Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 16.1905

DOI Artikel:
von Lasser, Otto Moritz: Angewandte Kunst im alltäglichen Leben, [2]
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.7502#0128

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
116

INNEN-DEKORATION

Angewandte Kunst im alltäglichen Leben.

(Schluss von

Wohl hängt ein gekreuzigter Christus an der Wand .. aber
solch ein Bild mahnt doch die meisten Kranken an Qual und
Tod. Man muss übrigens selbst krank gewesen sein und
im Spital gelegen haben, um ermessen zu können, was die
langen Stunden der Nächte und der Tage dort heissen,
und dazu die kahlen Wände ! Zumal eine längere Rekon-
valescenz ein monatlanges Verweilenmüssen in derartigen
Hallen und Sälen fordert, wem werden sie nicht noch in
der Erinnerung zur Qual?

Man sollte doch meinen, gerade der Kranke brauche
am notwendigsten Zerstreuung, Aufheiterung, freundliche
Eindrücke um sich, Schönheit. Es gibt immer noch Ärzte,
die das nicht in allen Punkten befürworten, ihnen genügt,
glatte Wände der Desinfektion wegen zu fordern. Aber
ich sage, auch dem Spitale gebührt die Kunst des Innen-
Architekten, gebühren dekorative Kunst und Bilder.

Wenden wir uns zum Schlüsse dem Dekor der Ge-
staltung und Um-
gebung der heu-
tigen Wohnhäuser,

beziehungsweise
den modernen Woh-
nungen zu ! Am
besten dürfte es da
sein, statt den allge-
meinen Stand der
Dinge zu streifen,
an der Hand eines
typischen Beispieles
zu zeigen, was wir
hier wirklich schon

an Errungen-
schaften besitzen,
und was uns noch
fehlt. Die heutige
grosse Konkurrenz
im Bauwesen hat
nach der tech-
nischen Seite hin,
und dies sei zu-
nächst gerne kon-
statiert, bereits sehr
nützlich gewirkt.
Andernteils halten
aber auch hier die
künstlerischen Dar-
bietungen nicht
gleichen Schritt mit
dem technischen
Vorwärtsschreiten,
wie wir gleich an
dem schon er-
wähnten Beispiele
sehen können. Ich
kenne nämlich eine
Wohnung in einem
Bezirke Münchens,
die bei 35 Mk. Miete
pro Monat folgendes
für den Bewohner
bietet: drei Zimmer,

RICHARD RIICMKKSCHMJD—MÜNCHEN.

Seite 100.)

darunter zwei grosse, Küche mit Gasanschluss, geräumigen
Gang, Badezimmer, Balkon, Speicheranteil, Kelleranteil etc.
Es ist ferner in jedem Räume elektrisches Licht vorhanden;
es sind hübsche Öfen, auch ein französischer Rollofen da;
die Zimmertüren zeigen Mattglastafeln etc. Die Böden
sind mit hartem Holze, die elektrische Treppenhausbeleuchtung
funktioniert vorzüglich.

Entsprechend dieser praktisch-aufwändigen Durchführung
besagter Wohnung war nun wohl auch deren künstlerische
geplant. Und mit dieser Absicht resp. dem, was dabei zu
Stande kam, habe ich mich nun zu beschäftigen. Nun, man
wollte zu viel, und es wurde zu wenig. So erscheinen die
Tapeten aufdringlich und geschmacklos, der Anstrich der
Fenster und Türen, besonders die Füllungen der letzteren
sind verunglückt; geradezu als scheusslich aber erweisen
sich die plumpen Stuckverzierungen der Decken und die
Plafondmalereien gehören wohl zum ärgsten, was ich sah.

Die Drücker an den
Türen, die Be-
schläge, die viel zu
protzig geratenen
Beleuchtungskörper
und noch diverse
andere Dinge legen
Zeugnis davon ab,
was der deutsche
Bürger an Ge-
schmacklosigkeit
verträgt. Die Haupt-
sache ist und bleibt
aber, dass man die
ganze Wohnung mit
weniger Geld und
dennoch so hätte
gestalten können,
dass auch ein Künst-
ler, ein Architekt
mit ihrer Erschei-
nung zufrieden sein
müsste. — Damit
sind wir wieder bei
den ersten Darleg-
ungen unseres Auf-
satzes angelangt.
Ein entmutigender
Kreislauf. . . Aber
es hat sich ja schon
so vieles geändert
in der Welt, und
am Ende . . warum
sollten die Ver-
treter der Kunst in
unseren Tagen nicht
endlich begreifen
lernen, dass sie
des Anschlusses an
den Alltag notwen-
diger denn alles
anderen bedürfen.

MORITZ OTTO BARON
LASSER IN MÜNCHEN.

Aus den Weinstuben »Haus Trarbach*
in Berlin. Aus dem Räume Seite ioj.
 
Annotationen