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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 16.1905

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Vogt, Adolf: Japanische Wohnkunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.7502#0248

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INNCN'DEKORATfON

XVI. 3HHR6fln<3. Dcirmltadf 1905. OKTOBER-HEFT,

JAPANISCHE WOHNKUNST.

Iange bevor Japan sich durch den siegreichen
Krieg mit Russland die Anerkennung als Groß-
^ macht errang, hatte es schon durch seine
wunderbaren Kunsterzeugnisse eine Art geistigen
Eroberungsfeldzug bei den Völkern des Abend-
landes geführt; doch so sehr auch seine Holzschnitte
und Lackarbeiten, seine Stickereien und Bronzen
angestaunt und nachgeahmt wurden — man hielt
diese Kleinkunst, in der sie Meister waren, immer
nur für eine zwar ausserordentliche Spezialität, für
eine manuelle Geschicklichkeit, die durch jahr-
hundertlange Tradition heran gezüchtet, mit Dressur
mehr zu tun habe als mit echter, freischöpferischer
Kunst. Erst der riesenhafte Krieg veranlasste uns,
dieses Inselvolk ganz ernst zu nehmen und unter
die in erster Linie stehenden Träger der Mensch-
heitskultur einzureihen. In der Tat hat auch Japan
in den letzten Jahrzehnten eine schier unglaubliche
Entwicklung durchgemacht, indem es mit Riesen-
schritten den Weg zurücklegte von mittelalterlichen
Staats- und Kulturverhältnissen bis zu solchen, die
ganz auf der Höhe der abendländischen Kultur
stehen. Allein diese kolossale Leistung wäre nicht
möglich gewesen, wenn nicht schon das Vorbild
existiert hätte, bis zu dem man sich entwickeln wollte.
Im Lernen aber waren die Japaner immer gross.

Und sie übernahmen von uns alles, was irgend-
wie für sie von Wert sein konnte — nur eines
gelang ihnen trotz heisser Mühen nicht: Unsere
europäische Kunst blieb ihnen ein verschlossenes
Reich. Es gibt japanische Maler, die in der Weise
der französischen Impressionisten malen, ja sie haben
sogar einen Bund, eine »Sezession« gegründet; doch
ihre Bilder sind, wenngleich sie fünf- und zehn-
tausend Mark dafür verlangen, herzlich schlecht.
Jedenfalls enthalten sie nichts von dem feinen Ge-
schmack und Farbensinn, der ihre so billigen Holz-
schnitte auszeichnet. Auch unsere Musik ist und
bleibt ihnen ein Buch mit sieben Siegeln. Es zeigt
sich hier eben, dass die Kunst nichts Verstandes-
mäßiges, nichts äusserlich Erlernbares ist, sondern
aufs tiefste mit Geist und Sonderart der Rasse
verwachsen ist. Auch uns Abendländern ist es nie
so recht geglückt, den japanischen Stil in der Klein-
kunst und im Kunstgewerbe nachzuahmen, es kam
immer nur etwas Halbes, ein unerfreuliches Kompro-
miss heraus. Es blieb uns nichts anderes übrig, als
die echten japanischen Erzeugnisse zu bewundern
und zu lieben, höchstens konnten wir sie mechanisch
vervielfältigen. Ihr innerstes Wesen blieb uns fremd.

Dieser Zustand gegenseitiger Achtung, bei dem
weder die Japaner im europäischen Stil noch wir

1906. x. 1.
 
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