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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 16.1905

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Jaumann, Anton: Über Glasmalerei und Kunstverglasung
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https://doi.org/10.11588/diglit.7502#0054

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INNEN - DEKORATION

ARCHITEKTEN H. STIERLEIN U. H. PRUTSCHER—WIEN.

Aus dem Vestibüle eines Wiener Hauses.

eine solche aus leuchtenden Blättern, leuchtenden
Vögeln, leuchtenden Menschen.

Die bunten Glasfenster sind keine Erfindung
der Neuzeit; schon den Domen des Mittelalters
dienten sie als würdigste Zierde. Doch war die
Stellung der Künstler ihnen gegenüber damals eine
etwas andere als heute. Denn damals wollten sie
durch das Mittel des farbigen Glases erbauliche
Geschichten erzählen, Begebenheiten aus der heiligen
Schrift, fromme Legenden, tiefsinnige Mysterien.
Die Erzählung, die Darstellung war hierbei das
eigentlich Schmückende, und die Farben wurden so
genommen, wie sie sich aus dem Gegenstand er-
gaben. Unsere Heutigen aber zielen in allererster
Linie auf die Farbe, sie ersehen im Glase ein
Material, in welchem ihre kühnsten, Täuschendsten,
feurigsten Farbenträume sich verwirklichen lassen.
Ihnen ist die Zeichnung darum nicht mehr Zweck,
sondern Mittel, sie wollen nicht irgend welche Ge-
schichten erzählen. Das Glas selbst soll seine Leucht-
kraft offenbaren, und an die Stelle der religiösen
Geheimnisse treten die wunderbaren, mystischen
Schönheiten des Materials. Wir suchen solche
Gegenstände, die sich unsern erträumten Farben
als Träger darbieten, und bei der Erfindung führen
uns die Eigentümlichkeiten der Glasstücke, die wir
verwenden wollen. Freilich steht uns im Vergleich
zu den Kollegen im Mittelalter ein ungleich reicheres
Material zu Gebote. Sie mussten mit ein paar,

mitunter recht trüben
Farben auskommen,
und wir haben so ziem-
lich die ganze Skala
uns erobert. Dazu
welche Mannigfaltig-
keit der Glasarten!
Ausser den alten
glatten die gewellten
und gebuckelten, die
gerillten und kristal-
linischen und so fort.
Fast täglich erscheinen
neue Arten auf dem
Markt. Und dann erst
das berückende, mär-
chenhafte Flutenge-
woge in dem spezifisch
modernen Opaleszent-
glas, und das in uner-
hörtem Feuer glühende
amerikanische Tif f any-
glas! Fast tut es einem
leid, diese Wunder-
erzeugnisse moderner
Technik, in deren geheimnisvollen Farbensymphonien
das Auge stundenlang schwelgen kann, mit heisser
Zange oder spitzem Diamant zerschnitten zu sehen.
Die Achtung vor dem Material begünstigte auch
in unsern Tagen die Vorliebe für das reine Mosaik
in der Kunstverglasung, wo keine Malerei, keine
Innenzeichnung, kein Schwarzlot die eigene Farbe
des Glases dämpft oder unterbricht.

Wenn nun aber die Schönheit des Materials
Hauptzweck ist bei der Komposition, und wenn wir
uns bemühen, das Material rein zur Geltung zu
bringen, so sollten wir auch weiterhin auf den
Charakter der Glasart Rücksicht nehmen und nament-
lich bei der Zusammenstellung mehrerer darauf
achten, dass jede ihrer Eigenart entsprechend Ver-
wendung finde. Ich sah ein Bild, da war die Luft
aus schwerem Opalglas dargestellt und die Bäume
und Figuren aus durchsichtigem Antik. Trotzdem
die Farben richtig waren, nahm das Auge doch an
der Verletzung der Gewichts- und Dichtigkeits-
verhältnisse Anstoss; natürlich wäre vielmehr ge-
wesen, alles Luftige aus leichtem und alles Massive
aus schwerem, körnigem Glase zu bilden. Ein ähn-
liches sonderbares Vorgehen ist es auch, in einem
reinen Mosaikbilde die Zufälligkeiten des Opal- oder
Tiffanyglases als Innenzeichnung zu benutzen, z. B-
für den Faltenwurf, für Einzelheiten der Frisur.
Das ist Unehrlichkeit, Schmuggel! Ein Armuts-
zeugnis, dass man in der einen Technik, dem Mosaik,
 
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