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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 16.1905

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Gradmann, Otto: Die I. Württembergische Ausstellung für Wohnungs-Austattungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.7502#0270

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259

Die I. Württembergische Ausstellung für Wohnungs-Ausstattungen.

(Original-Bericht.)

Die letzter Tage im Württembergischen Landesgewerbe-
Museum eröffnete „Ausstellung für Wohnungs-Aus-
stattungen" bildet insofern ein neuartiges Unternehmen,
als sich dieselbe einerseits streng im Rahmen der modernen
Kunst halten, andererseits aber die Grenzen bürgerlicher
Verhältnisse nicht überschreiten soll. Wie vorauszusehen
war, wurde es in letzterem Punkte nicht so sehr genau ge-
nommen; jedoch tut dies dem programm-mäfjigen Zwecke
der Ausstellung, „ein möglichst erschöpfendes und ein-
heitliches Abbild der bürgerlichen Wohnung unserer Tage
zu bieten, deren Zimmer sich gegenseitig zu harmonischer
Wirkung ergänzen", keinen Abbruch. Die Ermunterung zum
Luxus ist der Kunst würdiger, als die Aufwärmung der
alten Binsenwahrheit, dass in den Pfahlbauten auch Stimmung
gewesen sei.

Immerhin wurde in Hinsicht auf elegante Möbelformen
der Einfachheit vielleicht ein zu grosses Opfer gebracht.
Der Luxus beschränkt sich hier auf die Verwendung massiver
edler Hölzer, prachtvolle Politur und metallische Durch-
reibung, kunstvolle Marqueterien und Intarsien, wohl auch
gelegentliche Relief-Einlagen; aber in Bezug auf Kunstformen
ist abgesehen von einzelnen Überspanntheiten nichts wesent-
lich Neues zu sehen.

Viel mehr Interesse erregt die Ausstattung der einzelnen
Räume, die grösstenteils mit einem Aufwände künstlerischer
Sorgfalt arrangiert wurden, der alle Anerkennung
verdient. Wir möchten hier allerdings nicht dem
Puppenstubenplane das Wort reden, der in Möbel-
bezügen, Vorhängen, Portiere, Bodenteppich und
womöglich noch in der Tapete Farbentöne und
Dessins wiederholt sehen will, obgleich auch solche
Beispiele auf der Ausstellung nicht fehlen und der
erste Eindruck, den man davon empfängt, oft nicht
einmal ein so übler ist. Man könnte sagen: einen
Vergleich mit wirklich künstlerisch arrangierten
Räumen können diese Muster einheitlicher Ordnung
nicht aushalten, weil sie sich zu einander verhalten,
wie die freie Kunst zur Schablone. Aber dies
ist eben wohl auch wieder eine Übertreibung, die
das Kind mit dem Bade ausschüttet. Denn es unter-
liegt keinem Zweifel, dass sich durch maßvolle und
geschickte Anwendung der Wiederholung von Farben
und Dessins wirklich künstlerische Effekte erzielen
lassen. Ihre Wirkung auf den Beschauer ist im
allgemeinen erfreulich und beruhigend, weshalb sie
sich vorzüglich für das Schlafzimmer eignet. Die
Ausstellung weist hiervon einige hübsche Beispiele
auf, in welchen Bettvorhang, Gardinen, Portiere
und Teppich Übereinstimmungen zeigen.

Im allgemeinen fand das Prinzip bürgerlicher
Einfachheit in Bezug auf die Ausstattung der Muster-
zimmer nur wenig Beachtung; sie sind, abgesehen
von den Schlafzimmern , für welche die Mode so
wie so grosse Einfachheit vorschreibt, grössten-
teils luxuriös und glänzend ausgestattet. Dies gilt
nicht nur in Hinsicht auf die freie bildende Kunst,
die die Räume in Gestalt von Marmorstatuen,
Bronzen, Gemälden, Kupfern etc. ausschmückt,
wozu man auch noch die prachtvollen modernen
Beleuchtungskörper (darunter die neue, aus Hänge-

birnen leuchtende Kramersche Gasglühlampe), sowie Gobe-
lins, orientalische Teppiche und allerhand Pflanzenschmuck
rechnen kann, sondern es gilt besonders in Hinsicht auf
die Möbelausstattung selbst. Den feinen Marqueterien
und Intarsien entsprechen die denkbar kostbarsten Möbel-
bezüge, wobei auf die bekannten Bedenken des Bürger-
tums vor „heikein" Farben wenig Rücksicht genommen
wird. Wir können hier leider nicht daran denken, die
14 Räume der Vorhalle und die 16 zusammenhängenden
Zimmer der Haupthalle einzeln zu beschreiben, obgleich sie
fast alle interessant sind in ihrer Art; sondern müssen uns
eben mit einzelnen Stichproben begnügen. Schon einer der
Salons der Vorhalle zeigt allen Glanz moderner Ausstattungs-
kunst: Die zierlichen Möbel in echt Mahagoni, halbdunkel
poliert, mit Silberbeschlägen, Sofa und Fauteuils ganz über-
polstert in matt himmelblauer Seide mit Silber durchwirkt
und Salonstühle mit Velours de genes in Gold mit Silber.
Das Zimmer nimmt sich wohl recht elegant aus, wenngleich
die Farben etwas grell wirken. — Ein andrer Salon in ost-
asiatischem Palisander mit silberplattierten Beschlägen und
Mattsilbereinlagen, ebenfalls in modernem Stil, zeichnet sich
durch zierliche Formen und lebhafte Gliederung aus. Das
Sofa mit grossem Umbau, Fauteuils und Stühle besitzen eine
neuartige hygienische Polsterung und sind mit hell-lilafarbigem
uni Seidenmoiree von höchst zartem Tone bezogen. Zwei

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