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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 16.1905

DOI Artikel:
von Lasser, Otto Moritz: Angewandte Kunst im alltäglichen Leben, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.7502#0106

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94

INNEN - DEKORATION

Angewandte Kunst im alltäglichen Leben.

Es muss doch schon nachgerade selbst Fernerstehenden
auffallen, welche Überproduktion heute auf dem Gebiete
der bildenden Künste vorliegt und andernteils verblüfft
es geradezu, täglich aufs Neue zu sehen, wie wenig die
Kunst noch Fühlung hat mit dem realen Leben, dessen
künstlerischen Bedürfnissen und Sehnsuchten . . . Ja, jährlich
verlassen so und soviele hunderte von jungen Malern,
Radierern und Bildhauern die Akademien. Jährlich erleben
wir des weiteren
schier eine Un-
menge grosser
Kunst-Ausstellun-
gen. Jährlich wird
man des ferneren
in allen möglichen
Kunst - Vereinen,
Wochen - Atelier-
ausstellungen etc.
mit einer erdrük-
kenden Anzahl von
Werken der Ma-
lerei, Graphik, der
Plastik bekannt
gemacht — wo-
runter sich ja
allerdings ebenso
wie auf den gros-
sen Bildermärkten
dann und wann
eine Perle befin-
det. Doch was
helfen uns im
Grunde alle diese
Arbeiten? Es sind
ihrer zu viele, sie
kommen zu teuer,
und die Künstler,
welche sie schu-
fen, müssen häufig
genug in der ge-
meinen Misere des
Tages hinküm-
mern und darben.
Dagegen welch'
ein anderes Bild
bietet sich dar,
wenn man mitten
im Leben steht...
wenn man von der
Strasse aus, in der
umgrenzten Häus-
lichkeit, im Laden
des Kaufmannes

Umschau hält nach Gelegenheiten für künstlerische Betäti-
gung. Brachliegende Felder, Neuland überall! Aber auch
die quälende Erkenntnis, dass wir im Grunde fast unglaublich
kunst- bezw. kulturlos dahinleben! Unfruchtbare Schönheit
auf der einen Seite, auf der anderen Talmi, Überlebtes,
Geschrei, aufdringliche Gebärden, Seichtheit - Mode allen-
falls. Sollen wir durch Beispiele verständlicher werden?
Es fällt nicht schwer, Belege für das Gesagte zu erbringen.
Aber es fällt schwer mit irgend etwas anzufangen und man

RICHARD RIEM KRSCHMID—MÜNCHEN.
Trarbach*—Berlin. Holzwerk: Eiche

weiss nicht, womit man aufhören soll. Denn von der ein-
fachen Hutnadel der Frauen bis zum „modernen Wohnhause"
wie es unsere Herrn Bauunternehmer belieben, welche lange
und bunte Kette von Geschmacklosigkeiten. Welch einfältig-
kindisches Getue bei Schaufenster-Arrangements! Was für
Leistungen im Holzschnitt - „geschmückten" Annoncenteil
einer Zeitung, welcher Unfug an Plakaten — der grinsenden
Albernheiten auf den Katalogen und ähnlichem von Firmen

gar nicht zu den-
ken! Das ist Alles
und noch tausende
von Dingen sind
reformbedürftig.
Trambahn,Drosch-
ke, Eisenbahn-
Koupee — ist an
sie etwa keine

künstlerische
Hand mehr anzu-
legen? Und ein
Zündholz-Schäch-
telchen, könnte es
nicht netter wer-
den, als es ist?
Aber gleich einer
Schnecke, die er-
schrak, sehen wir
die Kunst vor sol-
chen Aufgaben
Halt machen . . .
allerdings sehr
zum Schaden ihrer
Vertreter, noch
mehr aber zu dem
der Gesamtheit.
Denn Alles sollte
und für Alle ent-
sprechend sein!
Die Kinder-Fibel
ebenso als eine
teure Klassiker-
Ausgabe, die
Herren-Krawatte
ebenso als einVor-
satzpapier und je-
der Blumen-Topf
ebenso als die
hübsch bemalten
der künstlichen

Blumen von
Heckel, München.
Mitunter sieht man
zwar auch Lüstern-
heiten nach künstlerischen Erfolgen aufzucken, aber du lieber
Himmel, der Auftraggeber ist sodann Kaufmann und als solcher
goutiert er zumeist im harmonischen Einverständnis mit dem
Publikum, das er verbildete, die bekannte „Auchkunst".

Doch solange nicht jeder Kleiderhaken, jeder Ofen, der
simpelste Zaun und die Tor-Einfahrt eines bürgerlichen
Hauses durchweg davon erzählen, dass die Künstler auch
ihrer gedachten, dürfen wir nicht ruhen, für ein Verall-
gemeinern der Schönheit einzutreten.

Aus den Weinstuben >Haus
dunkelbraun; Wände und Decke weiss.
 
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