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(UnabhLngige Tageszeikung)

Verkündigungsblatt für Nordbaden ünd die angrenzenden Teile von Bayern. Sessen und Würtlemberg.

Das Wichtigste vom Tage

Dec Streik in Berlin hut sur völlig^n
Stillogulvg des Verkehrs geführt.

General v. Lettow-VorLc'ck hat Ham-
burg, ohne Wiiderstand zu finden, Leisotzt.

Die Entente hat Bethmann-Hollwegs
UnerLieten, ihn statt des Kaisers vor Gerjchj
Lu stellen, aLselohnt.

Riga wurde von lettischen Truvven einge-
nommen.

Die Kommunisten in Wien fordern die sofortige
Ausrufung der Räterepublik.

Der verkehrsstreik in Serlin

Aus Vaden

Der badischs Landtag setzte gestern die Verhand-
lungen über die Universitätsre'form fort.
Während Ler Räde des Abg. Lescr (Dem.) ver-
lietzen die früheren nationalliberalcn ALgeor-)ic-
ten den 'Saal.

Eine de,n Landtag zugcnangen-e Worlage sieht
aus.Erhöhungen Lar Einkommen- und Ver-
mögenssteuern 114 Millionen Mark Erträg--
nisse vor.

Zum badischen L a nd e s k o m m a ndn n -
ten wurh-o General v. Davans ernannt. ^

Die Friedensratifikation

Ein Londoner Telegrwnm Lesaat: Von zu-
ständrger Stelle wird mitgüeilt. dafi England
Zrankreich, Jtalien unid Belgien den
Frisdensoertrag schon seihrbald ratifizie-
cen werden. Bezüglich Amerikas ist man
übereingekommen. dafi Wilson den Friedens.orr-
trag ratifizisrt; der Vertrag inufi jedoch formell
dom Senät und Reprässntantenh aus vorgelogt
werden.

Nach Blättermeldnngen aus Washington hat der
Senat die Botschaft Wilsons, obsluch fie d:e of-
fyielle Ankündigung des Friädens iist. ohne jode
Kundgobung aufgenommen. Senator Hitchcock hat
erklärt. datz.der Senat wahrscheintich dcn Fvied"ns-
vertrag mit 80 gegcn 60 Stimmen rcrtifizieren
wivd, da 46 Demokraten und 34 RepuLlikanov für
die Ratifikation stimmen w^-rden.

Die deutsche Reichsrcigievung Loschciftigt sich
mit dem Eedanken, den Friedensvertrag so>bald
wie möglich durch die Natronalverfammlung an-
nshmen zu lafien. damit die Ratrfizierung des
Vertrages seitens der deurschen Regierung Lald
erfolgen Lcmn. Nach dem preu.tz'.scheu Recht mutz
vorher. da es sich um di,e Abtrenuung vreustischer
Eobiete h'andelt, auch die Zuftimmung der preu-
tzischen Landesversammlung oingeholt werden.
Di? Aunahme des Vertrages. durch Leide Parla-
mente soll noch vor der parlamentarfichen Som-
merpause erfolgen.

Süddeutschland und die Unterzeichnung

In der Landeskonserenz der hsfiischen Sozial-
oemokrateN: «n der etwa 200 Delogierle. Laudcs-
vorhtandsmitglieder. Regierungsvertrerer uud Dkit-
Mieder der Vo.kskammer. fcrner Dertreter der
oadrschen Partei. sowie der Partetorganisytiou
,^rank,uct anwejend waren, machte Genofis Dr.
Quetzel.lansere Avsführungen über die Stellung
2er Sozialdemokratie. wobec er u. a. ausführte
dan dj^ fozialdeinokratischen Abgeordneten Hessens
oarubcr eimg waren, datz der Vertrag un-
terichrieben werden müfie. wolle man nicht.
oatz He„en. Baden und Württemberg Lesetzt
wurden. Vei Verweigerung dcr Unterschrift
hatte man sranzösi'cherseits den Genossen Ulrich
Soi'.derfrioden zu unlerzeich isn.
Hatte sich Ulrich geweigert. so hättcn dies die U.
m' o^aa. Das Gleiche wie in Hefien. wäre in
^urttemberg und den Nheinlanden dcr
d-,. s ^cstn. Die dann crsolgondo Abschnürung
oer Kahlengebiete hätte die Städte dem Hunger
tode ausacliesert.

Die Wiederaufnahme der diplomatischen
Veziehunqcn

^ (Pri.vatiel.) Die „Jiif." er-

alliiicrten Nogiorunsen seien
Uldereingekomnien. die offiziellen divwmatischen

Verkehrsruhe!

Die erften Folgen dss Verkehrsstreiks sind viinkt-
lich singetreten. Die Stratzenbahnen und
die Vorortbahnen stehen yöllig st t ll. Der
politische Charakter des ganzen Verkehrs-
streiks tvitt immer deutlicher h-rvor. Dio Regie-
rung fcrtzt rhn als einen Entfchetdungs-
kampf mit den umstürzlerischen Ele-
nienten auf und ist bereit, rhn aufzunShmen. Von
den DvahtLiehern wird offcnbar versu-cht, Den Ver-
kehrsstreik sum Generalstreik su. evweitem, was Lei
den schw'ioigen Verkehrsverhältnissen und dem sehr
bald su erwartenden Kohlenmangel sich auch Lald
ecgsbew kann. Schon heute schUnt wach dem gerin-
geren Kraftvevbrauch der Jndustriowerke su schlie-
tzen, die Arbeit in den grotzen W-Tken nicht
mehr in vollem Umfang geleistet zu wer-
den. Die Kohlenlieferungen stnd heute
schow aufs schwerste gefährdet. Die Ber-
lmer elektrischen Werke haben Vorrate nur für
3—4 Tcrge, Neukölln für 1—1^ Tag. Inr Berliner
Gaswerk sind für 5 Tage KoHlen vorhanden. Es
krmmen bereits Meldungen Mcx das AwLalten vlIN
Kohlensügen. Dagegen Loabstchtigt die Rogierung,
ui'litär'vsch einzuschreitcn. Nur die OmniLufie in
d:r Stadt fahren noch, wenn auch unregelmätzig.
Jnswischen sucht wieder eine grohe Ansahl von
Fuhrwerkew zu hohen Preisen den Voikchr ausrecht
zu halten. Auch die Regierung hat angsfangen,
ivnerhalb der Stadt M i l i t ä ra u t o s zur Beför-
derung von Poiisonen zur Verfügumg zu stellen und
gedenkt dieses Mrttel weiter auszuLauon. Die
Hauvtmasse der Berliner muß aber zu Futz gehen,
wozu sich ldas Lefier gewordcne Wetter auch eigner.

Bon einer Vevliwer Korrcsvondc-nz -wird noch
mitgeteilt: Jmmer deutlicher zcigt es stch. datz die
Strciks in B'rlin von dunklew Elementen insze-
mert und durchgaführt werden. Mit allen Mctteln
r-crsuchen die kommunistischen Agitatoren d':e Eisen-
Lahner wicdsx rw den Ausstand d^r Verkechrsange-
stellten chineinzuziehen. Nicht ohne Erfolg! Jn
einer grotzen EisenLachncrversammlung wurde näm-
lich unter allg^meinem Beifall gefordert. die Eissn>-

Lahner sollten sich wergern, sowohl Pevsonensüge.
als auch Kohlensüge und vor allem die LeLens-
mittelzüge zu Lefördern. Das Prolctariat
haLe 4^ Jahre lang gehungert für den Kapitalis-
mus, jetzt könn-ten die Kapitalisten auch eiwmal fur
das Proletariat Not leiden.

Jn derselben Versammlung erklärte eln ALge-
sandter. des MetallarberterverLande-:,
die MetallarLeiter stünden dem EisenLachnevstreik
sahr sympathisch g-genüber und sie w-ürden -woch im
ü-.ru'fe dieser Woche Stellung daru ndhmen durch
cine Sympatchiekundgebung. Er schloh mit den
Worten: „Wir haben einen zweiten Schlag vor.
der hosfentlich bcfikx klappen wird wie d«r am 0.
Nooember." Auch ein Vertretcr der Holzarbeitcr
erklärte, datz >die Holzarbeiter mit den EisenLah-
nern sympathisierten. Damit incht genug. Lereitet
man jetzt «rnen neuen -Streik in der Zucker in-
dustrre vor. Wie verlautet, soll in. den Zucker-
fabriken der Ausstand Leginnen, sobald jetzt dle
ve-m Auslande bezogenen Rohmaterialien zwr Ver-
arLeitung an die Raffinerien gelangen. Auch chier
hat Eichhorn, Lereits für eine weitgahendo Pro-
paganda gesorgt.

Der angekündigte Ba n kbea m t en streik ist
verschoben worden, weil sich inswischen Her-aus-
gcstellt bat, datz Emonts wegsn L o ls che w i st i-
scher Propaganda verhaftet worden ist. wo-
mit die zu rcin wirtschaftlichen Zweckew vereinss-
ten BankLeamten nichts zu tun Laben wollon.

Ein neuer Erlah

Berlin, 2. Juli. Der Miwister der öffentlichsn
ArLeiten crlätzt anlätzlich des Streiks eine Be-
kanntmachung, in der es zum Schlutz heitzt:

„Die Arbeiter, die nicht bis spätestens 3.Juli
ichren Dienst aufnehmen, sind entlasfen,
eüenfo erhalten Veamte, die nicht Lis zum
3. Juli wiedcr arbeiten, ihre Entlafsung
nach den disziplinarifchen Vesiimmungen. Für
Sicherung der A r b e i t s f r e i h e i t isi Sorge
getragen."

Und wonn dicser Erlaß. gloich dem Nostes, aus
Schwäche wrcder rurückgezogen wird. was dann?

Bcziebungen mit Deutschlawd unmittelbar nach
der Nat i fiz i er u n g des Friedensvertrages
durch da§ deutsche und die alliierton Parlamente
wieder auszuwohmen. Deutschland werde alsbald
ersucht. an den Sitz der alliiertem Regierungen
seine Gyschäststräger und Botschaster zu entsen-
den.

Bern. 2. Iuli. Wie die Basler Nachrichten
aus Paris molden, wird Fvankreich wegen der Un-
bestänidigkeit der deutschen Re.gi-erung für Verlin
nur einen Eeschäftsträger ernennen.

Die ersten Handelsregungen

Basel. 2. Iuli. (Prrvattel.) Die Dailu News
melden: Die englische Negierung gestattet die
Wi edereröffnun g der in England befind-
lichen F i l i a lh ä .l s e ^ deutscher Firmen
und aenehmigte zugleich den -ungehinderten
Brief-, Telegramm- und sonstigen Ee-
schäftsverkehr zwisckren den Handelshäusern
in Doutschland und ihren englischen Niederlafiun-
gen.

Stockholm. 1. Inli. Nach einer Meldung aus
Lulea wird die Erzausfuhr nach Deutsch-
lcnrd in nächster Zsit in arotzem Matzstabe
aufsenommen. Im Laufe der näckioten Woche sol-
len 30 Dampfer mit Erz in deutschnr Häfen
eintreffen.

Das besehte Cebiet

Mainz. 2. IM. (Privattel.) Ini Vereiche der
englijchen und a m e r i k a n i s che n Be-
satzunaszone sind.Milderungen in der Handhaüung
des Belagerungszustandes Lereits lu Kraft ge-
treteir. Die militärischen Oberbeschlshaber Haig
und Pevshrng haben entsprechsnde Kundmachungen
an dre Bevölkerung ihrer Befehkbereiche gerich-
tet. Dve Milderungen beziehen fich hauptsüchlich
auf das kommerzielle Eobiet. Fn der franzö-
sischon Besatzungszone sind daaegen Lis heute
noch keinerlei Erleichterungen für die
Zrvilbevölkerung einaetreten.

-?uli- (Privattel.) Der Mat-w Le-
richtet: Mar>chall Foch hatte oine Besprechung
mit Clemenceau. in beren Verlauf die Natwowdig-
keit der Aufrechterhaltung siner starken alliierten
Armee von mindestens 700 000 Mann in den be-
setzten Gobieten für nötig erachtet wurde. Di-e
, militäriiche Beroitschaft soll Deutschland in der
' layalen Erstillung ieiirer eiagraangeuHn Verpflich-

tungen bestärken. Die Kommäirdanten dex Ve-
satzungsarmeen in der Pfalz und i,n Rhoinland
erlafien Erklärungen. wonacb der Belagerungszu-
stand irn besetzten Göbiet unter Mvldsrung einiSer
Bestrmmungen voirläufig aufrecht erhalten
Ll-eiibt.

Kehl. 2. Iuli. Die Franzosen haben an
der Rheinlbrürke dre deutschen Wappen entfernt
und dvrch französische ersetzt.

Kundgebungen gegen die Wafsenstillstands-
Kommission

Spaa. 1. Iuli. OLwohl den enslischei.r und
belgiischen Behörden bekannt war. datz der AL-
transport des Hauptteiles der Waffenstillstands-
kommifiron labeirds um 0 Uhr erfolat, verhm-derte
ste starke de-utschfeindli.he Kundgebun--
gen und Ausschreitungen im Hotel und
in den Stratzen n icht. Iohlon. Pferfen, Schrero
und foindliche Rüfe erfolgten, auch murdsn Steine
auf die crbfcchrenden Automobile geworfen. Ei-
nige Steine trafen ein Autoenobil. es aab aber
keine Berletzungen. aber eiiie Glasscherbe wurde
zertrünrmert. Die Hwltung ber englischen und
belgrschon Polrzrsten war tadellos. Am Bahnhof
evschion . der enalische General Groel persönlich.
Ein zcchlreiches Aufgebot war jedoch machtlos. da
die Bevölkeru-ng anschrinend von auswärtigen
Elomenten aufgehetzt war. Ein ron der belgischen
Zivrlbehörde trotz Ersuchen der belgischen Gen-
darmerie nrcht vevbotener Umzug mit Musix trug
zur Aufreizung der Bevölkerung Lei. Nach -den
Vorkammnifien von Versailles hätten die engli-
schen und belgischen Behörden a>e>tt Lefiero Matz-
ncchmen treffem

s Neichsministkr Dr. Preutz rst für die weitereir-
Arbeiten am Verfafiungswerk mit dcr Vertretung
des Noichsministeriums bctraut woiLcn.

* Vielcfeld besctzt. Die Regiermngstrup-
pe n sinld hrer eingetvoffon und habcn die öffent-
lichen Gebäude besetzt.

Staatsbankrott und Volks
wirtschaft

Von C. tho Rahde*)

I.

Nachdem die Annahme des Schmachstiedens
jeder Kritik an der Regierung freie Bahn eröffnet
hat. dre bislang mit Rücksicht auf unsere auswär-
tigen Beziehungen und inneren Verhältnifie zurück-
gestellt werden mutzte, darf offen von dem bevor-
stehenden Bankerott des Reiches geredet werden.
Der Bankerott war vollendete Tatsache in dem
Augenblicke, als der Reichsschatzminister Schiffer
nach sernem zweiten Appell zur Sparsamkeit von"
seinem Amte zurücktrat. weil er die Verantwortung
für die dauernde Nachgiebigkeit der Regierung
gegenüber Klassen- und Eassenansprüchen nicht
mehr übernehmen konnte. Sein Amt ist über
Dernburg auf Erzberger übergegangen, der den
Hero ratenruhm zu begehren scheint. neben dem
auswärtigen Bankerott der deutschen Ehre auch
den Bankerott der deutschen Finanzen mit seinem
Namen zu decken.

Aeußerlich ist allerbings der Staatsbankerott
noch nicht zur Anmeldung gekommen: das Reich
hilft sich mühsam hindurch mst dauernder. ange-
strengter Benützung der Notenprefie. obwohl der
Finanzleiter wissen mutz, datz die monatlich in Mil-
liarden neu in den Verkehr gepretzten Noten dem
Reit- und Kellerwechsel des bedrängten Privat-
schuldners zum Verwechseln ähnlich sehen. Ein-
zelne Zahlen würden das Vild nur verwirren, zu-
mal die Regierung ängstlich mit Zahlenmaterial'
zurückhält^ es genügt darauf hinzuwrisen. datz das
jetzige Eesamteinkommen des Neichs auch nicht an-
nähernd zur Deckung der laufenden Ausgaben
ausreicht, von den Ausgaben für die eigentlichen
Anforderungen des grotzen Krieges ebenso abge-
sehen wie von den uns noch obliegenden Zahlun-
gen an die Entente. So wächst die ungedeckte
Staatsschuld ins Riesengrotze, tcils in Wechselver-
pflichtungen gegenüber der Bankwelt. teils in Stei-
gerung der Notenausgabe. die in den ersten Mo-
natswochen regelmätzig 1 Milliarde Mark und
darüber — ohne jede Rückflüfie in den folgenden
Wochen — ausmacht bei der bestehenden Ueberfülle
an Zahlungsmitteln nicht auf Bedürfnifie des
Wirtschaftsverkehrs, sondsrn ausschsietzlich auf die
Finanzverlegenheit des Staates zurückzuführen ist.

Dennoch, trotz dieses klaren Tatbestandes.
scheut die Regierung davor zurück, dem Staatsbau-
kerott offen ins Auge zu sehen. sondern hält ängst-
lich an der Fiktion fest. als könnten die gänzlich
verwahrlosten Staatsfinanzen bei gleichzeitiger
Aufrechterhaltung unserer 'Privatwirtschaft stch
ohne Bankerott wieder in ihr Eleichgewicht brin-
gen lassen. Diese — für die Einsichtigen bewutzte
— Unwahrheit ist auf innerpol'.lische RUcksichten
zurückzuführen, da die gegenwärtige schwächliche
Refiierung den bei einer staatlichen Zahlungsein-
stellung zu erwartenden Unwillenssturm fast des
ganzen Volkes nicht um einen Tag überdauern
würde. fehlt ihr doch jetzt schon d»r -Kredit für die
allerbescheidenste Anleihe. Ein Blick auf den Kurs-.
zettel zeigt uns, datz beispielsweise der Kurs dei
vierprozentigen. durch erste Hypotheken gedeckten
Pfandbriefe sich um 100 Proz. bewegt. während der
Kurs der fünfprozentigen Kriegsanleihen sich müh>
sam mit allerlei künstlichen Mittelchen auf 7-
Prozent gesenkt hat.

Was bedeutet nun der Staatsbankerott? Selbst
für den Fknanzmann sind die Folgen unühersebbar
Zunächst verlieren Anleihen wie Noten ihr.en Wert
Alle diejenigen, die aus glühender Vaterlands
liebe ihr letztes Schärflein in Krstgsanleihe angec
legt haben, werden bettelarm. und Millionen vor
beschoidcnen Nentnern. von Witwen und Waisei
kommen an den Bettelstab. Aber auch diejenigen.
die ihr Vermögen bei öffentlich rechtlichen Vank-
instituten bei Sparkafim und bei Banken ange,
legt habe'n. stehen nicht viel besser da. haben doch
alle diese Anstalten einen mehr oder weniger gro-
tzen Teil ihrer Mittel. in Reichsanle-hen unk:
Reichsschatzwechseln angelegt. Was ferner die Zah
lungsunfähigkeit des Reiches fllr die vielen Staats.
pensionäre, für das unzählige Heer- von Staats
und Roichsbeamten. von öffentlichen Angestelltei'
und Arbeitern aller Art. für die ganze soziale Ver-
sicherung bedeutet. braucht nur gestreift zu wev
den um die gewaltige Erschütterung zu abnen. dn
der Staatsbankerott über die ungeheure Mehrhei'
unseres Volkes bringen wird.

Da sucht und sucht man nun nach Ausweger.
aus d'ieser unentrinnbaren Not hat aber die etm
zige Hilfe. die altpreutzische Sparsamkeit. zu de^.
Schiffer gemahnt hat. achtlos aus schwachstcher
Nachgiebigkeit gegen die ücb übersturzenden For^
derungcn oiner Gesellschaftsklafie, d:e sich mit

^) Die Frage unserer Staatsfinanzen wird voi-
Tag zu Tag kritischer. Wir lafien daher rn der
nächsten Tagen mehrere Artikel hieruber folgen
die z. T. sehr pessimistisch gehalten, aber doch eine?
tröstltchen Ausblick gewähren. Schriftltg.
 
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