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tung zu schauen vermochte, ver ist sich darüber
klar, daß es nur einen Erund gibt, weshalb
Erzberger vom Leder zieht: die Schwäche
0er Regierung und das völlige Ver-
agen in politisch schöpferischer
Beziehung! Die Aera der neuen deut-
schen Republik hat uns bisher keinen er -
löfenden politischenEewinn ge-
bracht. Man mag in Weimar an der Ver-
fassung mit Fleitz gearbeitet haben, an poli-
tischer Führung aus dem Sumpf heraus hat
die Regierung es an jeder Erohzügigkeit und
Fähigkeit fehlen laffen.

Zunächst pflegte die Regierung monatelang
den sozialistischen Gedanken in
Neinkultur. Sie vermochte sich von den
Zwangsvorstellungen einer 50jährigen Agi-
tation und Negation nicht freizumachen. Sie
wollte Sozialismus schaffen und hatte kei'ne
Ziele. Sie behauptet, Sozialismus sei Ar-
beit, und wir versanken immer tiefer in die
Arbeitslosigkeit. Man verstand nicht Ruhe in
die Bebölkerung zu bringen, Lebensmittel her-
anzuschaffen, neue Arbeitsgelegenheiten zu
crmöglichen, man lietz alles in der Wirtschaft
gehen, wie es wottte. Der Druck der
Stratze wurde Gesetzgeber. Die Re-
volution und der Sozialismus brachten keine
politisch führenden Köpfe hervor, konnten es
auch nicht, weil der Sozialismus fünfzig Jahre
hindurch nur verneinende Politik getrieben
hatte und so keine Erziehung politischer Per-
sönlichkeiten zu positiver Staatsführung leisten
konnte.

Wer die politische Stimmung im ganzen
Lande verfolgt, wird zu der lleberzeugung ge-
langen, datz die Lobredner der Nevolution
verstummen. Der Radikalismus links zieht
seine Nahrung aus dem Versagen der Revolu-
tion, weil diese Revolution die Diktatur des
Proletariats nicht gebracht hat. Die beson-
nene. Arbeiterschaft und das Bürgertum se-
hen nichts wie die Wüste, die die Revolution
geschaffen hat. Zwar wird uns von der Re-
gierung erwidert, es sei das die Folge einer
falschen Regierungspolitik der Vergangenheit.
Jch erwidere, wir waren reich noch am Tage
der Nevolution, und wenn die Revolution
einen grotzen Führer gefunden hätte, den der
Sozialismus hätte stellen müffen, dann
brauchten wir nicht in diese furchtbaren Zu-
ständS der inneren Verwüstung zu versinken,
in denen wir heute unser Dasein fristen
müffen.

Däs sind die Empfindungen, die heute be
wußt durch däs Land ziehen ünd die überall
die Sehnsucht aufkeimen laffen nach ünderen
Zuständen. Wohl weiß das Volk und eMpfin-
det es, datz ditz einfache Formel der Wieder-
herstellung verfunkener Zustände in Deutsch-
land uns ttichts helsen kann und dem deut-
schen Volke in dieser Stunde nicht die Erlö-
süng zu bringen vermag. Eine Eegenre-
volution wäre die törichte und fri-
volste Jdee, die heute in das Volk gewor-
fen werden könnte. Aber die Sehnsucht nach
Ordnung und Ruhe, nach Sicherheit und fried-
licher Arbeit macht sich im deutschen Volke in
einem Maße breit, datz hier dieKeime eines
politischen Umstimmungs - Pro-
zesses sich schon deutlich zeigen. Die Auf-
gabe der bürgerlichen Opposition wird es sein
müffen, dafür Sorge zu tragen, datz in diese
Welt der Sehnsucht die Eedanken hineinge-
pflanzt werden, die das Volk als die richtigen
und die erlösenden betrachten wird und denen

es die Eefolgschaft zu leisten vermag. Erzber-
ger und die nach seinem Rezept Regierenden
sind auf dem Holzwege, wenn sie glauben,
datz sie mit ihren Skandalmethoden ein un-
glückliches Volk aus der politischen Not zu er-
lösen vermöchten. Nein, dieses Volk wird —
und die Stunde ist nicht fern — mit einem
furchtbaren Gericht Lber die Art,
wieheuteinDeutschland„regiert"
wird, antworten und unsere Aufgabe soll es
sein, dafür Sorge zu tragen, datz die Sehnsucht
des deutschen Volkes in der entscheidenden
Stunde politische Ziele der Erlösung findet.

Rationalversammlung

Weimar, 12. Aug.

Vci Erledigung einer Reihe von Ansragen
fragt u. a. Abg. Gräse (D. N.) unter Bezugnahme
auf Prcffenachrichten. nach denen in englischen und
amerikanischen Eefangenenlagcrn den
deutfchen Kriegsgefangenen
mitgeteilt worden sei. datz ihre beschleunigte Helm-
kchr nach Deutschland von der deutschen Regierung
nicht gewünscht, ja sogar dur chdie Weigerung de
deutschen Regierung. die VorSereitungen zum Ab-
transport in dfe Wege zu lettcn. verhindert werde:
Zst die Reichsregierung Lereit, darüber Auslunst
zu geben, welche Vorbereitungen tatsächlich
zu einer raschen Nücklehr getroffen und na-
mentlich. welche diplomatischen Schritte
unternommen worden sind, um der weiteren Zu-
rückhaltung der Kriegsgefangenen ein Ende zu
machen?

Reichsminister des Aeuhern Müller: Jn einem
Teil der Preffe ist letzthm die Behauptung auf-
gestellt worden. die Regierung habe nicht alles ge-
tan, um die lchleunige Heimbeförderung der deut-
schen Kriegsgefangenen zu ermöglichen. Zur
Rechtfertigung hat sich die Preffe auf Aeutzerungen
aus englischen Gefangenenlagern beruftn. Die
deutsche Regierung kann es vorerst nicht glauben.
datz sich derartige offenkundige Entstellungen der
Tatsachen, die da behauptet werden. in offiziell''
Befehlen und Bekanntmachungen der englischen
Lagerbehörden befinden. Sje hat daher unver-
ziiglich Schritte unternommen. um den
Sachverhalt zu klaren und Abhilfe
zuschaffen.

Jm übrigeg stellt die Negierung fest: alle
Bemühungen bis zum Beginn dcr Friedens-
verhandlungen. die Heimkehr unserer Krieasgefan-
genen zu veranlaffen. sind ergebnislos ge-
blieben. Die erste Anerkennung der selbstver-
ständl'chen Pflicht, die Kriegsgefangenschaft nicht
zur Sklaverei ausarten zu laffen, findet sich in Ar-
tikel 214 des Fr:edensvertrages. Der Friedens-
vertrag tritt aber erst nach der Ratifika-
tion durch drei der gegnerischen HauptmäLte
in Kraft und darauf können die Entente-
mächte formell ihre Weigerung stützen.
Eleichwohl war die deutlcke Reg-eruNg unaLlussicr
bemüht. das Los der Gefangenen zu lindern
und ihre schleunigste Heimschaffung zu ermög-
lichen.

Der Minister 'pab dann einen Ueb'-rblick über
die wied^rholten Vorstellungev der
oeutschen ^q'erunq bei der Entente und die m
dieser Angelegenheit überreichten Noten und fähn
fort:

Solange die Hilfskommission. die im
Friedensvertrag vorgesehen.ist. ihre Tätigkeit n o ch
nicht aufgenommen hat. ist der Abtransport
der Kriegsgefangenen nicht möglich. Die
deutsche Abordnung zu dieser Kommission weilt
bereits seit Beginn der Friedensverhandlungen i
Versailles. während die Entente ibre Dertre-
ter noch nicht ernannt hat. Die Schul- kann
unmöglich die deutsche Regierung treffen.

Jetzt wird von Kreisen. die die Leiden unserer
Kriegsgefangenen politisch auszuschlachten bestrebt
sind, immer wiedex bebauptet. die Regiernng laM
«s an dem nötigen Nachdruck fehlen. Mit den
Angehörigen der Kriegsgefangenen und mit dem
ganzen deutscben Volk weitz sich hie Regieruna
einig in der schärfsten Verurteilung der Zurückbal-
tung der Kriegsgefangenen. Nber die Neqierung
verfüqt nicht Lber die Macht und die Mittel.

die Leidenszeit der Kriegsgefangenen abkürzen zu
können. Jn' der Sitzung am 1. August hat dcr
deutsche Vertreter, Frhr. v. Lersner. neuer-
l i ch darum gebeten. endlich auf -ie Kriegsge-
fangenenfrage einzugehen. Der französische Min,
ster Loucheur hat versprochcn', dem Minister
präsidenten Clemenceau sofort Vortrag da
rüoer zu halten.

Die Reichsregierung hofft auf die Einsicht unse-
rer kriegsgefangenen Landslcute. datz ste sich nicht
von den Jrreführuygen der Hetzpresse
in den Ländern ihrer Eefangenschaft oerführon las-
sen. Welche llngeheuerlichleit, zu glauben, als
läge der Reichsregierung nichts an ihrer Heimkehr.
Politische Ausschlachtung dieses national gemein-
sam zu tragenden Unglücks weist die Regierung
mit Entrüstung von sich und weitz fich darin eins
mit allen den Kreisen im Volke, denen das Schick-
sal unserer Kriegsgefangenen warm und uneigen-
nützig am Herzen liegt. (Stürmischer Beifall bei
den Mchrheitsparteien.)

Es folgt die zweite Lesung des Entwurfs übe,
das

Zündwarensteuergesetz,

das mit geringsügigen Aenderungen in der Aus-
schutzfaffung angenommen wird. Das
Spielkartengesetz

wird in 2. Lesung ohne Aussprache erle-igt.

Es folgt die erste Beratung der

grohen Finanzgesetze.

Der Präfident macht Mitteilunq über den Ar-
beitsplan der nächsten Tage und sagt: Vorausge
setzt, datz ich genügend unterstützt werde, könnte'
bts zum 2 0. August sämtliche Vorl-agen,
die jetzt noch erledigt werden sollen. zu Ende kom-
men. Bis zu dicsem Taqe mützte ein bcfchlutzfähi-
ges Haus ermöglicht werden.

Rilchsfinanzminister Erzberqer
gibt einen lleberblick über die Entwicklung des F'-
. nanzwesens in Deutschland von 1913 und 1918. D'-e
ungeheuren Zahlen rusen mehrfache Bewegung u.
Hört-Hört-Nufe im Hause hervor.

Erzberger fortfahrend:

Zwei Fragen müffen noch crledigt werden. die
finanziell und volkswirtschaftlich von grötzter Ve-
deutung sind. Wir müffen sofort mit aller De-
schleunigung an die.

Schaffunq einer dsutschen Handelsflotte
herangehen und wir müffen ferner mit ebenfalls
grotzter Veschleunigung unseren Auslands-
deutschen mit reichen Vorschüssen zu Hilfe
kommen. Schon die nächste Zeit wird solche Dor
lagen an die Nationalversammlung finden. End
lich mutz unser Schul.denstand erleichtert werden.
Das Höchstmatz. das ein Kriegsjahr an Anleiber-
aufbrachte, waren.25 Mtlliarden. Dieses Höchst
matz mutz jetzt das Volk Iahr für Iahr an Steuern
aufbringen. um zu gesunden. Von einem Staats
Lankerott würden die untersten Schichten de-
Volkes am allerschwersten getroffen werden. Mi'
grauenvoll der Zustand in Deutschland werden
würde. lätzt sich gar nicht ausmalen.' Darum wir^
die Reform lommen. weil fie kommen mutz.
Ich werde nicht ruhen. noch rasten, um im Herbst
eincn klaren Etat vorlegen/zu können. Ich bn^
mit'den Nessorts schwer darum zu kämpfen. beson
ders mit dem Kriegsministerium. Negierung unb
Parlament müffen mit Hochdruck arbeiten. um
nung in das Chaos der Liguidation des zusatnmew
gebtochenen Kriegsunternehmens zu bringen. W '
baben.auch durch den Fricdensvertrag sehr schwere
Pflichten Lbernommen. denen wir mit ehrlichem
Millen nächkommen werden. Zunächst heitzt e-^
die schwebende Schuld zu beseitigen oder wenig-
stens zu mildern. Durch die Kriegsabgabe. die
Zuwachsabgabe und das Neichsnotoofer wird un-
sere schwebende Schuld von 70 M'lliarden a>
höchstens 46 Milliarden ermätzigt werden. Dur^
die Matzregeln. die noch geqen dieSteuer-
flucht erqrificu werden sollen. werhen übrigen«-
die deutschen Banknoten. die sich im Äuslande be-
finden. ke'nerlei Wertverrinqerunq erfabren.
jedcm Falle werden -die Matznahmen sehr har
sein.

Die bis setzt in 2. Lesung vevcEchüedeten Stsuer-
gesetze und die noch zu veväh'''ck»i'ideäde Erb-
schaftssteuer werden etma 8 Mill'varden brin-
gen. Es Twüffen aber 25 Milliarden beischflfft wer-
den. Dazu sollen in erster Linie dienen die Eimäch-
men Es dem Reichsnoitopfer. jauc-. dor
Umfatzsteuer und aus der grotzen Reichs-

einkommenste-uer. Das wlro aber noch
nicht ausreichen und deShalb werden mme Wege
schritten werden müffen. Hierher gehört die Er-
höhun-g der Ppstgebühren. In Vorberei-
tung ist dann noch e-in Eesetzentw'urf über die
steuevung der Mrneralöle. Menn die brciten
Maffen sohen, datz die sinangkräftlgen Kreise bis
an die Erenze rhrer Leisüungsfälhigkeit belastet
werden, dann wird auch moiali ch der Weg
zu den indirekten Steuern. Beseitigen wir
die Iledevjiülliuna der Ee.dmittel. dann wird auch
der We-g frei für die Senkung des Preisniveaus
Dabei jst ganz selbstoerständlich, datz das Betrieh^
kapital nicht sostark sokürzt wird, datz der Mü-erl
Mtfbau des Wirtsck-aftsleLens Mr UmnöslichLeit
wivd. Die Vevmögensabsade wird uns äuch ch
dem BcstrcÄink unterstützea. uns die nötise Einstiffr
zum Wo.tiwa'rklpreis zü sichern. Zu den Preisen
von 1914 werden wir lange Zeit nicht wieder ein-
ra.nfen tönnen, denn die Preise sind in der ganzeü
Wslt sanz eryeblich gestiegen.

Nach dam Friedmsvertrag un!d erst recht durch
die Mautelnote des Frisdensvertraigs hat sich
Entente des Rechtcs be-gcibeu, Hand auf die Ein-
nahmeqinellen Doutschlands zu ieaem Sollte sie
entgogen dem klaren Rechtsstand unL- in Wider-
lpruch mit ihrer eisenen Not es versuchen, lg be^
dautet das einen unerträslichen Eingrifs
tn die Sauveränität des Deutschen Reiches
und wäre geaen ihre eigenen Wirtsschaiftsinteresien.
Nutzerdem aiber würde die Reichsregierung am 3bl
Septemlbei vor die NationalverfannNlung treten
um die Emnächtigung zu evbitten. das Reich^uot^
opsir nicht auszufüihren. Die Entente erhä.t ihre
Forderungen in jeder gewünschten Form bezcchlt..
Mer mit Papier kann sie keine einAigtz Strotze in
Noädfrankreich neu bauen. Sie braucht da,zu die
dout che Arbeit. Nur durch sio ist die Wiedergutma-
chlnng möglich. Die Entente hat das <mch mit lla-
rvm Blick erkannt.

Das Reichsnotopfer hat eine eminent so-
ziale Bedeutung und mutz eine ethische
Wirk-ung ausübon. Ls Ät aber cvuch ein
Sühneopfer für den rnMnonistnfchen Eeifd, der
weite Kreise des Voikes erfatzt hat. Dies Dowutzt-
fein waltender Eerechtigkeit wird allen Volksge-
nossen bie Mita-rbeit am Wiedevaufbau ihres heitz-
ge.iebten Vaterlandes lercht machen. Mit der
DurchMrung der Nelchseinkoimmenstsuer wird der
mötzte Schritt zur SchMrng eines einheitlichen
beutschen Nationalstaates setan. Die Einzel-
staaten haiben in anerkennenswerter Bereitwil-
ligkeit das lchwere Opfer des Vergichts uuf die
eigens Stouerverwaltung gSbvacht. Das Opfer
roird sich für beide Teile loihnen. Um die Cteuer-
gssetze zu dem in Ausstcht genammsnsn Termin in
Kraft tveten zu laffcn, ift es notwendig. Lie gesamt-
Stou-Srreform noch im Laufe dietses Iachres zu ver-
aibschieden und damit ein Werk zu schaiffen, das an
Bedoutung hinter der Reichsoerfaffiung nicht zu-
rücksteht, aber vuch bem deutschen Dolke zuin So-
gen gereichen wird.

Die Steuern, die bier gächafffen werden sollen,
wevden für das doutsche Dolk eine Woh.'tat sein,
denn nur mit ihnen könnon wrr das schafffen, was
wir wollen; ein neues starkes Deutkches Reich auf-
gelbaut auff Eerechtigkect und Demokratie. (Leby.
Beifall.)

Hierauf wird die' Weiterbevatung «mf Mittwoch
nachmittag 2 Uhr vertagt.

* * «

Dys Offiziers-EntschädigungsgeseH

Der Hauvtanssch.utz der NationaliverffLmm«
Vung hat in seiner gestrigcn Sitzung dcrs Offfi-iers-
entschad'mungsgaseh in rweiter Lesnng ange-
nommen. Es lag eine Mngaihl Anträgc
der Rechtsoartoien vor, dte znm Zicle hatten, dio
Rogievungsvorlage, die für die Offnsiere wosenb
lick» günffkiger ist, wieder herznstellen. Diese stietzen
jedoch auff Unncvhmöbigkeit beff lden Mi hrheits-
partoien, soldatz ffchliehlich die sämtlichon dahings«
hendon Antüäge abgelehnt wurldsn. Di«
Rcichsrogierung lietz Entgogenckommen orElären.

* Die Propaganda für die rhernische Nepublit
nimmt immer tollere For.nen an. So bvingt z. L
das Berbcmdsorgian der kölnüschen Arbeitor- uA
Güworkschaftsvereine Deutschland-West in Nr. 26
einen lcrngen Artikel, der heweisen soll, datz dis
Rheinländer keine Preutzen seien und deshalb M
L^tronnung vom prsußischcm Ctaat ein morali-
sches Recht hätten. _

Kunst und Wisssnschaft

* Haeckels „Welträtsel", dio in einer Anzcchl
von über einer Millian Exemplaren auf der gan-
zen Erde verbreitet sind, haben eine sckhr inter-
effante VorgAchjchte, üb'-r dio der srotze Eelehrte
vor eimger Zett Mitteiluingsn machte. Als Mit-
slier, der Naturwiffenschaftlichon GaseUchafft in
Altenburg nahm Haeckel einmrl an einer Sitzung
teil, bsi der ein Mitglied einen nach seiner Mei-
nunZ «mrsäglich törichton" Dortrag hielt. Als
Widerlesuns hielt davauff Haeckel sÄnen Verühmt
geüvordenen Dortrag üiber den «Monismus als
Band -wischon Relislo-l und Wiffenschafft", die so-
senannte „Altenburger Sonntagspredigt". In die-
sem Dortraq waren alle isne Idven und'Keime
entwickelt. dre später in ümfaffender Weise in den
«Weltrarsäln" medergelegt sind. Der Verloger
Haecke.b, Strautz. der Nefffe von Daoid Friodrich
Straüch, drängte daraufhin den Velehrten, seine
Ideen doch in populärer Faffung zu Papier zu
bringen. Haeckel war zunächst Mr wenig geneigt,
lretz sich dann aber doch, wie er sagte, „verleiten".
Uckber die Art, wio er an dsn Welträtffeln avbeitete,
erzcchlte er: „In drei Monaten war das ganze
Werk heruntergeschrieben. Um Nuhe zur Arbeit
m halbm, moldete ich mich hei aller Melt für eine
Atallenreiso olb und schllch boim Morgenavauen
ms Mluffaum, um erst beim Licht der Sterne wie-
der beimzin chleichon. Diese Art der ArLeit jst für
ein devartiMs Werk notwendig. wke mlr scheint;
anders kann man jene flotte Art der Darstclluns
nicht beibeihalton, die sa weffentlich auf das Volk
wlrkt. Das Resultat auf der anderen Seite ist
natürnch, datz zMlreiche Lücken klaffen und Irr-
tumer nlcht auMeiben können. Aber alles Men-
sck-enwerk ist Stückwerk.^ Der unaehoure Erfols
dss Buches, ein Erfola, wie er einenn ohilosophischrn
Werk uur gainz selten beschieiden ist. hat Haeckel
selbst Merraffcht. „Nie", saate er. «habe lch mir
träUmen laffen, datz dieses Buch. das eine Kette
von Zufälligkeiten — oder ffagen wir. dem Walten
der DorselMng'i — entspringt. einen solchen Erfocks
haiben könnte. Ich habe weit Besseres as>chrwb..'n,
z. B. nieine 1860 erschleneno..Amorphologie".

* Hochschulnachrichten. Prof. Dr. med. et phil.
Oskar Gros. Direktor des pharmazeutischen Jn-
stituts in Halle, wird dem Rufe an die Univer-

sttät KLln Folge leisten. — Der Mathematik-
professor der Breslauer Technischen Hochschule.
Eeh. Reg.-Rat Dr. Eerhard Hessenberg, hat
den an ihn ergangenen Ruf an die Tübinger
Universität angenommen. — Dem Privatdozenten
für Zoologie an der Universität Freiburg i. B.,
Dr. Friedrich Baltzer, bisher in Würzburg. und
dem Privatdozenten für Chemie daselbst, Dr. Rob.
Schwarz. ist der Titel auherordentl'.cher Profes-
sor verliehen worden. — Das zweite Ordinariat
sür Mathematik an derHamburgischen Uni-
versität ist dem o. Proseffor Dr. Erich Hecke in
Eöttingen Lbertragen worden. — Dr.-Jng.
Dr. med^ Ludwig L a u t e n s ch l ä g e r hat fflch n"
der Techniffchen Hochschule'zu Karlsrllhe für
das Fach der pharwazeütischen Lhemie habflitiert.
— Dem Vernehmen nach hat der Marburger
klaffsiffche Philologe Prof. Dr. Aarl Nejnhqrdt
den Nuf nach Hamburg angenommen.

Neues aus aller Welt

Erzberger, der Liebling d

Dums, schietzt mit rieffigem Kabiber
Dcr Holffenich cmf Matthes' Schncrbel.

Hoiho, wie toibt das Schlachtenficbor!

TrM er den Deeg?, Trifft er ben Nabel?
Wirb nun sich vor dem Kaldi vcmfen
Der Helfferich unb der Erzvcgiercr:

Ml'crd <rlles hübffch im Sapd verlaufen?^ ^
— O Mcttthes, o du Reichsblamiorer. - s
Wo iimmor auch du stöhst als Pate. -V c
Ltets blüht dle nämliche Ecistailtunjg:

Zwar keine omsten Resultate,

Doch rvichlich Stoff zur Unterhailtuna.

Bim in der .^Zugenld".

* Ein Kunstdrebstahl. Aus dem Erünen Ee-'
wölbe in Dresden. wo der sächsische Kronschatz ver-
wahrt wird. ist eine Bronzesigur im Werte oon
10 000 Mark gestohlen worden. Vonr Täter fehlt
^orläufig jede Spur.

* Linen originellen Streik führten jUUge Leute
tn Reichclsheim im Odemiwald ducch, Dort
hatten die Musikanten für einen vorgchcHenen VaL
autzer dem hoh n Eintrittsgeöd des WlÄtes <ruch
oiil-e riemlich bedeutende Summe als Tcmzgold
vorgoseben, das aber die Jugend su zahlen sich wei-
serte. Als dre Derha>ndlungen zu keinein Evgeb-
nis fuhrten. einigten sich die Tcvmer -ulld v^'rhielten
ffich don lockenden Weiffen der Muffikantsn gsgen-
übev völlio vaffio, die. als sie vcrgeblich spuÄten,
schlietzlich abzogen. Bcrld darauf drehten sich die
junyen PLrchen bei rff-ner flott seffpielteir Zreh->
harmonika.. ^

* Die Franzosen als Schützer der Schamlosigkeit.
Eine srotze Anzahl Personen von Wotms und
Pfeddersheim wurden in Haft genommen
und nach Mainz zur ALuirteilung scbracht. die man
als Uv^Lr>r der Plakatawschläve betrachtet, i>n de-
nen die leichtsrnmigon Frcruenzimmer NMncntlich
angofübrt wurLion, die in schamloscffier Werfe mii
den Fvauzoffen verkehrt waren. Sogar ein jung.r
Mcnnr bosindot sich unter den Verhafteten. de>r i-m
Kriege beideBeine verloren hat, der
Sohn des Wormffcr Arztes Dr. Boierthal.

* Die Fliegerpolizei. Für d e Berliner Sicher-
heitspolizei ist eine Flugstaffel in Biesdorf einge-
richtet worden und diese Staffel hat bereits Ee-
legenheit qehabt. in einem Falle cinzugreifen. dc
ungewöhnlich ist. Zm Hamburger Hafen ist vor
einiger Zeit nichts geringcres gestohlen worden
als ein ganzes Dock. Die Diebe. die das Dock ent-
führten. wollten es nach einem nor.dischen Hafen
bringeu. Als man die Entführung des Docks, die
während der Nacht erfolgt war. zur Anzeige
brachte. schwamnr das Dock bereits auf hoher See.
Flugzeuge der Btesdorfer Staffel wurden darauf-
hin zur Verfolgung abgeschickt; sie fanden das Dock
auch auf der See. Leschossen cs mit Maschinonge-
wehren und zwangen die Diebe dadurch zur Rüü
kehr in den Hamburger Hafen.

* Eine Wahnfinnstat ist in Ttefenort in

der RHLn verübt worden. Dort hat der Karussell-,
besitzer Caspari aus Kloster bei Salzungen, welcher
mit der Menge, die sich auf dem Diehmarkt Le-
fand, übek trgend eine Sache in Streit geraten
war, in blinder Wut mit einem Reoolver in die
Menge hineingefeuert. Dabei wurden zwei Pn-
sonen, ein junger Bursche und ein junges Mad-
chen, auf der Stelle getötet und mehrere andere
Personen verletzt. Die Wut der Menge über diese
Tat war unbeschreiblich. Sie zertrümmerte da§
Karuffell und sämtliche Schiffsschaukeln mit alleU
Einrichtungen. Der Täter wurde verhaftet. -

* Die Äürgermeisterin von Steinherg. Aus der
Rhön wird der „Täsl. Runb'chcvu" geschrieiben:
Dieffer Tage brachten die Zeitunsen die Melduns^
datzi in denr Nhöndorfe Steinherg'eicke Frau (die
erste in Deutschlanld) zum Bürgermeiste'r genoählt
worden soi. Die Sache htt ihr^ RichtiÄeit,
deffen oiel benlerkenswerter als die nackte Tatsabe
ist es zu hören, welch eigenartigem Umstande die
neusobackeno Dürgerineisterin ibrc Wiirde ve.'r-
danckt. Dia Wackere heitzt Fvau Schuchert und ist
Beffitzerin einer Gastwirtschaft. Als solche hattc sie
im Verköhr mit ihren Stammtischgästen mchttaiy
die Amtsfiilhrung ihres Vorgängers a>uf dem Dur-
germeisterstuihl bemängolt uiid in scharf Malliser
Weise kritisicrt. Der Bürgermeistor. dem d'io.b stt-
tiischen Aeutzerungen natürlich nicht verborgen b>ie-
ben, rächte sich dafür cuuf h«Mt originelle Art. -.us
nämlich soine Amtsperiode abgelaufen war, rrm
er zuvück und schlug der erstaunlen Gemeindc vor,
der Frau Ge>.'egenheit zu gebcn. „es besser M ma-
chen? Nach einiger Ueberlesung ncrhm die
mkiinlde dieffen Eedanken auch auif, und schon

sich die streitbare Wirtin einstiimniq.Mm Dbrger-
meister gewählt. Man erwartet nun im
Dorfe Daten von Fvau Schuch-'rt. die. rvse eL m'b '
seit dcin Tage ihrer Wahl ein wenig emsilblg ae-
worden ist.

(IVeberstr. 4). ke^e^icde. n?cb öeeodunx: .

6vmn»i.tsl- u. lleLl-KIa58en: 8ext3-?r!mo. '

Lvden I. ISgl- /irdelt58tuncken. familiendeim. 8p v'
VVelk^tdtle. Ldem- praktikum. 8elt 24 äadren ctto»
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