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Heidelberger Zeltung crscheint an jedem Wochrntag mittagr 12 Uhr. Amtlicher Derkündi-
gungrblatt. Eratisbeilagen sind die Heidelberger FamilienblStter, autzerdem amtlicher Wohnungr-
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DruckundDerlag: Heidelberger Derlagranstalt und Druckerei G. m. b. H
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. lUnabhängige Tageszeikung)

Verkündigungsblatk für Nordbaden und die angrenzeuden Teile von Bayern, Hessen und Würltemberg.

Nr. 169

Donnerstag, den 24. Iuii 1919

61. Iahrgang

Das Wichtigste vom Tage

Zn der Nationalversammlung sprachen
gcstern Ministerpräsivent Vauer und Minister
des Aeukern Miiller über Deutfchlands innere
';nd aus»iirtige Politik.

Clemenceau wurde von der Kammer mit 272
gegen 181 Stimmen das Bertrauen aussc-
spiochen.

Dex König von Sv,anien hat in einem
Handschreiben an den König von England Stel-
lung gegen die bevorstehende Aburteilung Wil-
helms ll. genommen.

Die französische Besahung derPfalz
wird künftig aus zwei Divisionen besteben, deren
Hauptstandorte Dürkheim und Landau sein werde«.

Das japanische Parlament hat d'e Hee-
res- und Marinevorlage einstimmig angenom-
men, die eine sinanziclle Mehrbelastung von jähr-
lich einer Milliarde Pens bringt.

Seutfthe Zinanzpläne

Unsere Gesangenen

Amsterdam, 22. Zuli. Nack» englischcn Blät-
tern vom 21. Zuli haben dle deutschen
KriegsgefaNgenen in ihren Lirsern in der
Nacht zum Samstag auf die Dächer ihrer Barckk-
ken mit raten Buchsterben Inschrifken
gemacht wie' ^Laht uns nach Hnuse
gehen!" „Helft uns heimkehrein!" «Gebt uns
Fr i ed en!"

Wesel, 23. Juli. Geftern Lberid trafen von
Notterdam die Vesatzung des Kreuzers ..Em-
den" und dis Mannschaft a-us Tsingtau im
Heimkchrerlager von Friedrichsfeld ein.

Verlin, 23. Juli. Nach einec Meldung der
Chicagoi Tribune soll sich Marschall Foch angeb-
lich weigern, di>» beutschen Krisgsgefangenen
zurüLussenden, wenn die ols Sühne fü'' die Tö-
tumg oes Sergeanten Mannheimer von der Stadt
Verlin gsforderten 1 Million Mark nicht bezahlt
worden. Hierzu wird mitgeteilt,. dasi an zustän-
diger Stelle davon nichts bekannt ist.

Die „Abrüstungen" der Allilerten

London, 24. Iul!. „Daily Mail" meldet
aus Paris: Dem Hrercsausfchust der Kammer
leilte die Negierung mit. dah dieFricdens-
stärke des franiöNfchen Heeres ur.l
ein Viertel höher bleiven werde, als sie
bei Ausbruch des Krieges war.

Basel, 23. Zuli. (Privattel.) Die sran-
zösischr Regierung erteilte den Fabrilcn für
Kriegsbedarf neue Nufträge in Lieserun-
gen von Panzerwag-n. Kanonen nnd Flugzeu-
gcn für mehrere hundert Millionen Franken.
Die Ansicht Fcchs, dast man ftets mit dcr
Möglichkeit des Ausüruches cines
neuen Krieges rechnen mmfe, sei hierfiir
ausfchlaggebend gewesen. Die französische Ne-
gierung beftehe darauf, fllr die nächften Zahre
ein starkes, s ch l a g f e r t i g e s Heer stets
bereit zu halten.

Strohburg, 23. Juli. (Privattcl.) Die „Ins."
meldet aiis Paris: Gcmäb Baschluffes der franz.
Militävbvhöild: werden für die künstige Besetzuna
der Rhsinlande, der Pfalz und des Kelhler Brück'M-
kovf<es in ausgedehnterem Masie schwarze
Kolonialtruppen herangezogen werden, als dies
bisher der Fall war. Negvläre, weitze fran-östsche
Truvven wevdcn in verhältnismätzig kleinen De-
trch nnrnts in der besetzten Zone zurückgelassen.
Arch die <lfässi.sckvn E-arnfsonorte er>halten stärkere
Kolonialtruvven-Vesatzungen als bisher.

Dertrauensvotum für Clemencecu

Zn der D i e n s t a g s i tz u n g der Kammer
kriff der Abgeordnete des Departements Eironde,
ual, umet, die Politik dcs Kabinetts heftig an.
«eine Nede rief Clemenceau auf. das Rednerpult.
^-lemenceau sührte u. a. aus: Die Schwicrigkeiten,
wclche die Negierung ins Auge zu fasien hat, sind
d'e Folgen einer langen Krisis. Elauben Sie,
oatz am Tage nach den fchrccklichen Verwüstungen
oes Krieges die Unterzeichnung des Friedens ge-
^luge. um alles wieder in Ordnung zu bringen?
Auf der Konferenz habe ich alle Kräfte. die mir
kelassen sind. hergegeben und die Zukunft wird ur-
ob ich dieser Sache gevient habe oder nicht.
-och h.-.be die Ordnung aufrechterhalten und die

Einzug des Papiergeldes
und Abstempelung der Wertpapieer

Die „Berliner Börfonzeitung" ber'chbet aus Wor-
mar: Zur genauen Feststellung d:r vor-
handienen Vermögen, die zur rostlvsen Evfasiung
durch die Steuer notwondjg rst, hat sich das Ar-
boirsministerium entschlosien, folgende Aisaßregoln
in dio Wcge zu leiten:

Zn nächster Zeit wrrd alles vorhan-
dene Papiergeld eingezogen und
dnrch Eutfcheine (Zwischenscheine) er-
fetzt, die wieder gegen das nene Papier-
geld eingetauscht werden. Hierdurch ist
jeder gezwungen, vorhandenes Bargeld
abzuliefern und zugleich die Summe
anzugeben, denn er erhält nur soviel zu-
rüä, wie er abgegeben hat, während das nicht
abgelieferte Pnpiergeld für nngültig er-
klärt wird. Ferner werden sämtliche Wertpa-
picre einer Ahftempelung unterzogen und so-
dann unter Kontrolle gebracht. Alle nicht
abgestempelten Papiere verlieren
ihren Wert.

Aehnliche Mahnahmen sollen mit den B'rträgen
vcn Gosellschasten vorgenommen werdon, um dle
dört invostierten Werte festzustellen.

Ein bayrischer Gegenvorfchlag

Die Finanzvläne des Reichsministers büben
ourch den Beschluh des Finanzau<chusses des baye-
rischen Landtag.'s einen gehörigrn Nregel vorge-
schriben.bekonlnwn. Der Finanzausfchuh erklärt auf
Antraa des Zentrums gegen die Stimmen der So-
ziu'llde.mokr.at2n, datz den BÄürfnissen des Reiches
genügend R-chnung getragen werdcn tönne durch
ein Reichsgesetz des Juhalls, daß rn allen
Eliedstaaten eine allgemeine Eintommenstsuer
durch bckstimmte. vom Reiche aufgcstcllte No:men
erhoben werden muh und datz von dem Ankall der
üandeseinkommensteuer ein bestimmter Pro-
zentscch an das Mich abzuführen ist. Zur Wahrung
des Reichsinteresses wird ein Ausbau devRerchs-

aufsicht, wie sie besond^rs für die Zölle und die
drrekten Steuern brreits besteht, iür genügenU er-
achtet.

Auf Erund dieser Entschliehung w.rd nunmehr
der üayerische Finanzminister mit den Fiiransmi-
nistern der übrigen Staaten, inÄbcsonhere zunächst
her süddeut >s ch -en, susmnrnenkommcn und dlcmrr
d-m S4aatenauc>sch'.'.h den Gegenvorschlag in
Fcain eüner Vorlage unterbrei'ten. Es rft
kein Zweifel, dah die ührigon E-liedstaaten diesem
Eegsnlvovschlag-Vayerns zustimmen werden.

Die Umsatzsteuer

Der Schleier, der brsher über den Plänen d:s
Reächsfinangministers Erzberger bezüglich der Ilnr-
sah-steuer liegt, lriftet sich alsmählich. Die Blätter
erfahren oinen Teil der Umsahsteuervläne, dec als
Erurrdnvrm die Erhöhung einer Steuex von 1 v. H.
zugrunde lkogein soll. Eie wird z. B. bei der Her-
siellung von Lurusgeg'nständen und ber Zo'.tmrgs-
paprer beun Hersteller e.hoben werden und 10
v. H. betrage-n. Sie wird beim Verkäufer e--
hL'bon bei Hausbaltnngsgcgenständen und Lebens-
mitteln in Höbe von 5 v. H. Feinkost und Blumen
roerden mit 15 v. H. besteuert, desgleich >n. die Un-
terbringung in den Easthösen, >die AnfbewahrNirg
von Wortvavieren, von Wiertgegenstäncen nrit
10 v. H.

Amerika als Krcditgeber Dcutschlands

Der deutsche Finanzag nt Martin NoM:gg, der
sich gegomvärtig 'cn Nowyork hefindct, Hat nrit
einein grohen Dankkcnrzern rm Namen und Auftrag
der Deutschen Vank erne Vereinbarung ge-
trofsen. laut der e'n von der amerikanlschnr Regie-
rung genehmigtes Darlehen für dio Einiuhr
VMii Lebonsmittcln und and'ren Wtaren zur Verfü-
gung gestellt wird. Deutschlaüd erhält vorläusig
einen Kredrt von mindostens 100 Millionen Dol-
lars und zwar zur.ächst für eine Frist von drei Mo-
naten, dre jcidoch jedcsmal oerlängort merden kann.
DeutschlanU muh 10 v. H. der Suinnre des Eesawt-
darlehens in amcrikanischon oder anderen Wertva-
pieren als Sicherhekt hinterlegen.

Freiheit und die Rechte der Bürger gewahrt. Jch
habe die Leute entlassen. die das Land der Nieder-
lage zuführten. Auf diese Weise habe ich regiert.
'Es ist Jhre Pflicht und Jhr Recht, die Wahrung
der parlamentartschen Jnteresien voll und ganz zu
verlangen. aber unter der Bedingung, dah
diese Leute beweisen, dah das, was sie verlangen,
möglich ist.

Die Priorität der Tagesordnung Augagnur,
zu der Clemenceau die Vertrauensfrage
stellte, wurhe jedoch in namentlicher Abstimmung
mit 272 gegen 181 Stimmen abgelehnt. Die Min-
derheit der Negierung hat sich also in eine Mehr-
heit von 91 Stimmen verwandelt. Darauf
wurde d:e Vertrauenstagesordnung mit 289 gegen
146 Stimmen angenommen.

Noch immer keine „Internationale"

Wis aus Paris gemeldet wird, bat bie sozta--
listische Partch Frcrnkre'.chs sich dasür ausgssprochcn.
dah dircktc V e r ba n d l u n g e n c>d«r Vesvre-
chungen mit den de u t s ch e n cv-r österro°chischen
Eenosicn bis auf w> iterrs n i ch t aufzunehmen
seien.

In Rom wurbe ain Montag eine sozialistische
Versanrmlung obg-:halte,l. Es hatten sich jeboch
nur wenigo bundert Personen eingefunben. Tu-
rati erklärte in einer Rehe. :n de? er cvuf die Hal-
tung aewisier französische-.- und italie'.ischer Aibei.
terorganisationen ansprllte. dah die wahre Jn-
ternntionale nol. nicht seschaffen sei.

Wilson und der Senat

Amsterdam, 23. Iuli. Die „Times" meldet
aus Washington, dah Wilson wohl noch mehrere
Tage verhindert sein wird, die Staatsgeschäfte zu
führen. Das Ersuchen des Präsidenten an den
Senat, die Ernennung der amerikanischen Mtt-
glieder sür die Wiedergutmachungskommisston,
stöht bei dcn republikanischen Mitgliedern auf
Widerstand und wird wahrscheinlich nicht an-
genommen werden. — Das gesamte amerikanische
Volk widersetzt sich der vorgesehenen Lösung der
Schantun g-F rage. — Auherdem herrscht Be-
unruhigung über den Beschluh Wilsons. ketnen

Konsul fllr Deutschland zu ernennen. be-
vor der Friede ratifiziert ist.

Eenf, 23. Juli. Wie der „Herald" aus Ne-rvyo.k-
meldet, lst die Ovvolition gegen Wilson im
Senat im Abslauen begriffen. Von der Ovvo-
sttion ist. ein Drittel zu den Anhängern
übergegangen, nachdem d:r Präsident am letzten
Montag dbe Uumöglichkeit darlegte, den Fried'ens-
vertrrrg umänd-rn zu können.

Wahnsinnige Forderungen

Rotterdam, 23. Zuli. Dailn Mail" meldet:

Die englische Kommission zur Prüsung
der Schadenersatzsrage hat sich auf cine
Summe oon 100 Milliarden Schilling
geeinigt. Mit den von Frankreich angekündlgten
200 Milliarden und den belgischen 55 Milliarden
würde sich eine Schadenersatzpflicht von 355
Milliarden Schillings crgeben.

Aus dem besetzten Eebiet

-- Ludw'gshafcn, 23. Iuli. (Privattel.) Der
oberste Mrwalter des Saargebi'ets Eeneral A n Ll-
lauer, erklärt« sich bereit. den S.iardeutsche,i im
Elsab-Lothvingen besondere Begüiistigunaeil zuteil
werden zu lassen. Er veranlahte die AufhcLung
der Liquidat con der Saardeutsch 'n in Elsah-Lotb-
ringLn, welchs in, Erfüllung des Artikels 74 ersol-
gen sollte.

--- Ludwigshafen, 24. Juli. (Privattel.) Wie
wir hören, hat der Haudels-Sch':ffal,rtsvere'nl in
Speyer an die frcmzösische Besatzungc-behörde ei„e
Eingalbe betr. sosortige Oeffnung der
Schiffsbrücke Speyer gsrichtet, damit recht
bald die fertzt schon seit Mvnaten unterbrochenen
Hcrndelsboziehun»geu mit dem bLdischen Nachbar-
lande wieder aufgenommcn werden könncn.

* Die Auslicferungen. Aus dem Haag meldet
der Berliner Lokal-Anzeigcr: Jn London u-ill inan
wisien, dah die Namen des früheren Kronprin-
zen, Hindenburgs und Ludendorffs
nicht auf der Listo der auszuliefernden Personen
stehen.

Vauer und Müller

Der Verbrauch an tüchtigen Männern und
Kräften, den die Ereignisie seit dem 9. November-
fordern, macht sich allmählich auch bei der Sozial-
demokratie bemerkbar. Auch die Herren Bauer
und Müller sind, das haben ihre gestrigen Reden
bewiesen, nichts mehr als geschickte und durch ihre
parlamentar. Schulung routinierte Debatteredner,
aber Staatsmänner sind sie nicht. Auch in ande-
ren Ländern. in denen das parlamentarische Sy-
stem herrscht, sind die Minister den Parteien ent-
nommcn. aber niemals wird ein englischer oder
französischer Minister so ausschliehlich als Partei-
redner sprechen, wie es gestern die beiden deut-
schen sozialdemokratischen Minister getan haben.

So ist denn ouch die Enttäuschung tief,
denn oon dem wirklich „grohen Tag", den mar«
allgemein für gestern erwartete, war in der Na-
tionalversammlung nichts zu verspüren. Das zeigt
sich auch in der Stärko und dem Vereich des Bei-
falls, der den beiden Reden gezollt wurde. indem
er kaum über die Erenzen der Linken hinausging.
Veide Minister, die doch Minister des ganzen deut-
schen Volkes sind, betonten wiederholt ihre Zu-
gehörigkeit zur Arbeiterklasie. Das ist gewih ihr
gutes Recht, aber wenn sie dann die innere und
auswärtige Politik fast immer wieder nu: vom
Standpunkt des klassenbewuhten Sozialisten aus
betrachten und dabei noch die Naivität besitzen.
für Freiheit, Eleichheit und Brüderlichkelt. Döl-
kerbund und andere Utopien einzutreten. so tön-
nen sie sich nicht wundern. dah si° auf schärsste Op-
position stohen werden. Die Debatte der nächstsn
Tage wird dies beweisen. Gerade nach dem
Fiasko und der Komödie des internationalen
Weltproteststreites ist es doppelt töricht, immer
wieder davon zu reden, dah wir durch Bravsein
das Vertrauen und die AchtuNg der anderen er-
ringen mühten. Als ob die Anderen von uns
überhaupt was wisstn wollen! National stark
denken nur sie, international verwäsiert unsere so-
zialistischen Weltverbrüderungs-Phantasten. Wenn
gar Müller von uns verlangt, dah wir uns in die
Mentalität des französischen Volkes einfühlen soll-
ten und sich nicht scheut, Vorbeugungen und Kom-
plimente entwürdigendster Art vor Frankreich und
Belgien zu machen. er sich sogar zu der wenn auch
verklausulierten Behauptung versteigt, dah schon
der Eedanke an eine etwaige Vergeltung unter
keinen Umständen in Deutschland gepflegt werden
dürfe. so können wir ihm auf diesem Wege nicht
folgen.

Wir, denen die Schmach dieses t^riedens tief
in der Seelg brennt, und denen deutsche Erösre
und doutsches Ansehen nicht nur leer Worte sind,
sondern den völkerverbr-üdernden Zdealen Miächst
noch sohr skeotisch g-sgenüberstehe-n. verlanüen vo.n
einem deulschen Minlsterpräsidenten und cinem
deutschon Minister des Aeuszern. dah ste bel aller
Wcchrung gewisser internatlonaler Höflichkeiten,
wie sie denn Besiegten den Siesern gegenüber L-e-
sonUers zukommei:. vor allem den Standpunkt
deutscher Würde wahren. Wo hat ein fran-
zösischer oL>er auch italienlscher Minister in den
Tagen der gröhten No>t, in die sie im Verlauf des
Krieges doch mohr als einmal geraken war, so 6e-
sprochen, wie Herr Hermann Müller ans Berlin-
Lichtonberg.

So ist der Eindruck beider Neden veinlich. Die
Versrsier der Neden. die das Manluskrwt sür die
Minifter angesertigt haben — das übrigens von
thnen stolpernd und stockend aihgelesen wurde —
habon ihnen einen üblen Dienst damit erwiesen,
dah sie allerlei FraLen aus der Darteipolitlk mit
hlneiilgobracht haben. Dcv die Angrisfe auf die
äuherste Rechto llnd äuherste Lin-ke zumtsil sehr
scharf uird übendrein much noch taktlos waren, so
war von vornherein eine stärkere Ovvcisition auk
den Plau oerufeu. Man kcvirn sich. wie M.in auch
immer dio Reden betrackstet, des Eefühls nicht
errvchren, als ab d:e beiden Minister gewisserina-
hen im Auftrag des Parteivorstandes zwei Wahl-
uud Agltationsreden gchalten baben und dah die
Politik, die sie vertreten, nicht auf lanas Frist ge»
stellt ist, sondern nur die dringendsten Fragcn des
Tcrges u-nd der Stunde M lösen versucht, wobei
das parteitaktische Moment den Aus-
schlüL, gibt. iul Erunde Oenommen «lso Ge-
w e r ks ch a f ts se k r e t n r s p o l i t i k vom Ntini-
stersessol aus, d. h. auf deuk ch glattester Dilettan-
tismus, der sich beispielswets.: in der Stellung der
beiden Minister in der Frige der privatoa Krodite
ain de»l.tlichsten zeigt, in der sie zwei entgesenge-
setzte Standpunkte einneh nen.

' Für den .aNfrichtigen Vaterlandsfreund erwach-
sen schwece Bedenken h:i solchen Reichsleitern.
Unwillykürlich lst uns bei der Lektüre dor-belden
Neden das Sprüchlein Pcvull Heyses ernaefallen:

..Dilettanten beneid ich von Herzen.

ILnen ist grohes Heil verliehn:

Klnder gebär^n sie ohne Schmerzen, ^

Und brauchen hernach sie nicht zu erziehn.

I,n vorliegendeir Falle muh allerdings das
deutscho Bolk die Erziehungskosten tra-gen. und
wir fürchten, dah ste nach diesen Probeir recht hoch
sein weroen. («)
 
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