don
fleitzigen Minister sehe. Es w'rrd m threm cigen-
sten Interesse liegen, von diesem grotzzügigon Ee-
sichtsvunkt, auch in dcr Nachprüfung in dior Frage
uicht abguweichon, ob diese oder jone Partei g.'--
wissermatzen, erblich belastct sei. Hiex ist solche
ErotzzügiÄeit sichok viel oher moralisch Lercchtigt.
als bc>i der Bourtoiluirg der Eignung einer Ein-
zelpersönlichkeit für vsrantwortliche Regrevuirgs-
tätiakeit, wenn d've.n Vevhalten rn früherer Zeit
Zweifel an grri'ndliegenLen Dharaktereigcnschaften
aufkomnren lasien.

Tatsächl'ich handelt es sich auch tn de,n Kanwfo
nicht um die Person Erzbei-gcrs als solche. sondern
letzten Endics um die Schuld an dex BerlängeMNg
des Kriegs. Drose Schuld dürfte niach dcm bishevi-
gen Mjateviül in evster Liirie bcü dem Mamne zu
suchc'n sein. bex heute der tatsächliche Leiter der
Regievuna ist. Dbe Haltung deo demvokratischeN
Partet rn die-sem tnneven Kamviv ist daher fnst
 
Annotationen